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Home Kultur

Schon immer wurden Zeugnisse der Geschichte zerstört

Caterina Massai Von Caterina Massai
30. April 2016
Palmyr vor der Zerstörung durch IS

Geschmückt durch eine 1 Kilometer lange Prachtstraße mit Kolonnaden, Tempeln, Thermen und Theater, erreichte die antike Oasenstadt von Palmyra im 1. Jh. n. Chr., nachdem sie Teil der römischen Provinz Syrien geworden war, ihre Blütezeit und florierte lange bis ins 3. Jh. n. Chr. Bis vor gut einem Jahr ein einmaliges historisches Zeugnis dieser Zeit, von Touristen bewundert, bis der Bürgerkrieg ausbrach. In kurzer Zeit – zwischen Mai 2015 und März 2016 ­­- als der Sturm des selbsternannten Islamischen Staats hier mit seinem zerstörenden Ungeist wütete, ist diese Perle wichtiger und unwiederbringlicher Schätze beraubt worden. Dazu zählen auch zahlreiche Museen des Landes oder andere antike Stätten, wie Nimrud und Ninive.

Zur Zeit ist bekannt, dass zwei Tempel, von Baal und das Baal Shamin sowie auch der Triumphbogen von Kaiser Hadrian und zahlreiche Grabtürme der nahe gelegenen Nekropolen in die Luft gesprengt worden sind. Welche und in wie weit diese wieder errichtet werden können, ist im Moment völlig unklar. Es wird eine Sysiphos-Aufgabe, die die syrische Denkmahlbehörde nur mit der Unterstützung der UNESCO erfolgreich unternehmen kann, wie es Maamoun Abdulkarim, Chef der Antikenverwaltung Syriens, gesagt hat.

Und prompt hat sich der syrische Präsident Baschar al-Assad gemeldet und großzügig den Wiederaufbau von Palmyra zur alten Pracht versprochen, obwohl keine friedliche Lösung des Zivilkrieges in Syrien in Sicht ist. Ein Witz? Erst steckt der Mann sein Haus in Brand und dann ruft er die Feuerwehr. Der üble Brandstifter als guter Feuerwehrmann.

Warum kämpfen die Kontrahenten im Nahen Osten gegeneinander? Erst zerstören sie antike Schätze, dann versprechen sie, sie wieder aufzubauen? Was für eine Valenz haben solche Versprechen für die eine oder andere Partei, ist das etwas Neues, ein besonderes Merkmal des syrischen Konflikts oder steckt dahinter etwas anderes?

Zu dem Phänomen der Zerstörung antiker Kunstschätze

Dieses Phänomen, im Westen erst 1998 durch die erste Sprengung der Kolossalstatuen von Bamiyan im Hochland Afghanistans bekannt worden, war längst davor als militärische und politische wie auch propagandistische Waffe im Einsatz gewesen. Das hat Ende Oktober vergangen Jahres ein sehr interessantes zweitägiges Symposium an der Bonner Universität gezeigt. („Angriff auf die Identität: Die Zerstörung von Kulturgut in bekannten und unbekannten Dimensionen“).

An dieser Stelle sei der Fall der altägyptischen Hauptstadt von König Echnaton (Amenhotep 4., um 1353-1336 v. Chr.), Achet-Aton, in Erinnerung gebracht. Der Pharao Echnaton kehrte dem altbewährten ägyptischen Pantheon den Rücken und gründete ex-novo eine Stadt als Hauptkultzentrum des Aton, des Sonnengottes, die er auch zu seinem Regierungssitz machte. Dort wurde ausschließlich Aton verehrt, dessen Sohn auf der Erde der Pharao selbst war und als solcher auch der einzige, dem die Ehre vorbehalten war, den Sonnenkult zu administrieren. Das Handeln des Pharaos rührte möglicherweise nicht nur aus religiöser Überzeugung, viel mehr wollte der Herrscher die enorme Macht der Priester in seinem Land eingrenzen.
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Aber nach seinem Tod wurden schnell die Hauptstadt des Reiches und der Hof nach Memphis zurückverlegt und nach und nach sorgten verschiedene Nachfolger dafür, dass die Stadt von Achet-Aton zerstört wurde, um die Erinnerung an ihn und seinen Versuch einer monotheistischen oder monotheistischänhlichen Religion auszulöschen.

