Thüringen war ihr Schicksal. Die CDU-Bundesvorsitzende, Annegret Kramp-Karrenbauer, hat bei ihrer ersten schweren Herausforderung nicht nur eine unglückliche Figur gemacht, sondern in jeder Hinsicht versagt. Ihr Autorität reichte nicht aus, die CDU im Freistaat zur Raison zu bringen und auf einen Kurs der politischen Vernunft zu bringen. Nun wird AKK als CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin zurücktreten. Das Ende ihrer Dienstfahrt bescherte einen Totalschaden für ihre Partei, gleich einem Crash an Bäumen des Thüringer Waldes. Die Bundeskanzlerin hatte sich aus dem fernen Südafrika mit Warnungen und Mahnungen gemeldet und gefordert, alles in Thüringen rückgängig zu machen.
Das Verhalten von Angela Merkel war mehr als merkwürdig, denn Stellungnahmen zu innenpolitischen Vorgängen aus dem Ausland verbieten sich von selbst und die Botschaft der Kanzlerin war fast eine Ohrfeige für die CDU-Akteure an der thüringischen Heimatfront.
Klare Kante der Union
Dabei war der Kurs der Bundespartei CDU seit langem eindeutig festgelegt: Keine Zusammenarbeit, schon keine Koalition und auch keine Duldung der Linkspartei und der AfD. Denn die PDS geriert sich nach wie vor als Nachfolgepartei der SED, also jener Partei, die an der innerdeutschen Grenze auf Flüchtlinge wie auf Hasen schoss, die unzählige Einwohner des Arbeiter- und Bauernstaates bespitzelte, drangsalierte und in Zuchthäuser warf. Bodo Ramelow ist nach wie vor der Ansicht, dass die DDR kein Unrechtsstaat war. Und damit steht der nicht allein, sondern in der Reihe vieler PDS-Granden, von denen sich nicht wenige auf Parteiorganisationen wie die „Kommunistische Plattform“ und „Marx 21“ tummeln. Politiker dieser Partei, in der auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung zahlreiche Altkommunisten aus Honeckers Zeiten aktiv sind, können von Unionschristen nicht unterstützt werden. Die SPD tut sich indessen mit der PDS seit langem leichter und schmiedet ohne Skrupel linke Bündnisse, um den demokratischen Sozialismus wiederzubeleben.
Scharf ist ebenso die Trennlinie der CDU gegenüber der AfD
Dasselbe gilt für die AfD. Mit Faschisten und Neonazis darf es nicht die geringste Gemeinsamkeit geben. Politikern wie Björn Höcke sollte und wollte niemand aus der Unionsspitze die Hand reichen. Das muss auch unverrückbar gelten, obwohl es in einigen CDU-Landesverbänden – vor allem in den Neuen Bundesländern – festzustellen war, dass man die Totaldistanz zur AfD überdenken sollte. Denn – so wurde hin und wieder argumentiert – viele ehemalige CDU-Wähler hätten bei den letzten Wahlen auf die rechtsradikale Alternative gesetzt. Diese AfD-Wähler, die keine Neonazis seien, gelte es zurück zur Union zu bewegen. Dass dies indessen nur mit klarer programmatischer Kante und einem überzeugenden politischen Angebot möglich sein wird, ist zwar bei den CDU-Oberen erkannt, aber nicht konsequent durchgesetzt worden. Auf das Wegbrechen an der grünen Front, also in der Landwirtschaft, und in den strukturschwachen Regionen gibt es jedenfalls bislang keine Strategie in der Bundespolitik – weder im Kanzleramt noch im Wirtschafts- oder im Agrar-Ministerium.
AKK ohne Autorität
Die CDU hat seit ihrer Gründung stets klar Front gegen den Kommunismus und Faschismus gemacht – insbesondere unter den Vorsitzenden Konrad Adenauer und Helmut Kohl sowie Angela Merkel. Annegret Kramp-Karrenbauer musste in diese wahrlich großen Schuhe treten. So gut ihre Vorsätze und Pläne waren, sie hat es nicht geschafft.
