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Ausgerechnet Österreich erkennt Hans Globke Orden ab – Kein Nazi-Mitglied, aber Mitmacher

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
30. Mai 2024
Hans Globke (später Staatssekretär im Bundeskanzleramt bei Konrad Adenauer) bei einem Besuch in Bratislava zusammen mit dem Naziverbrecher und damaligen Reichsinnenminister Wilhelm Frick

Hans Globke? Wer soll das sein? So ergeht es nicht wenigen, wenn in diesen Tagen mal wieder der Name des Juristen Dr. Hans Globke fällt, weil ihm Österreichs Bundespräsident van der Bellen einen Orden aberkannt hat, den ihm das Land 1956 verliehen hatte. Globke war Staatssekretär im Kanzleramt unter Konrad Adenauer, die rechte Hand des CDU-Chefs in Bonn, ein mächtiger Mann, dessen Arbeit Adenauer und der CDU half, nach dem Krieg über viele Jahre die Macht in der neuen Republik zu sichern. Das aber wäre kaum der Erwähnung wert, wenn Globke nicht eine braune Vorgeschichte hätte. Ist er doch vor allem deswegen bekannt, weil er in der Nazi-Zeit bei der Entrechtung der Juden mitgeholfen hatte, indem er einen wichtigen Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 schrieb, der die Handreichung war, um Menschen, weil sie Juden waren, zu verfolgen und sie in Konzentrationslager zu deportieren, wo Millionen von ihnen vergast wurden.

Globke, der Kanzleramtschef Adenauers, also ein Verbrecher? Der Historiker Wolfgang Benz hat dazu geurteilt, Globke sei zwar „kein Nationalsozialist und Antisemit gewesen“, habe „aber im Sinne des NS-Regimes funktioniert und sich durch sachkompetente Mitwirkung am System der Judenverfolgung mitschuldig gemacht.“ Ein Schreibtischtäter des Dritten Reiches also, der für sich in Anspruch nehmen kann, auch Juden vor der Verfolgung und Vergasung gerettet zu haben. Übrigens hängt das Porträt von Globke im Kanzleramt neben allen anderen Amtschefs des Kanzleramts in der Zeit der Bundesrepublik.

Die Aberkennung des Ordens- „Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich“- war möglich geworden, weil in Wien seit wenigen Jahren auf Initiative des Grazer Journalisten Christian Weniger darüber diskutiert worden ist. Und weil dazu ein erforderliches Gesetz verabschiedet wurde, angeregt durch eine Petition von Zeithistorikern. Seit Oktober letzten Jahres ist eine solche Aberkennung nun möglich. Bundespräsident van der Bellen hatte eine solche Aberkennung als „richtig und notwendig“ bezeichnet und er hat dies nun vollzogen.

Ausgerechnet Österreich geht voran? Ein Blick in die Geschichte: Am 13. März 1938 erfolgte der Reichs-Anschluss des Landes, aus dem Adolf Hitler stammte(er wurde ja im oberösterreichischen Braunau geboren) und es hieß fortan nur noch Ostmark. Die Begeisterung für die Nazis in Wien, Salzburg, Linz, Graz und so weiter war besonders groß im Alpenland. Nach dem Endes des Zweiten Weltkriegs sah sich das Land schnell als Opfer von Nazi-Deutschland, an selbsternannten Widerstandskämpfern fehlte es nicht, kaum jemand wollte je dabei gewesen sein beim „heim-ins-Reich-Prozess“. Geschichte und alte Geschichten. Jetzt also die Aberkennung des Ordens durch den Präsidenten am 24. Mai 2024.

Deutsch, jüdisch, Rasse

Der SZ-Autor Willi Winkler hat in der „Süddeutschen Zeitung“ über den Fall berichtet. Winkler wies darauf hin, dass Dr. jur. Hans Globke, für seine Verwaltungsarbeit einst von Adolf Hitler mit dem „Treudienst-Ehrenzeichen“ ausgezeichnet worden war, denn Globke, schreibt Winkler, „hatte den maßgeblichen Kommentar zum Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre verfasst.“ Globke sei allein den rechtlichen Begriffen deutsch, jüdisch, Rasse gefolgt. So mag das gewesen sein für den in den Augen des früheren Unions-Partei- und Fraktionschefs Rainer Barzel „hochbegabten Verwaltungsbeamten“ Globke.

Blättert man im Archiv finden sich viele unterschiedliche Bewertungen des Herrn Globke, der im Grunde zu dem großen Heer von Juristen gezählt werden darf, das während der Nazi-Arbeit Recht sprach, jedenfalls in dem Sinne, wie es Goebbels, Himmler, Göring und andere als Recht eingestuft hatten. Und diese Juristen konnten fast alle nach Ende des Dritten Reiches ihre Arbeit in der Bundesrepublik fortsetzen. Willi Winkler hat darüber vor Jahren das Buch geschrieben „Das braune Netz“. Man sollte dazu auch das Werk von Prof. Ingo Müller „Furchtbare Juristen“ lesen, in dem u.a. der Fall des CDU-Politikers Hans Filbinger behandelt wird, in der Nazi-Zeit Marine-Richter und später Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Filbinger musste zurücktreten, weil ihm Todesurteile zur Last gelegt wurden, an denen er mitgewirkt hatte.

