Man hat es eigentlich nicht für möglich gehalten, dass CDU und FDP in Thüringen nach ihrem gewissenlosen Schulterschluss mit der AfD das Land immer noch tiefer in die Krise treiben; eine Krise, die an die Substanz unserer Demokratie geht. Aber sie tun es – nach der Devise: Erst die Partei, dann das Land – und wenn das Land dabei vor die Hunde geht.
Die Linke und ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow hatten die Landtagswahl im vorigen Jahr gewonnen, waren eindeutig als stärkste Kraft von den Wählern bestätigt worden. Doch es reichte nicht mehr zur Fortsetzung der Rot-rot-grünen Regierungskoalition. Vier Stimmen im Landtag fehlen. Den beliebten Ramelow wünschen sich allen Umfragen zufolge über 70 Prozent der Thüringer auch als nächsten Ministerpräsidenten; CDU und FDP aber in ihrem obsessiven Hass auf die Linken paktierten lieber mit der AfD des Faschisten Björn Höcke und wählten im Erfurter Landtag den Kandidaten der fünf-Prozent-FDP zum neuen Regierungschef. Zivilgesellschaft und Presse funktionierten. Der Aufschrei in Deutschland war dermaßen laut, dass der FDP-Mann Kemmerich nach drei Tagen zurücktrat und jetzt nur noch geschäftsführend das politische Vakuum in Thüringen personifiziert.
Als hätten nicht Union und FDP die schlimmste Krise des Freistaates verschuldet, formulierten sie frech neue Bedingungen: Wahlsieger und Bürger-Favorit Ramelow werde von ihnen bei einer neuen Ministerpräsidenten-Wahl im Landtag auf keinen Fall die fehlenden Stimmen bekommen. Irgendein anderer solle ran, aber nicht der.
Nach endloser Blockade von Union und den sogenannten Liberalen nahm sich Ramelow konstruktiv und generös zurück, um die Krise zu beenden. Er schlug vor, die frühere Thüringer Regierungschefin Christine Lieberknecht von der CDU solle für eine 70-Tage- Übergangsfrist nächste Ministerpräsidentin werden und den Weg zu Neuwahlen planieren. Solche Neuwahlen, möglichst rasch, wünscht sich wiederum eine Mehrheit der Thüringer; nach dem Tabu- und Dammbruch von CDU und FDP hin zur rechtsradikalen AfD ein absolut verständliches Begehren des Volks-Souveräns.
Demokratie – ein Wort aus dem Griechischen – bedeutet Herrschaft des Volkes. Aber den Willen des Thüringer Volkes, das schnell wählen will, ignorieren CDU wie FDP. Dabei führen beide das Wort „demokratisch“ im Firmennamen. Mit geradezu aberwitzigen Begründungen nennen sie weitere Bedingungen, um rasche Neuwahlen unbedingt zu verhindern. Es sei unverantwortlich, in der „angepeitschten Stimmung“ Wahlkampf zu machen. Ramelow sei mit seinem Vorschlag einer 70-Tage-Regierung unter Christine Lieberknecht „zu kurz gesprungen“. Die müsse länger im Amt bleiben. Neuwahlen frühestens Ende des Jahres.
Welch geradezu perverse Situation: Die, die die Krise ausgelöst hatten, satteln immer weiter drauf und entmündigen das Volk, das nach dem Sündenfall von CDU und FDP noch einmal abstimmen möchte. Das Motiv ist eindeutig: Würde jetzt gewählt, würde nach allen Umfragen die Linke deutlich zugewinnen, die SPD vielleicht auch; die CDU aber würde geradezu marginalisiert und die FDP flöge aus dem Landtag. Nach dem von ihr angerichteten Desaster haben Union und Liberale Angst vor dem Wähler, der so doof nicht ist. Sie hoffen darauf, dass ihr mieser Flirt mit der AfD vergessen ist, wenn erst viel später gewählt wird.
Neuer Erfolg dieser perfiden Taktik: Christine Lieberknecht steht nicht mehr für das Amt der Regierungschefin auf Zeit zur Verfügung. Der Grund: Das Geschachere, wie lang sie bleiben und wann neu gewählt werden soll. So schüren CDU und FDP den Politikverdruss und machen genau das, was die AfD seit langem planmäßig betreibt: Beschädigung oder gar Demontage unserer Demokratie.
Wer so was will, kann also ab jetzt auch bürgerlich wählen.
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'Die CDU und FDP in Thüringen – so destruktiv wie die AfD' hat 2 Kommentare
19. Februar 2020 @ 11:49 Eberhard Weber
So demontiert die CDU, die FDP, die selbsternannte politische Mitte, die Demokratie. Die AfD steht auf den Rängen und spendet Beifall.
19. Februar 2020 @ 17:23 W.Wagener
Danke Lütgert, Sie haben es genau auf den Punkt gebracht!