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Corona- Konsequent inkonsequent – Oder nichts Genaues wissen wir nicht

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
10. März 2020
Coronavirus

„Konsequent inkonsequent“ kritisierte der Manager des 1. FC Köln, Horst Heldt, das Vorgehen in Deutschland wegen der Corona-Krise. Der Mann hat Recht. Am Montagabend spielte der VFB Stuttgart gegen Arminia Bielefeld vor ausverkauftem Haus in der Schwaben-Metropole, ein wichtiges Spiel, da beide Mannschaften in die 1. Bundesliga aufsteigen wollen. Auch RB Leipzig spielt sein Champions-League-Spiel gegen die englische Mannschaft von Tottenham Hotspurs vor der gewohnten Zuschauerkulisse. Borussia Dortmund dagegen muss sein Match gegen Paris St. Germain in Frankreich vor leeren Rängen austragen. Es hat etwas gedauert, bis entschieden wurde, die Bundesliga-Spiele Mönchengladbach gegen Köln sowie das Revier- Derby BVB gegen Schalke ohne Zuschauer stattfinden zu lassen. Also werden es Spiele in einer Geisterkulisse werden ohne Gesänge. Das kommt die Vereine teuer zu stehen, aber die Gesundheit ist wichtiger.

Wir brauchen Klarheit, die eigentlich durch die Empfehlung des forschen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn geschaffen worden ist, man möge Veranstaltungen mit über 1000 Zuschauern absagen. Dass überhaupt noch gezögert worden ist, dass nicht gleich beschlossen und verkündet wurde, ist mir ein Rätsel? Oder verfügen die zuständigen Kommunen über mehr Kompetenz? Wenn es richtig ist, dass die Ansteckungsgefahr in Menschenansammlungen größer ist, warum sagt man sie nicht ab? Italien hat ein Versammlungsverbot erlassen? Schulen dicht, Unis geschlossen, Bibliotheken ebenso, gearbeitet wird weiter im Süden Europas. Juve gegen Inter, ein Knaller im Fußball, fand vor leeren Rängen statt. Und das in Italien! Ich begreife die Zögerlichkeit in Deutschland nicht. Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Schilling(Linke) hat sich den Empfehlungen Spahns angeschlossen und fordert , „dass da eine einheitliche Entscheidung transportiert und auch eingehalten wird“. In Bremen geht es auch darum, ob das Bundesliga-Spiel des SV Werder gegen Bayer Leverkusen am 16. März stattfinden kann- mit oder ohne Fans. Bremen will nicht isoliert entscheiden, sondern dies mit allen anderen Bundesländern gemeinsam abstimmen.

Dass ein neuer Virus Fragen auslöst, Unsicherheiten schafft, ist natürlich. Niemand scheint so richtig Bescheid zu wissen, was zu tun ist in der Behandlung und Einschätzung von Corona. Las ich gestern noch von einer drohenden Pandemie, die Millionen Menschen in Deutschland erfassen könnte, so ist heute die Rede von „mäßig“ oder von „milde“. Einerseits liest man, dass Corona gefährlicher sei als eine Grippe, dann wieder kommt aus einer anderen medizinischen Quelle der Hinweis, alles halb so schlimm. Vieles deutet daraufhin, dass die allgemeine Verunsicherung nicht nur die Wirtschaft und viele Menschen erfasst hat, sondern längst auch die sogenannten Experten. Dem Fernsehzuschauer jedenfalls wird ziemlich viel zugemutet. Wie soll er sich, der über weniger Hinweise verfügt, in diesem Dschungel an Informationen zurechtfinden?

Haben wir uns früher nicht gewaschen?