Ob Hans Globke auch die Orden in Deutschland aberkannt werden? Immerhin bekam er anlässlich seiner Pensionierung 1963 das „Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland“. Winkler hat, wie er in der SZ schreibt, mehrfach die CDU um Stellungnahme zum Fall Globke gebeten, aber keine Antwort erhalten. Eine posthume Aberkennung von Auszeichnungen sei nicht möglich, dazu bedürfte es einer Gesetzesänderung. Das wird von einem Friedrich Merz kaum zu erwarten sein, müsste die heutige CDU-Spitze doch „zugeben, dass ihr in den ersten 14 Jahren der Bundesrepublik die Herrschaft ein Mann gesichert hat, der im Dritten Reich als guter Jurist und bei klarem Verstand den Holocaust mit vorbereitet hat. Oder wie Dr. jur. Rainer Barzel sagte: Der Staat braucht gute Leute“.

Winkler hat Zitate parat, um die Reaktionen aus Regierungskreisen auf den Fall Globke und die Aberkennung eines Ordens zu beschreiben. Man kennt das, wenn der Regierungssprecher erklärt, dass die Bundesregierung die Ordensvergabe in anderen Ländern grundsätzlich nicht kommentiere. Das sagen sie immer, ist Blabla. Und auch der Bundespräsident sehe „keine Veranlassung, auf die Entscheidung des Bundespräsidenten der Republik Österreich zu reagieren“. Frank-Walter Steinmeier aber geht ein Stückchen weiter als die Regierung und lässt Winkler zufolge „immerhin auf sein jüngsten Buch mit dem Titel „Wir“ verweisen, in dem es heißt, es lasse uns heute nach mehr als sieben Jahrzehnten fassungslos zurückblicken, dass Leute wie Globke mit hohen bundesdeutschen Orden dekoriert wurden“. Fassungslos war ich schon immer wegen des Falles Globke, der damals mitgemischt hat, dann reingewaschen und Chef des Kanzleramtes wurde, weil der „Staat ja gute Leute brauchte“. Für das Wirtschaftswunder. Furchtbar ist das. Und Teil der unbewältigten Vergangenheit.

Staat braucht gute Leute

Der Staat braucht gute Leute. Ich lese gerade das feine Buch von Tim Pröse „Wir Kinder des 20. Juli“, ein tolles Werk des aus Essen stammenden und in München lebenden Journalisten. Darin beschreibt der Autor das Leben der Frauke Hansen, Tochter des Widerstandskämpfers Georg Alexander Hansen, am 20. Juli jährt sich der leider gescheiterte Attentatsversuch des Grafen Stauffenberg zum 80. Mal. Jener Männer, die ihre Leben geopfert haben für ein besseres Deutschland und deren Nachkommen erleben mussten, dass sie als „Verräter“ beschimpft wurde, die Kinder als „Verräter-Kinder“ im Schulhof und im Dorf. Die Witwe wurde die „Verräterfrau“ und der Dank des Vaterlandes drückte sich dann darin aus, dass sie lange Zeit keine Rente bekam. Man stelle sich das vor, der Mann, der den Mut hat, gegen den Verbrecher Hitler aufzustehen, ein Leben zu riskieren, damit der und seine Horde von Verbrechern das Töten und Morden beenden, damit Menschen leben können, diesem Mann wird Hochverrat vorgeworfen, dabei ist er ein Held. Deutschlands Aufarbeitung der Nazi-Zeit war für diese Frau und ihre Töchter die Aufarbeitung ihrer Kindheit, gegen Ignoranz, Engstirnigkeit, Hass. Der Mann und Vater Hansen ist nicht nur für seine Familie gestorben, sondern für ganz Deutschland.

Der Staat braucht gute Leute? Ja, aber er braucht vor allem auch gute Erinnerung, das Narrativ für die nächsten Generationen. Die Männer des 20. Juli sind meine Helden, wie auch die Geschwister Scholl, Georg Elser und andere, die ihre Leben gaben für Deutschland. Sie hätten alle Orden verdient.

Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 183-78475-0001 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en>, via Wikimedia Commons

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Comments 1

  1. Christian Weniger says:
    2 Jahren ago

    Sehr geehrter Herr Pieper, ich war das, mit Globke und der Ehrenzeichenaberkennung. Vor fünf Jahren beschäftigte ich mit mich Konrad Adenauer, der als Kölner Oberbürgermeister Anfang der 30er-Jahre den in Österreich gemobbten Spitzenjuristen und Mitautor der Bundesverfassung Hans Kelsen nach Köln holte. Und da kam mir dann in der Folge der Name Globke unter. Ich kannte den Namen nicht, auch sonst kaum jemand in Österreich. Ich las nun, was Globke als Jurist während der Zeit des Nazi-Regimes machte. Er schrieb nicht nur gemeinsam mit Staatssekretär und SS-Brigadeführer Stuckart den Kommentar zur den Nürnberger Rassegesetzen, sondern von ihm stammt auch die Initiative, jüdische Bürgerinnen und Bürger mit Zusatznahmen in offiziellen Dokumenten als noch besser „jüdisch“ kenntlich zu machen. Und es gibt noch mehr über diesen Herrn zu erfahren – die Fritz Bauer-Stiftung hat da etliches aufgelistet. Manches davon war in den Nachkriegsjahren, als Globke Kanzleramtschef wurde, noch nicht bekannt. Und Herr Globke bekam auch die Medaille für seine Mitwirkung am „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland.
    Jedenfalls empörte es mich, dass Herr Globke auch noch bei einem Staatsbesuch des österreichischen Bundeskanzlers Julius Raab in Bonn, 1956, den zweithöchsten Orden Österreichs erhielt, das Große Goldene Ehrenzeichen am Band für Verdienste um die Republik Österreich (eigentlich würde dieser Orden jene ausschließen, die schon 1938 für den Anschluss ausgezeichnet worden sind). So, nun dachte ich, es wäre notwendig, Globke dieses Ehrenzeichen zu entziehen, was aber rechtlich nicht möglich war. Ich fand in Historikern, mit denen ich etliche Publikationen zur österreichischen Geschichte herausgebracht hatte, Mitstreiter, auch in manchen Politikern. Wenngleich zumeist der Einwand kam, dass eine posthume Aberkennung ganz und gar nicht möglich wäre. Was mir aber Verfassungsjuristen anders erläuterten. Wann immer es schien, es könne in dieser Sache etwas weiter gehen, kam wieder ein Einbruch. Nach Auffliegen des Ibiza-Skandals kamen Neuwahlen, alles was vorher schon im Laufen war, war damit obsolet. Ein neuer Anlauf – weitere drei Jahre des Drängens, immer wieder auf Politiker:innen zugehen in der Sache. Bis es schließlich doch gelang. Im Oktober 2023 beschloss der Nationalrat mit großer Mehrheit (nur die FPÖ war dagegen) ein neues Ehrenzeichengesetz, das eine posthume Aberkennung vorsah, vor zwei Wochen setzte nun der Bundespräsident Alexander van der Bellen seine Unterschrift unter das Aberkennungsdekret des Hans Globke. Nur eine Zeitung in Deutschland, wo angeblich die Aufarbeitung der Nazi-Ära vorbildlicher vollzogen worden sein soll als in Österreich (was ich stark bezweifle) widmete sich diesem Thema, die Süddeutsche mit Willi Winkler. Die FAZ, der Spiegel, die Welt, die ich über die Aberkennung des Ehrenzeichens des ehemaligen deutschen Kanzleramtschef informiert hatte, sahen offenbar kein berichtenswertes Thema. Schon vor Monaten hatte ich mehrfach die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckardt, über die Vorgänge in Österreich im Fall Globke informiert und angefragt, ob es nicht auch für Deutschland an der Zeit wäre, sich dieses Themas zu widmen. Frau Göring-Eckhardt bzw. deren Mitarbeiter:innen sahen offenbar keinen Anlass, auch nur darauf zu antworten.
    Mich wundert, dass in Deutschland es Medien und Parteien akzeptieren, dass Herr Globke in den Listen der Träger der höchsten Auszeichnungen des Landes verbleibt.
    Mir ging es in der Causa Globke darum, aufzuzeigen, dass in der Nachkriegszeit mit den Helfern und Helfeshelfern des verbrecherischen Nazi-Regimes nachsichtig, zu nachsichtig umgegangen wurde, wir heute aber, nicht zuletzt auch durch noch massivere Informationen, das korrigieren. Das sind wir den Opfern schuldig, aber auch den jungen Menschen, die sehen müssen, dass es bei Rassismus, bei Antisemitismus, dass es für Beihilfe zum Holocaust und Massenmord, kein Wegsehen geben darf.
    Ich werde auch weiter versuchen, in Deutschland das Thema Dr. Hans Globke, „der liebe Doktor Globke“, wie ihn Adenauer nannte, zu transportieren. Globke setzte, wie man so lesen kann, ja auch in seiner Zeit als Kanzleramts-Chef Methoden ein, die eigentlich aus der Nazi-Zeit stammten. Ausspionieren der politischen Gegner etc. – Globke und Gehlen, die passten zusammen.
    Vielleicht finden sich auch in Deutschland Mitstreiter.

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