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Vizepräsident J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz als Bauchredner der Internet-Milliardäre

Wolfgang Lieb Von Wolfgang Lieb
15. Februar 2025
Marionettentheater, ähnelt dem Auftritt des US-Vizepräsidenten als Marionette der US-Milliardäre, AI generiert

 

Auf der 61. Münchner Sicherheitskonferenz zum Thema „Multipolarisierung“ warteten rund 60 Staats- und Regierungschefs, Politpromis und Hunderte, die sich für wichtig halten, sowie die versammelten Medienvertreter gespannt auf die Rede amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance. Wer erwartet hatte, dass sich Vance auf der Konferenz, die sich zum Ziel gesetzt hat u.a. über globale Sicherheitsanforderungen, Global Governance, die internationale Ordnung sowie über Kriege in der Ukraine und Nahost ober über die transatlantische Partnerschaft zu beraten, zu diesen Themen äußern würde, rieb sich nach der Rede des „Running Mate“ von US-Präsident Donald Trump konsterniert die Augen.

Vance verlor nur ein paar nichtssagende Sätze darüber, dass die Trump-Regierung sehr um die Sicherheit Europas besorgt sei, dass „wir zwischen Russland und der Ukraine zu einer vernünftigen Einigung kommen können“, „dass Europa in den kommenden Jahren in großem Umfang für die eigene Verteidigung einstehen muss“ – viel mehr nicht.

Und dann kam die Überraschung: Die Bedrohung, die Vance „in Bezug auf Europa…die größten Sorgen bereitet, ist nicht Russland, nicht China und kein anderer externer Akteur. Was mir Sorgen bereitet, ist die Bedrohung von innen: der Rückzug Europas von einigen seiner fundamentalsten Werte – Wert, die es mit den Vereinigten Staaten von Amerika teilt“, nämlich „in Großbritannien und in ganz Europa ist die Redefreiheit, so fürchte ich, auf dem Rückzug“ warnte Vance. So einen Vorwurf, nämlich dass die Meinungsfreiheit in Europa bedroht sei, hatte kaum jemand erwartet. Die meisten Anwesenden sollen geradezu schockiert gewesen sein, von einer politischen Bombe war in Journalistenkreisen die Rede.

Der später redende Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, sah sich veranlasst, den Vorwurf als inakzeptabel scharf zurückzuweisen. „Das ist nicht das Europa und nicht die Demokratie, in der ich lebe und der ich gerade Wahlkampf mache.“ Pistorius sagte weiter: „Wir wissen nicht nur, gegen wen wir unser Land verteidigen, sondern auch wofür: für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit, für den Rechtsstaat und für die Würde jedes Einzelnen.“ So heftigen Widerspruch gegen einen der höchsten Repräsentanten der US-Regierung gab es bislang von einer deutschen Regierung schon lange nicht mehr. Der bayerische Ministerpräsident Söder meinte, „wir nehmen jede Meinung ernst, aber mit wem wir koalieren, das entscheiden wir schon selbst“ und Olaf Scholz, der mit Vance nicht zusammentrifft, wies die Einmischung in den deutschen Wahlkampf scharf zurück.

Dass nun gerade die jetzt ins Amt gekommene amerikanische Regierung meint, Europa den Spiegel der Meinungsfreiheit vorhalten zu müssen, ist ein besonders absurder Kulturkampf. Erinnert sei nur etwa an die ständigen Vorwürfe Trumps gegen Medien, sie verbreiteten Fake News, oder an die Beschränkungen der Programme zur Förderung der Diversität oder an den Ausschluss eines AP-Journalisten von Pressekonferenzen im Weißen Haus, weil er entgegen eines Dekrets des Präsidenten, den „Golf von Amerika“ noch immer wie bisher als Golf von Mexiko bezeichnete.