Ihre Lehrzeit als CDU-Generalsekretärin war zu kurz, der Sprung auf den Vorsitz der Bundespartei sehr ambitioniert und zu schnell. Er ging daneben – mit einigen Flops im Laufe ihrer bisherigen Aktivitäten an der CDU-Spitze und jetzt mit dem Superfehler. Ihr Auftreten gegenüber dem CDU-Landesvorsitzenden und Fraktionschef Mike Mohring war geradezu hilflos und ineffizient. AKK hatte nicht die Autorität, um ihre Thüringer Parteifreunde zur Raison zu bringen und mit ihnen einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden. In Berlin zurück zog AKK die persönliche Reißleine. Sie wird nicht die CDU-Kandidatin für das Kanzleramt werden wollen, obwohl sie den ersten Zugriff gehabt hätte. Und da AKK Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur auf eine Person konzentrieren will, wird sie sich im Laufe dieses Jahres auch von der CDU-Spitze verabschieden. Bis zum Herbst 2020 sollen das neue CDU-Programm fertig und die zukünftige Organisation vorgelegt werden. AKK will das alles noch als CDU-Vorsitzende klären und bleiben, bis die Kanzlerkandidatur der Union geklärt sein wird.
Laschet, Merz, Spahn – oder wer?
Die Probleme, mit denen die Sozialdemokraten seit langem kämpfen, haben nun auch die CDU eingeholt. Es geht nämlich um den Parteivorsitz und mit Blick auf die nächste Bundestagswahl um die Kanzlerkandidatur. Die Auswahl an geeigneten AKK-Nachfolgern ist nicht allzu groß. Doch wäre Armin Laschet wohl der beste Kandidat: Der NRW-Ministerpräsident hat sein Land in den vergangenen Jahren erfolgreich regiert. Er ist bereits stellvertretendes Vorstandsmitglied in der Bundes-CDU. In seiner Partei wird Armin Laschet von nahezu allen Gruppen, von Arbeitnehmern ebenso wie von Arbeitgebern, von der Jungen Union bis zur Senioren-Union akzeptiert. Der Mann aus Aachen, dem gerade der Orden wider den tierischen Ernst verliehen wurde, verfügt über Charisma, Ausstrahlung, Redekunst und Verbindlichkeit. Er könnte als starker Ministerpräsident aus dem großen Bundesland NRW Kanzlerkandidat und der optimale Vorsitzende der Bundes-CDU werden.
Als Alternative stehen Friedrich Merz und Jens Spahn der CDU zur Verfügung. Beide waren 2018 die Konkurrenten von AKK. Merz verlor nur knapp das Rennen um den Parteivorsitz, während Spahn etwas deutlicher unterlag. Inzwischen zieht Friedrich Merz durch’s Land, bringt sich in die Wahlkämpfe für die CDU-Kandidaten ein, füllt die Säle und begeistert das Wahlvolk. Wenn er auch nur zwei Jahre lang Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagfraktion in Zeiten der Opposition war, er verfügt jedoch über große politische und berufliche Erfahrungen, eine herausragende natürliche Autorität und Begeisterungsfähigkeit. Auf jeden Fall wäre er ein gute Kanzlerkandidat und auch Parteivorsitzender. Jens Spahn, der als Bundesgesundheitsminister bislang einer der erfolgreichen und bekannten Ressortchefs ist, würde Friedrich Merz in vielem nicht nachstehen. Seine Regierungserfahrung bringt eher Pluspunkte für ihn ebenso wie sein noch jugendliches Alter, das einen echten Umbruch und Neubeginn der CDU signalisieren könnte.
Beide – Merz und Spahn – kommen wie Armin Laschet aus NRW. Sie sind deshalb davon abhängig, wie sich der Ministerpräsident aus Düsseldorf entscheiden wird. Wer sich von den drei Politkern letztlich an die Spitze setzen wird, alles spricht dafür, dass nach der recht glücklosen AKK-Zeit wieder bessere Perspektiven für die CDU eröffnet werden können. Ob Markus Söder die Kanzlerkandidatur anstrebt, ist unwahrscheinlich; doch bei der Entscheidung darüber, wird er ein gewichtiges Wort mitreden.
Die Probleme in Thüringen müssen so schnell wie möglich gelöst werden. Die CDU-Opfer sind beachtlich: AKK ist auf der Strecke geblieben, Mike Mohring hat seinen Rücktritt ebenfalls verkündet, Christian Hirte wurde als Bundesbeauftragter für die Neuen Bundesländer gefeuert. Die nächste Landtagswahl im Freistaat Thüringen wird so oder so kommen und mit bösen Überraschungen für die CDU und FDP ausgehen. Manche Unionschristen und Liberale haben nämlich ihren Parteien einen Bärendienst erwiesen und einiges zusätzliches Wasser auf die Mühlen der AfD geleitet. Der Weg zurück zur Stabilisierung der Demokratie in Thüringen wird schwierig. Deutschland wird ebenfalls weiter an Stabilität verlieren, wenn es nicht zu einer Renaissance der einst großen Volksparteien kommen wird.
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