Es ist Wahlkampfzeit in Polen und im Grunde ja auch in den USA. Da sollte man eigentlich nicht alles auf die Goldwaage legen. In diesem Fall tu ich es aber, weil es um Polen geht, um Deutschland, die Nato, die EU. US-Präsident Trump sagt dem amtierenden polnischen Präsidenten Duda bei dessen Besuch in Washington die Stationierung jener US-Soldaten zu, die er aus Deutschland abziehen lassen will. Was heißen soll: Trump will Deutschland bestrafen, weil es nicht bereit ist, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben. Trump wirft Berln vor, auf kriminelle Weise seine Pflichten gegenüber dem westlichen Bündnis zu verletzen. In den Ohren vieler Polen klingt das mit den amerikanischen Soldaten im Lande verlockend, sind sie doch aus historischen Gründen traumatisiert wegen der vielen Teilungen, die das Land hinnehmen musste, wegen des Überfalls von Nazi-Deutschland auf Polen 1939, wegen der Sowjetisierung des Landes nach dem Krieg. Und nach der Auflösung des Warschauer Paktes sorgt sich das seitdem freie Polen um seine Selbständigkeit, hat Angst vor dem starken Nachbarn im Osten, den Russen.
Auf so einer Basis lässt sich leicht eine Art kalter Krieg spielen, der Westen gegen den Osten, das böse Russland mit seinen bösen Kommunisten unter der Führung des bösen Wladimir Putin, vor dem man sich hüten muss, weil er doch nur auf eine Chance wartet, in das heutige Polen einzufallen. Und wenn dann noch die Russen ein paar Manöver machen in Weissrußland, Raketen mit möglicher Nuklearbewaffnung stationieren in Kaliningrad, dem einstigen Königsberg, und wenn man dann noch einbezieht, was die Russen alles Böse in der Ukraine anstellen, dann sind wir schnell bereit und entschlossen zur Verteidigung. Dass die Nato diese Kriegsspiele immer wieder selbst inszeniert, wenn sie ins Manöver zieht, gern auch an der polnisch-russischen Grenze, so wird das auf westlicher Seite als notwendige Übung betrachtet, die dem Kontrahenten im Osten signalisiert: Seht her, wir sind da und helfen notfalls den Polen.
Die Kommunisten sind die Bösen
Der Westen, die Nato sieht sich dabei immer als Friedensstifter, während den Russen, früher waren es die Sowjets, stets böse Absichten unterstellt werden. Sind halt Kommunisten und mit dieser Drohung leben wir schließlich seit Kriegsende, dessen glücklichen Ausgang- gemeint die Kapitulation von Nazi-Deutschland und die Befreiung von der braunen Diktatur, die dem millionenfachen Morden der Nazis in ganz Europa ein Ende bereitet hatte- wir auch und vor allem der Roten Armee verdanken, die die größten Verluste im Kampf gegen die Wehrmacht erleiden musste. Was man immer wieder betonen muss, weil es allzuleicht vergessen wird. Sind doch die Kommunisten die eigentlichen Bösen.
Dabei können sich die Polen sicher fühlen, sie gehören der Europäischen Union an, dazu dem westlichen Verteidigungsbündnis, Nato genannt, mit der Garantie-Verpflichtung, im Falle eines Angriffs von außen werde das Mitgliedsland Polen von den Truppen der Nato Beistand erhalten. Glaubt wirklich jemand, dass Putin so blöd ist und Polen überfallen werde? Die Nato, man frage mal Militärexperten, ist dem heutigen Russland haushoch überlegen. Dass in Polen gern Propaganda gemacht wird mit der Angst vor den Russen und dabei auf den Fall der Krim hingewiesen wird, ist bekannt. Es ist Teil der Innenpolitik, diese Strategie gehört zur Propaganda der Regierungspartei PiS. Ähnliche Parolen um die Angst sind auch im Baltikum zu vernehmen, damit wird Politik gemacht. Dabei weiss ein jeder, dass auch das Baltikum Teil der Nato ist und dazu gehört die Beistandsverpflichtung.