Gestern in einer Supermarktkette: die Regale mit Seife, also Kernseife und Flüssigseife, leer. Sagt eine ältere Frau: „Haben wir uns früher denn weniger gewaschen?“ Händewaschen, das ist einer der Tipps, die man den Menschen eingebläut hat vom ersten Tag der Corona-Krise. Händewaschen mit Seife und warmem Wasser, aber nicht zu kurz, sondern etwa 30 Sekunden lang. Man könne in der Zwischenzeit „Happy Birthday“ singen. Aber Seife ist nicht gleich Seife. Was ist besser, lese ich, Kernseife oder Flüssigseife. Wenn ich es vereinfachen soll, ist die Flüssigseife wohl etwas besser, da die Übertragung von Keimen geringer ausfalle.

Die Verunsicherung vieler Menschen rührt aber auch daher, dass die Medien voll sind mit Berichten über Corona. Da wird einerseits über den Rückgang der Infizierten in China berichtet, dem Ursprungsland der Infektionen, dem aber stehen steigende Fallzahlen in aller Welt gegenüber, auch in Deutschland. Natürlich ist Amerika keine Insel des Glücks, auch dort hat sich das Virus eingenistet und breitet sich aus. Mit Folgen für US-Präsident Trump, der in gewohnter Selbstgefälligkeit zunächst die Krise geleugnet und den Medien Panikmache unterstellt hatte. Jetzt aber hat sein Umfeld erste Infektionen gemeldet. Und selbst ein Großmaul wie Trump kann nicht übersehen, dass die Börse an der Wall Street ihren schwärzesten Tag seit der Finanzkrise 2008 vermeldet. Es dürfte ihn auch interessieren, dass die Ölpreise in den Keller gerauscht sind. Befürchtungen vor einer Rezession werden geäußert, was seinen Wahlkampf um die zweite Amtszeit erheblich beeinträchtigen könnte.

Verbeugung statt Händeschütteln

Es gibt wohl keine Branche, die unberührt ist von Corona. Flugreisen werden abgesagt(das Gute daran, die Luft wird sauberer), Messen finden nicht statt, Schulen werden geschlossen. Was ist mit Theater, Kino, Konzertsälen, wenn man berücksichtigt, dass die Nähe der Menschen zueinander die Gefahr ausmacht? Aber Abstand halten im Kino oder bei Rockkonzerten oder in der Oper dürfte nicht so einfach sein. In engen, geschlossenen und schlecht belüfteten Räumen könnten sich Erreger leichter verbreiten als auf Plätzen, so Experten. Die Ansteckungsgefahr sei umso größer, je weniger der Abstand eingehalten, also je mehr umarmt und geküsst und Hände geschüttelt würden. Das mit den Händen müsste doch längst jeder wissen. Eine Verbeugung reicht doch, selbst der Wegfall des Händeschüttelns zwischen der Kanzlerin und ihrem „Intimfreund“ Horst Seehofer löste Lächeln aus und keine Koalitionskrise. Die Münchner Handwerksmesse, das internationale Literaturfest ,die lit.Cologne in Köln und die ITB in Berlin wurden abgesagt oder verschoben, die Kölner Art Cologne soll aber vorerst Ende April stattfinden. Alles klar?

Vom Bochumer Schauspielhaus, lese ich in der SZ, dass der Betrieb weitergehe, obwohl es in NRW die weitaus meisten Infizierten in Deutschland gibt. „Es betrifft uns nicht“, wird der Sprecher des renommierten Hauses in Bochum zitiert. Man spreche täglich mit dem städtischen Krisenstab. Das Schauspielhaus liegt mit 800 Plätzen knapp unter der Grenze von Spahns Empfehlungsrahmen. In der Hamburger Elbphilharmonie fiel dagegen das Konzert des Pianisten Maurizio Pollini aus, da der Künstler aus dem Quarantäne-Land Italien nicht ausreisen durfte. Der Tourismus der Alster-Metropole sei gar nicht betroffen, heißt es.Auch der Betrieb der Berliner Philharmonie läuft wohl ungestört weiter, nur wenige Zuschauer wollten Karten zurückgeben. Das Haus hat über 2000 Plätze. Zu hören ist von der einen oder anderen Seite, dass man klarere Regeln wolle, weil man mit diesen aus der Regreßpflicht entlassen werden könnte. Sonst bleibt irgendwer auf den Kosten sitzen.