Hat Vance mit seiner Rede nur das Thema der „Sicherheitskonferenz“ verfehlt? Oder verfolgte er nur die alte Medienstrategie des MAGA-Masterminds Steve Bannon „Fleed the zone with shit“, die auch sein früherer Chef Trump mit täglich neuen und teilweise völlig überraschenden Dekreten verfolgt? Man denke nur etwa seit seinem Amtsantritt an die Austritte aus dem Klimaabkommen, aus der Weltgesundheitsorganisation, aus Entwicklungshilfeagentur USAID oder an die Ankündigung der Einverleibung von Kanada, Grönland oder Panama  in die USA oder an die Drohung mit Zöllen gegen alle Länder, die nach Meinung Trumps zu viel in die USA exportieren, oder an die Amnestie aller 6.000 im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Capitol Verurteilten, oder an die Entlassung von Millionen Bundesbediensteten, an die Säuberungs- und Vergeltungsaktionen beim FBI, an die Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof, an die Umwandlung des zerstörten Gazastreifens von einem „elenden Loch“ in die „Riviera des Nahen Ostens“, verbunden mit der „Umsiedlung“ (Vertreibung) von zwei Millionen Palästinensern oder an den „unverzüglichen“ Start von Verhandlungen mit Putin, wobei die Rückkehr zur früheren Grenzen der Ukraine und deren perspektivische NATO-Mitgliedschaft von vorneherein für unrealistische Ziele erklärt werden. Und, und, und.

Wenn man den Pulverdampf der Rede von Vance sinken lässt, dann ist das Motiv von Vance` Vorwurf der Bedrohung der Rede- und Meinungsfreiheit in Europa ziemlich klar:

Der amerikanische Vizepräsident ist nur der Bauchredner der diese amerikanische Regierung beherrschenden Tech-Broligarchen, angefangen von Elon Musk über die gleichfalls bei der Präsidenten-Inauguration prominent Platzierten Jeff Bezos (Amazon), Mark Zuckerberg (Meta), Sundar Pichain (Alphabet und Google), Tim Cook (Apple) oder auch von Sam Altman (OpenAI) oder Peter Thiel (PayPal, Facebook u.v.a.m.).

Dass die Rede von Vance auch aus der Redeschreibabteilung eines der Tech-Milliardäre stammen könnte, wird deutlich, wenn man die Beispiele anschaut, die dieser für die Bedrohung der Rede- und Meinungsfreiheit in Europa nennt. Nämlich neben einzelnen Gerichtsurteilen in Schweden und Großbritannien, über die man – aus dem Zusammenhang gerissen – diskutieren kann, beschimpft er in polemischer Weise EU-Kommissare, die angeblich „den Bürgern drohen, soziale Medien in Zeiten von Unruhen abzuschalten, sobald sie etwas entdecken, dass sie als ´hasserfüllte Inhalte` einstufen.“ Oder auch die glatte Lüge, dass hier in Deutschland „die Polizei Razzien gegen Bürger durchführte, die verdächtigt wurden, antifeministische Kommentare im Internet gepostet zu haben, als Teils eines sogenannten ´Aktionstags gegen Frauenhass im Netz`.“

(Vance meinte wohl den Aktionstag des Bundeskriminalamtes zur Bekämpfung von Frauenfeindlichkeit im Internet, einem Projekt, in dem gegen frauenfeindlichen Postings – wohlgemerkt – mit strafrechtlicher Relevanz vorgegangen werden soll und gegen die Urheber staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet werden können sollen.)

Diese gesamte Polemik gegen europäische Normen für die Internetkommunikation ist im Sinne der US-amerikanischen Tech-Oligopolisten, die unter dem Banner einer vermeintlichen Meinungsfreiheit nach Twitter (jetzt X), nunmehr für alle ihre Mediendienste alle Community-Standards abgeschafft und jegliche Verantwortung für die verbreiteten Inhalte fallen ließen. Es gibt keine Faktenchecks mehr, keinen Jugendschutz. Alle Dämme gegen Hass, Drohungen und Lügen sind in den USA gefallen.

Es ist klar, dass diese Tech-Milliardäre durch die europäischen und nationalen Regulierungen sich um ihre Geschäfte in einem der lukrativsten (Werbe-) Märkte, nämlich Europa sorgen. Und deswegen schicken sie ihre politischen Bauchredner mit ihren Geschäftsbotschaften nach Europa.