Auch das bekannte Phänomen der „damnatio memoriae“ (Latein für „Verdammung des Andenkens“) in der Zeit des römischen Reiches ähnelt den Ereignissen um die syrische Grabungsstätte in Palmyra. Dabei handelt es sich um die Verfluchung und die demonstrative Tilgung des Andenkens an eine Person durch die Nachwelt, Taten die in der Antike als „abolitio nominis“ (Tilgung des Namens) bezeichnet wurden. Um das zu erreichen, wurden Namen aus Annalen und Inschriften ausradiert, Bildnisse jeder Art (Statuen, Büsten, Hermen, Münzen etc.) oft komplett zerstört oder beschädigt, oder aber auch in Bildnisse anderer Persönlichkeiten umgearbeitet. Da es bei den römischen Bildhauern üblich war, den Kopf einer Statue – oft aus einem wertvolleren Marmor als der Körper gearbeitet – separat von diesem zu bearbeiten, war es kein großes Werk, den Kopf auszuwechseln, sobald die dargestellte Persönlichkeit samt ihrer Taten und Ideen nicht mehr „in Mode“ war.

Auch im Westen und in unserer jüngsten Geschichte findet man Beispiele dafür, wie Architekturlandschaften und Bilder jeder Art sowie ihre bewußte Aufbewahrung oder endgültige Tilgung, Mittel werden, um eine Ideologie zu legitimieren und zu verbreiten.
Für Deutschland sei der Fall der Leipziger Universität erwähnt, auf deren historischem Gelände 1968 das nur teilbeschädigte Augusteum einschließlich Johanneum und Albertinum sowie die unversehrte Paulinerkirche gesprengt wurden, um Platz für eine Neubebauung zu schaffen. An ihrer Stelle wurde 1968 bis 1972 das dominante Uni-Hochhaus in Form eines aufgeschlagenen Buches gebaut, während die weitere Umgestaltung in den Jahren 1973 bis 1978 folgte. So resultierte das Hauptgebäude der Universität als ein sozialistischer Bau, über dessen Eingang sogar das Bronzerelief „Aufbruch“ mit Karl Marx‘ Kopf angebracht wurde. Nach einer sehr langen Diskussion, die Universitätsvertreter und Leipziger Bürger gegen die Pläne der Landesregierung führten, ist der Plan des niederländischen Architekten Erick van Egeraat bei allen Beteiligten gut angekommen. Er hat sich für eine Baufront entschieden, die in der äußeren, umgestalteten Form an das ursprüngliche Aussehen des Gebäudekomplexes um die Paulinerkirche erinnert.

Gleichzeitig war die Musik in Weimar ganz anderer Art: dort haben die DDR-Funktionäre sehr viel Wert darauf gelegt, die Stadt als Vorzeigeobjekt in einem guten Zustand zu erhalten. So groß ist die Macht und die Botschaft, die von Gebäuden, Landschaften, Schriften und Bildern ausstrahlen.

Die großmäulige, programmatische Erklärung Assads, er möchte sich dafür einsetzen, dass Palmyra zum alten Glanz zurückkommt, folgt den Spuren dieser Tradition der Ausnutzung der „Bilder“. Damals, als noch kein TV, kein Telefon, kein Internet zur Verfügung standen, konnten die Medien die eigene Propaganda nur in den Stein hauen. Assad versucht sich durch sein scheinbar großzügiges Angebot in einer neuen Rolle als väterlicher neuer Kaiser und Wohltäter zu legitimieren. Dazu passt die Schauwahl, die er gerade hat stattfinden lassen, eine Wahl, bei der kein Oppositioneller aus Protest kandidiert hat. Und in Genf werden sehr schwierige Friedensgespräche geführt.

Nicht desto trotz halte ich es für richtig, dass die westliche Gemeinschaft in der Körperschaft der UNESCO (die zusammen mit ihrem Mutterkonzern UNO zu lange nur zugeschaut hat!) die syrischen Behörden mit allen Mitteln beim Wiederaufbau von Palmyra unterstützt. Als studierte Archäologin sehe ich unseren Bildungsauftrag in der Pflicht, die Antike aufzubewahren, sie zu erschließen und sie zu vermitteln. Ohne wenn und aber, auch wenn diese Aufgabe in den Händen von Funktionären liegt, die dem Regime Assads treu sind, denn kein Volk darf seiner Vergangenheit und Identität beraubt werden.

Bildquelle: Wikipedia, Wilhelms – Eigenes Werk, The ruins of Palmyra, Syria, seen from the terrace of the Zenobia Hotel. Baal Shamin temple on the right, Tetrapylon in the center, CC BY-SA 3.0

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Tags: damnatio memoriaeISKrieg und ZerstörungPalmyraSyrienVerdammung des AndenkensZerstörung Weltkulturerbe
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