Die Groko sieht sich auch in der Pflicht, der Corona-Krise gegenzusteuern. Man fürchtet eine Rezession mit allen Folgen für die deutsche Wirtschaft und viele Arbeitnehmer. Also stellt man Milliarden zur Verfügung als Liquiditätshilfen für Unternehmen und schafft neue Regeln für das Kurzarbeitergeld. Zu wenig, sagen die einen, während andere das Tempo der Berliner Politik in der Krise würdigen. Regierungssprecher Steffen Seibert jubelt: „Wir sind in einer dynamischen Lage.“ Auch die Steuern sollen sich der neuen Lage anpassen, also gesenkt, Planungen beschleunigt werden. Es tut sich was in Deutschland. Wäre schön, wenn das anhielte! Sage niemand, die Groko mache keinen guten Job.

Was wird aus Aktien als Altersvorsorge?

„Das Beben“ heißt der Aufmacher im Wirtschaftsteil der SZ, und er beschreibt den Einbruch des DAX wie vor 18 Jahren. Wenn das kein Dauerzustand wird! Sorgen machen sich breit, man schaue in den Aktienkurs der Deutschen Bank. Wer vor einem Jahr Aktien des kriselnden Bankinstituts, das einst ein Aushängeschild in der Republik war, erwarb für 6.40 Euro, erlebte den raschen Anstieg des Papiers auf über 10 Euro- und jetzt das Rauschen in den Keller auf unter sechs Euro. Jetzt nicht verkaufen, sondern Ruhe bewahren, hörte ich einen Experten sagen. Was nicht so einfach ist für all die Zeitgenossen, die ihr gutes Geld in Aktien angelegt haben, weil sie auf den Banken keine Zinsen mehr bekamen. Einige könnten sich sorgen, weil sie die Ersparnisse als Altersversorgung angelegt haben. Eine Ökonomie der Furcht wäre der falsche Weg, sagt der Fachmann und zitiert ein Wort von Roosevelt, das er im Leitartikel der SZ fand: „Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selbst.“ Hamsterkäufe, wie sie seit Tagen in Deutschland stattfinden, darunter Klopapier-Rollen, Nudeln, Eintopf-Gerichte in Dosen, Seifen, machen keinen Sinn. Trotz allem ist Ruhe angebracht statt Furcht und Panik, Aufklärung, Transparenz.

Aber wie soll man ruhig bleiben, wenn man liest und hört,dass das Auswärtige Amt in Berlin empfohlen hat, nicht nach Italien zu reisen, ausgerechnet Italien, das immer noch zu den beliebtesten deutschen Reisezielen gehört, wenn man liest, dass Italiens Ministerpräsident Conte, nachdem Südtirol „geschlossen“ wurde und die Lombardei, das ganze schöne Land unter eine Art Quarantäne gesteckt hat. Damit ist vielen Italienern Bewegungsfreiheit genommen. Conte hat seine Landsleute aufgefordert, zu Hause zu bleiben, sofern sie nicht Dringendes zu erledigen hätten. Alle öffentlichen Veranstaltungen werden auf dem Stiefel verboten, Fußballspiele ausgesetzt, Unis und Schulen bleiben bis 3. April dicht. Wenn das keine Untergangsstimmung erzeugt? Auch dem deutschen hochgelobten Gesundheitssystem droht eine Art Zusammenbruch, wenn es nicht gelingt, die Ausbreitung des Virus zumindest zu verlangsamen. Im Herbst könnte uns sonst erst die richtige Epidemie bevorstehen. So Experten. Soviel zum Thema Beruhigung.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Gerd Altmann (geralt), Pixabay License

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