Der Kampf gegen strafrechtlich relevante Inhalte im Netz kostet bislang die Netzbetreiber Milliarden an Personalkosten und technischem Aufwand. Das schmälert die riesigen Gewinne der Tech-Milliardäre und deshalb setzt man alle Mittel ein, um solche Kosten zu vermeiden. Um die Verbreitung von Hass, Beleidigungen, Pornografie, Fake News etc. einzuschränken, schreibt die EU vor, dass die Plattformen über ein angemessenes Kontingent an Content-Moderatoren in allen Sprachen der Mitgliedstaaten verfügen. So beschäftigt Ende 2023 YouTube von Google knapp 17.000, Google Play über 7.300 oder TikTok 6.125, X allerdings nur rd. 2.300 Moderatoren, die ein enormes Ausmaß von Inhalten an einem einzigen Tag überprüfen müssen. Außerdem sind die verhängten Strafen der EU-Kommission etwa gegen Google in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, gegen Apple in Höhe von 1,8 Milliarden Euro oder gegen Meta nit knapp 800 Millionen Euro oder die Wettbewerbsverfahren gegen Alphabet und der Schutz der Nutzer vor illegalen Inhalten nach dem Digital Services Act ein Ärgernis für die Tech-Milliardäre und auch für Trump, ihrem Paten.

Wer meint, im Internet herrsche Meinungsfreiheit, der betreibt Propaganda. Die Kontrolle über die verbreiteten Inhalte liegt nicht bei den Nutzern, sondern bei den Betreibern sozialer Netzwerke. Internetdienstanbieter sind nicht neutral. Es bleibt verborgen, dass die „geposteten“ Inhalte vor allem aufgrund von geheim gehaltenen Sortier- und Suchalgorithmen der Internetdienstleister gesteuert werden. Solche – den Betriebsgeheimnissen der Tech-Giganten unterliegenden – Computer-Rechenprogramme kategorisieren, filtern und hierarchisieren die Angebote – milliardenfach und in Bruchteilen von Sekunden.

Und wer meint: „Das Netz ist frei, wir sollten es nicht regulieren“, der täuscht sich und die Welt. Das Netz wird aktuell nämlich so reguliert, wie es die Digitalkonzerne für richtig halten.

Mit Meinungsfreiheit im Sinne des Grundgesetzes hat die Rede- und Meinungsfreiheit, über die Vance redete nichts zu tun.

(Mehr über die Gefahr für die Demokratie durch die Internet-Oligopole siehe „Wie könnte eine demokratische Alternative zur Macht der digitalen Medienmonopole aussehen?“)

Dass Vance im weiteren Verlauf seiner Rede, in der er Wahlkampf für die Migrationspolitik der CDU/CSU, die AfD und auch indirekt für das BSW betreibt, geht gleichfalls in dieselbe Richtung: „Mehr und mehr Menschen in ganz Europa wählen politische Führungen, die versprechen, die außer Kontrolle geratene Migration zu beenden.“

Die Organisatoren der Münchner Sicherheitskonferenz hätten „Abgeordnete populistischer Parteien, sowohl von links als auch von rechts von der Teilnahme an diesen Gesprächen ausgeschlossen“. (Siehe dazu ein Interview mit dem Konferenzleiter Christoph Heusgen)  Denn zumindest von Elon Musk wissen wir seit seinem Interview mit der AfD-„Kanzlerkandidatin“ Alice Weidel, dass er die extremen Rechten in Europa unterstützt. Auch Vance traf sich nach seiner Rede mit Weidel.

Hitlergruß hin oder her:

Musk mit Hitlergruß

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier die Rede von J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz vom 14.2.2025 als PDF zum Download

 

 

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Comments 1

  1. Roahan says:
    10 Monaten ago

    Es geht um die Redefreiheit, nicht um die Meinungsfreiheit! Das ist eine in fundamentaler Unterschied !

    Antworten

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