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Pressemeldung und Ansprache „Run for their lives“, Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Redaktion Von Redaktion
6. Oktober 2024
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland

Ansprache „Run for their lives“, Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, 06.10.2024, München

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe Anwesende,

es ist bewegend, so viele Menschen heute hier versammelt zu sehen. Und es erfüllt mich mit Hoffnung in so viele Gesichter zu schauen, die Solidarität und Mitgefühl ausdrücken.

Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich auch heute wieder auf den Weg gemacht haben, wie Sie es jeden Sonntag seit dem 12. November 2023 tun, und dass Sie für die Geiseln auf die Straße gehen. Mitgefühl im stillen Kämmerlein zu hegen ist das eine und es ist gut, aber es reicht nicht. Wir brauchen sichtbare und nachhaltige Zivilcourage!

Wir brauchen Zivilcourage, die uns, der jüdischen Gemeinschaft, das Gefühl gibt, hier erwünscht und gewollt zu sein. Sie alle, die heute hier versammelt sind, leben vor, wie das geht.

Wir laufen für die Geiseln und wir laufen für die Angehörigen und Familien, die jetzt so viel Stärke zeigen und für die Befreiung ihrer Liebsten kämpfen, während die Welt nicht genug macht.

Meine Damen und Herren,

wir schwanken zwischen Wut und Hoffnung.

Wir leben mit den Toten, den Menschen, die in Geiselhaft ermordet wurden, den wertvollen und geliebten Menschen, die nicht befreit wurden.

Wir leben mit den Menschen, die noch in der Gewalt der Hamas sind.

Heute spüren wir alle in München die geballte Kraft des Verlustes eines einzelnen Denn Tote sind kein Zahlenspiel, aus dem ein Gewinner hervorgeht.

Das Judentum lehrt, dass jedes Leben einen unendlichen Wert besitzt. Jeder Mensch gleicht von Geburt an einem kostbaren Universum. Der Verlust eines einzigen Lebens geht uns alle an.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, das ist eine Maxime, die gelebt werden muss!

(ZITAT) Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich? Wenn ich nur für mich bin, was bin ich? Und wenn nicht jetzt, wann dann?“ (ZITAT ENDE) So steht es in den Sprüchen der Väter geschrieben.

In so vielen Phasen der Geschichte kam niemand zur Hilfe. Die Einsamkeit war so oft eine existentielle Erfahrung für Juden. Wir haben die Pflicht, für unsere Zukunft und unseren Schutz zu sorgen.

Weil wir als Juden Teil einer verletzlichen Gemeinschaft sind, weil wir wissen und uns erinnern, wie es ist, als Fremder und als Feind markiert zu werden, werden wir immer die Verletzlichen und die sogenannten Fremden verteidigen.

Wir haben uns heute hier versammelt, um an die rund 100 Geiseln zu erinnern, die in den Tunneln der Hamas um ihr überleben kämpfen. Mehr als 1200 unschuldige Zivilisten wurden auf israelischem Boden am 7. Oktober von der Hamas ermordet. Morgen jährt sich dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der blutigste Tag für Juden seit der Schoa. Die Angriffe des Irans und der Terroranschlag in der vergangenen Woche haben erneut

gezeigt, wie groß die Bedrohung für Israel ist. So wie sich Israel und seine Menschen gegen diesen  Terror   zur Wehr setzen,  hat unser aller Bewunderung verdient.

Für viele Jüdinnen und Juden ist die Zeit an diesem dunklen Tag vor einem Jahr stehen geblieben. Doch die Uhren laufen weiter. Für die Geiseln, sowie ihre Angehörigen und die Menschen in Gaza, tun sie es in einem schrecklichen Takt.

Juden und Palästinenser sind nicht nur Nachbarn im Nahen Osten, sie sind es auch in deutschen Städten. Hier wie dort gilt: Zu einem Zusammenleben gibt es keine Alternative.

Ich weiß nicht, ob jene, die zu keiner Empathie und Solidarität gegenüber Juden am 7. Oktober fähig waren, ihren moralischen Bankrott in Zukunft überwinden werden. Aber wir stehen heute hier gegen das Schweigen, gegen den Hass und gegen Antisemitismus.

Wir werden nicht zulassen, dass unsere Stimmen verstummen! Und wir gehen auf die Straße bis die letzte Geisel befreit ist. Die Befreiung der Geiseln zu fordern, ist kein politisches Anliegen: Der Einsatz für die Befreiung der Geiseln ist ein menschliches Anliegen!

Wir gehen für die israelische Bevölkerung auf die Straße, für die Menschen, die seit Monaten nicht in ihre Häuser zurückkehren können, für die Menschen, die in ständiger Angst vor einer Ausweitung des Krieges leben.

„Run  for  their  lives'“‚  ist  eine  weltweite  Initiative,  eine  globale Solidaritätsgemeinschaft, die stetig wächst. In München wurde „Run fortheir lives“ nicht von einem Verein, sondern von zwei Privatpersonen ins Leben gerufen. Beide besitzen die israelische und die deutsche Staatsangehörigkeit. Sie fühlen sich in beiden Ländern beheimatet. Ihnen, den Initiatoren dieser bedeutenden Bewegung, Guy Katz und Jil Meiteles, möchte ich meinen Dank und meinen Respekt ausdrücken. Sie stehen für alle ein, die momentan keine Stimme haben.

Ich möchte diesen Platz nicht räumen, ohne mich bei Ihnen für die Chance zu bedanken, hier über die jüdische Gefühlslage seit dem 7.Oktober zu sprechen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

 

Bildquelle: Marco Limberg / Zentralrat der Juden in Deutschland

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