Am 31.10.1517 veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen. 500 Jahre später feiern wir das Reformationsjubiläum 2017. Es wird immer wieder diskutiert, dass auch der Islam neue Impulse und auch Erneuerung braucht. Auf dem „schwarzen Brett“ stehen nicht nur islamische Feiertage in Deutschland.
Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) wurde für den langfristigen Dialog zwischen Staat (Bund, Länder und Kommunen) und Muslimen geschaffen und wird hoffentlich in der 19. Legislaturperiode fortgesetzt werden. Seit ihrer Gründung 2006 verfolgte die DIK das erklärte Ziel, diese Beziehungen partnerschaftlich weiterzuentwickeln. Geplant ist es, dass sich die Themen künftig auf die religionsrechtliche und gesellschaftliche Teilhabe der Muslime und ihrer Organisationen konzentrieren. Allgemeine Themen der Integration werden in den dafür zuständigen Gremien außerhalb der DIK erörtert. Von der neuen Regierung sollten darüber hinaus – und gerade in diesen hochsensiblen Zeiten – vor allem langfristige Konzepte mit strategischer Ausrichtung in Gang gesetzt werden. Zudem sollte es darum gehen, dem bereits bestehenden Beitrag der Muslime am religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben in Deutschland mehr öffentliche Anerkennung zu schenken.
Die Aussage, der Islam gehöre zu Deutschland, wird Christian Wulff zugeschrieben. Doch es war der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der ihn schon vier Jahre vor dem späteren Bundespräsidenten geprägt hatte. 2006 war auf Initiative Schäubles erstmals die Islamkonferenz zusammengekommen. Damals sagte Schäuble in seiner Eröffnungsrede: „Der Islam ist Teil Deutschlands und Europas“.
Muslime: Keine homogene Gruppe
In Deutschland leben mittlerweile etwa 4,7 Mio. Muslime, die aus über 40 verschiedenen Ländern zu uns gekommen sind und die unterschiedlichsten Traditionen mitgebracht haben. Erst eine Weile nach ihrer Ankunft bemerken viele Neuankömmlinge, dass es im Islam ganz verschiedene Richtungen gibt, die sie in ihrem Heimatland nie kennengelernt haben. Während etwa Schiiten und Aleviten hierzulande nur einen geringen Prozentsatz ausmachen, ist die überwältigende Mehrheit sunnitisch geprägt, weshalb seit Jahren ein subtiles Ringen um die Vormachtstellung bzw. Deutungshoheit unter den Verbänden dieser Glaubensrichtung zu beobachten ist. So ist der eloquente und auf politischer Ebene gut vernetzte Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek, immer mehr zum Gesicht des Islam in Deutschland geworden. Und dies, obwohl sein Verband viel kleiner ist als etwa die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB).
Hilfe für Flüchtlinge
Vorauszusehen ist, dass der Zentralrat mit Mazyek an der Spitze, der einen syrischen Vater und eine deutsche Mutter hat, in den kommenden Jahren durch die Flüchtlinge noch weiter gestärkt wird. Allerdings gibt es in vielen kleineren deutschen Städten nur türkische Moscheen – und schon jetzt gehen dort auch viele Syrer zum Gebet. Dies tun sie nicht zwangsläufig aus logistischer Not, sondern auch, weil die türkischen Gemeinden während der Flüchtlingskrise viel für diese Menschen getan haben, wodurch eine Vertrauensebene entstanden ist.
Der Islam in Deutschland, also ein Islam deutscher Prägung, bei dem etwa die Imame hierzulande ausgebildet werden und die Predigt bilingual gehalten wird, braucht Zeit und gezielte Maßnahmen. Ein Beispiel ist der seit 2007 existierende Koordinationsrat der Muslime (KRM), der sich als eine Art Arbeitsplattform der vier größten islamischen Organisationen in Deutschland auf Bundesebene gebildet hat. Ob und auf wie viele Gläubige der KRM einen Vertretungsanspruch erheben kann, ist umstritten; Mitglieder sind der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DİTİB), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (IR) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ).
Diffuse Feiertagsdiskussionen
Auf dem langen Weg zu einer neuen Form des muslimisch religiösen Lebens in Deutschland werden endlose Debatten geführt – im Fernsehen, in den großen Tageszeitungen und Magazinen, aber auch am „Stammtisch“ oder beim „Kaffeeklatsch“. Und stets geht es heiß her, beim Thema Islam. Immer mit von der Partie sind nicht sachkundige Selbstdarsteller mit oder ohne Migrationshintergrund, denen es nicht selten gelingt, Unsicherheiten in Angst zu verwandeln. Selbst der Vorschlag des CDU-Politikers Thomas de Maizière zur Einführung beweglicher muslimischer Feiertage hat für heftige Diskussionen gesorgt. Immer wieder hieß es, dass Feiertage für die religiöse und politische Prägung eines Landes zu stehen hätten und nicht für die von zugewanderten Bevölkerungsgruppen, deren Integration dadurch auch nicht besser gelänge. Nicht bedacht haben die Anhänger dieser Sichtweise, dass der Islam nach dem Christentum mittlerweile die zweitgrößte Religion in Deutschland ist, was eine „positive Geste“ in den Augen der Befürworter gerechtfertigt hätte. Interessant zu wissen ist vielleicht auch, dass die westlichen Bundesländer alle bereits in den Schulen muslimische Feiertage eingeführt haben, sodass die Kinder und Jugendlichen beim Opferfest und Zuckerfest am Ende des Ramadan vom Unterricht befreit werden können. Dass dies für die im Arbeitsleben stehenden Erwachsenen nicht gilt, ist insofern erstaunlich, als etwa die IG-Metall rein quantitativ eine der Organisationen mit dem höchsten Migrantenanteil in ganz Deutschland ist. Trotzdem ist von dieser Gewerkschaft bislang noch kein Signal zugunsten einer wohlwollenden Feiertagslösung erfolgt. Jedenfalls sollte eine Regelung gefunden werden, dass Muslime dafür einen Urlaubstag nehmen können.
Unschwer zu erkennen ist, dass gute Vorsätze und strukturelle Ansätze von allen Seiten mit Leben gefüllt werden müssen. Es wäre nur ein kleiner Schritt zu wenigstens einem beweglichen islamischen Feiertag, aber es ist noch ein sehr großer, bis sich gegenseitige Vorbehalte in einem gemeinsamen Vielfachen auflösen. Für Deutschland und Europa lohnt es sich, daran zu arbeiten.
Bildquelle: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)