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Home Politik

Transparente Parteienfinanzierung – Ein Gebot des Grundgesetzes

Jürgen Brautmeier Von Jürgen Brautmeier
20. Mai 2019
Johannes Brockmann

Wenn alle Welt gegenwärtig in Artikeln, Aufsätzen und Festreden daran erinnert, dass unsere bundesrepublikanische Verfassung vor 70 Jahren das Licht der Welt erblickt hat, dann richtet sich der Blick natürlich fast automatisch auf die 65 Väter und Mütter des Grundgesetzes. Mehr als manche gelehrte Biografie oder wissenschaftliche Analyse bietet eine Online-Präsentation des Hauses der Geschichte in Bonn visuelle und akustische Impressionen der Männer und Frauen, die 1948 und 1949 dabei waren. Die „Beobachtungen“ basieren auf Fotografien von Erna Wagner-Hehmke (1905-1992), die im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung die Arbeit des Parlamentarischen Rates dokumentierte und etwa 1200 Motive einfing und festhielt. Ergänzt wird diese einmalige Sammlung durch Tondokumente des Deutschen Rundfunksarchivs. Wer tiefer in die Arbeit und die Zeit der Politiker, ihre Biografien und ihre Themen eintauchen will, findet hier eine umfassende Zusammenstellung und jede Menge Anknüpfungspunkte für weitere Recherchen.

Es lohnt sich, nicht nur die Fotos und O-Töne der bekannten und später in der Bundespolitik sehr präsenten Politiker und Politikerinnen anzuschauen bzw. anzuhören, sondern sich auch einmal mit den heute vergessenen, aber zu ihrer Zeit durchaus prominenten und einflussreichen Persönlichkeiten zu befassen. Ihr Lebensweg und ihre Positionen bieten manchmal überraschende, aber immer erhellende Einsichten in die Hintergründe und Ausprägungen vieler Passagen und Artikel des Grundgesetzes. Manches ist heute nicht mehr relevant oder im Laufe der Zeit verändert worden, aber vieles hat alle Grundgesetzänderungen überstanden. Und einiges ist heute aktueller und sinnvoller denn je. Etwa die Regelung, nach der die Parteien laut Absatz 1 Satz 1 von Artikel 21 GG bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Dies scheint allerdings heute eher umgekehrt der Fall zu sein, dass nämlich die Parteien die Hauptakteure dieser Willensbildung sind und nicht die Bürgerinnen und Bürger selbst. Die Sätze zwei und drei des gleichen Absatzes legen fest, dass die Gründung von Parteien frei ist und ihre innere Ordnung demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. So weit, so gut.

Und dann aber Satz 4: “ Sie [die Parteien] müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben.“ Ohne diesen Satz sähe die Geschichte der Bundesrepublik anders aus. Das kann man natürlich von vielen anderen Bestimmungen des Grundgesetzes auch sagen, aber wem fallen nicht sofort die großen Parteispendenskandale ein, die es trotzdem gegeben hat. Und wer wundert sich angesichts dessen nicht darüber, dass es immer wieder neue Versuche gibt, dieses Gebot zu umgehen. Der so folgenschwere Satz steht im Grundgesetz, weil der westfälische Zentrumsabgeordnete Johannes Brockmann (1888-1975) „trotz teilweise starker Widerstände aus den großen Fraktionen“, wie es lapidar in der Online-Präsentation des Hauses der Geschichte heißt, die Aufnahme dieser Regelung in das Grundgesetz durchsetzen konnte.

Brockmann war Vorsitzender der nur zweiköpfigen Zentrumsfraktion und als solcher Mitglied u. a. des Ältestenrats und des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates. Er stammte aus Paderborn und war vor 1933 katholischer Volksschullehrer und Schulleiter in Rinkerode bei Münster, bis ihn die Nationalsozialisten 1934 zwangspensionierten. Er war vorher Mitglied im Gemeinderat und Gemeindevorsteher in Rinkerode und von 1926 bis 1933 Mitglied des Preußischen Landtags. Überregional war er im Katholischen Lehrerverband engagiert und Gründer und langjähriger Vorsitzender des Katholischen Junglehrerverbandes. Nach 1945 gehörte er wegen seiner starken katholischen Verwurzelung zu den Wiederbegründern der Zentrumspartei in Westfalen und widersetze sich den Bestrebungen zur Gründung der CDU.

Vor der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen war er Generalreferent Kultus, also quasi der Kultusminister der von der britischen Besatzungsmacht eingesetzten westfälischen Provinzialregierung, bevor er mit der Gründung des neuen Landes Nordrhein-Westfalen Mitglied des Landtags (1946-1958) wurde, seit 1947 war er dort Fraktionsvorsitzender und gleichzeitig von 1953 bis 1957 Mitglied des Bundestags. Außerdem war er von 1952 bis 1969 ununterbrochen Bundesvorsitzender des Zentrums. Im Parlamentarischen Rat setzte er sich für einen starken Föderalismus sowie für Volksbegehren und Volksentscheide und eine Verankerung des Elternrechts im Grundgesetz ein. Bei der Schlussabstimmung am 8. Mai 1949 stimmte er aber wie elf andere Mitglieder des Parlamentarischen Rates (aus CSU, DP, Zentrum und KPD) mit Nein, vor allem, weil er die katholischen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sah.

Anhand der Biografie und der Aktivitäten dieses einen Vaters des Grundgesetzes erklärt sich nicht unbedingt der von ihm durchgesetze Passus zur Rechenschaftspflicht der Parteien. Aber bezeichnenderweise war es ein Vertreter einer kleinen Partei, die heute Geschichte ist, ein überzeugter Demokrat und Föderalist, ein Mann des Glaubens und des Elternwillens, der in dieser Frage eine Linie vertrat, die sich als wichtig und richtig erwiesen hat. In den 70 Jahren, seitdem das Grundgesetz in Kraft ist, hat die von Johannes Brockmann maßgeblich bewirkte Regelung zur Verankerung der finanziellen Transparenz- und Rechenschaftspflicht der Parteien immer wieder dafür gesorgt, dass Politik in der Bundesrepublik grundsätzlich nicht käuflich ist. Ausnahmen bestätigen die Regel, aber wir leben in keiner von anonymen Geldgebern und Spendern beeinflussten politischen Kultur. Das kann man nicht hoch genug schätzen und das dürfen wir uns auch nicht zerreden lassen, schon gar nicht von populistischen Parteien, die in jüngster Zeit selbst wegen dubioser Finanztransaktionen in die Schlagzeilen geraten sind.

 

 

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Tags: DemokratieGeschichte der BundesrepublikGrundgesetzHaus der Geschichte in BonnJohannes BrockmannParlamentarischer RatParteienfinanzierungVerfassungZentrumspartei
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