Dass Trump seinem polnischen Gast eine solche Zusage machte, ist ein Wahlkampfgeschenk, das in Polen gut ankommt. Dabei muss man wissen, dass Trump die Nato ziemlich wurscht ist, dass ihm die Europäische Union egal ist. Für ihn zählt allein: America first, nur America. Man denke doch nur an seine plumpen Versuche, mögliche Impfstoffe gegen das Virus Corona in Deutschland und gewiss auch in anderen Teilen Europa aufzukaufen, damit Amerikaner damit behandelt werden könnten, Amerikaner, nicht Europäer, so hat er das gesagt. Zumindest im Fall einer deutschen Firma ist er mit dem Versuch gescheitert, die ganze Firma mit Dollar-Millionen aufzukaufen. Den Polen muss man sagen, dass eine Spaltung der Nato ihrem eigenen Sicherheitsbedürfnis schaden würde.
Nato ist ein Verteidigungsbündnis
Den Vorwurf an die Deutschen, ihre Pflichten auf kriminelle Weise zu verletzen, halte ich für lächerlich, er ist absurd. Aufrüstung um ihrer selbst willen ist absurd. Die Nato, das sei an die Adresse Trumps und seine Freunde gesagt, ist ein Verteidígungsbündnis, ihre Gründung war nicht darauf angelegt, Kriege zu inszenieren mit all den Schrecken,die sie auslösen. Es ist gut, dass die SPD durch ihren Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich ziemlich früh eine Heraufsetzung der deutschen Kosten an der Nato abgelehnt hat. Mir ist Abrüstung lieber als Aufrüstung, was natürlich einem auf Waffen fixierten Präsidenten wie Trump nicht passt. Auch die deutsche Verteidigungsminsterin Kramp-Karrenbauer hat sich dem angeschlossen. Vorerst werden da nicht mehr Milliarden fließen.
Der heutige Linken-Politiker und einstige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine hat in einem Gastbeitrag für die „Nachdenkseiten“(Herausgeber ist der SPD-Politiker Albrecht Müller, der schon Willy Brandt zugearbeitet hat) daran erinnert, dass für die Nato das Völkerrecht gilt, „das Trumps USA täglich mit Füßen treten“. Lafontaine hat ferner die Frage aufgeworfen: „Wann wird es einen deutschen Kanzler geben, der der Verbrecher-Clique in Washington den Marsch geigt?“ Ich finde das alles sehr verständlich. Er hätte einräumen können, dass sein einstiger Parteifreund Gerhard Schröder(SPD) als Bundeskanzler dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush die Stirn bot und für Deutschland erklärte: Wir beteiligen uns nicht an einem Krieg in und gegen den Irak. Und er hätte hier Angela Merkel erwähnen können, die als CDU-Chefin daraufhin in einer amerikanischen Zeitung erklärte: „Herr Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Aber lassen wir das und erwähnen, was Lafontaine noch in dem Beitrag geschrieben hat: „Die USA schulden Deutschland Milliarden, weil sie den Nahen Osten kaputtgebombt haben und Deutschland wie auch andere Länder für die Folgen aufkommen muss, durch die Aufnahme vieler Kriegsflüchtlinge.“
Der US-Präsident ist ein Sicherheitsrisiko, überschreibt die SZ ihren Kommentar zum Angebot Trumps an die Polen, ein Angebot, das der SZ-Kommentator, der als Atlantiker gilt, zu Recht „unanständig“ nennt. Und noch einmal lass ich Oskar Lafontaine sprechen, der die Antwort auf die Frage gefunden hat, warum die US-Truppen überhaupt in Deutschland stationiert sind. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen in Europa, General Ben Hodges habe bestätigt, dass díe US-Soldaten nicht hier seien, um uns zu schützen, sondern von Deutschland aus die völkerrechtswidrigen Kriege in aller Welt zu führen, schreibt der Linken-Fraktionschef im Saarland und zitiert den erwähnten US-General: „Sie sind nicht dort, um Deutschland zu verteidigen, sondern sie sind für uns dort.“
Die Zeiten sind vorbei, hat die Kanzlerin Angela Merkel vor Jahr und Tag mal gesagt, dass wir uns auf andere verlassen könnten. Es ist an der Zeit, dass sich Europa auf seine eigene Stärke besinnt, dass es mit einer Stimme spricht, dass es geschlossen auftritt. Ein vereintes Europa ist stark genug gegenüber den Mächten wie USA und China, ein Land allein wäre verraten und verkauft. Das müssen alle Europäer wissen und bedenken, auch und gerade die Polen.
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