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Home Politik

Eine spezielle Partei: die CSU – Aber wer gern hoch zu Ross daherkommt, kann tief fallen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
13. Oktober 2021
Pfau

„Bildnis einer speziellen Partei“ nennt der SZ-Redakteur Roman Deininger sein Buch über die CSU, das jeder, der sich für Politik interessiert, lesen sollte. Und wer sich mit der CSU beschäftigt, sollte das Werk aus dem Jahr 2020 auswendig lernen, möchte ich ergänzen. Denn diese Partei, die nur in Bayern kandidiert, aber selbstredend bundespolitische Bedeutung hat, ist anders als andere Parteien. Sie will auch anders sein, was nicht heißt, hinterwäldlerisch, aber sehr wohl traditionell und auch modern, provinziell und weltläufig, kraftstrotzend, großkotzig wie Markus Söder, liberal wie Theo Waigel. Wer sich auf die CSU einlässt, muss stark sein, aushalten können, darf aber auch austeilen. Das erwarten die Christsozialen von einem, der, weil er von außerhalb des Freistaats kommt, natürlich irgendwie ein Preuße ist. Aber- und das ist neu für die Söders- diese CSU hatte immer einen Nimbus, wer will kann daraus auch einen Mythos ableiten, und diese in Bayern einzigartige Rolle scheint die Partei Zug um Zug zu verlieren. Mir san mir, das mag für den FC Bayern reichen, nicht aber für die CSU. Und erst recht nicht für einen wie Söder, der aus Nürnberg kommt, also Franke ist.

„Die CSU-Herrlichkeit“, urteilt Deininger, „wankt, und es ist ungewiss, ob sie ihre Machtposition im Freistaat und auch in Berlin halten kann.“ Auch wenn der Vergleich hinkt: die CDU im benachbarten Baden-Württemberg hat 57 Jahre das Ländle der Häuslebauer und Erfinder von Bosch bis Daimler regiert, hat Affären weggesteckt und wurde immer wiedergewählt, wenn auch mit Verlusten. Aber eines Morgens wachten die Schwaben, die Württemberger und Badener auf und hörten, dass die Christdemokraten die Macht im Land an die Grünen verloren hatten. Seit über zehn Jahren regiert Winfried Kretschmann, der Grüne und Alte, der einst bei den Kommunisten mit der Politik begann und längst bei den Konservativen gelangt ist. So kannn es gehen.

Keine Demut nach Niederlagen

Bei der letzten Bundestagswahl hat nicht nur die CSU schwere Verluste erlitten, auch die bayerische Schwester CSU büßte ihre dominante Position ein und kam nur noch auf 31,7 Prozent der Stimmen, bundesweit gerechnet schaffte man gerade so die fünf-vh-Hürde. Für bayerische Verhältnisse kommt das fast einer Niederlage gleich, aber Christsoziale wie Markus Söder lenken schnell um in andere Richtungen und haben den Kanzlerkandidaten Armin Laschet als alleinigen Verursacher der Schmach ausgemacht. Und öffentlich daran erinnert, dass die Mehrheit der Deutschen nun mal einen anderen Unions-Kanzlerkandidaten gewollt hätten.  Ihn, Söder. Als wäre es ausgemacht, dass einer wie Söder als Kanzlerkandidat besser abgeschnitten hätte. Wer das behauptet, übersieht, dass der Mann gar nicht auf dem Podium stand. So beliebt ist der CSU-Chef nicht mal mehr in seiner Heimat. Aber Niederlagen lösen bei der CSU keine Demut aus, stattdessen werden gleich danach wieder höhere Ziele angepeilt. Bloß keine Schwäche zeigen.Das Ziel bei der nächsten Wahl ist die Rückkehr zur absoluten Mehrheit. Sagt Ilse Aigner, die CSU-Politikerin aus Oberbayern, Landtagspräsidentin, frühere stellvertretende Ministerpräsidentin, Landesministerin. Anderswo reibt man sich die Augen. Absolute Mehrheit? Träumt die Frau? Ja, räumt Aigner ein, das sei eine schwierige Aufgabe, und diese alleinige Mehrheit sei ja auch weit weg. Aber Ziele müsse man sich schon setzen.

Ob Ilse Aigner damit die Latte für ihren Chef, Söder, extra hochgelegt hat? Dass sie ihn nicht besonders mag, darf man annehmen. Söder kennt das mit der Augenhöhe nicht.  Und wenn er sich hinter jemanden stellt, sollte man auf der Hut sein, weil das gefährlich werden kann. Zumal, wenn einer wie Söder angeschlagen ist, um seine Macht kämpfen muss. Selbst in den eigenen Reihen ist er nicht mehr unumstritten, wie die Junge Union der CSU am Wochenende deutlich gemacht hat. Schluss mit der Söder-Show. So ähnlich hat es jetzt Ilse Aigner gesagt, ohne den Ministerpräsidenten namentlich zu nennen, hat sie ein Ende  der One-Man-Show gefordert, dafür plädiert,  mehr Gesichter der CSU herauszustellen. Die Breite der Partei soll abgebildet werden. Da fielen mir ein paar führende CSU-Leute ein: Andreas Scheuer, der Maut-Minister, erfolglos wie kaum ein anderer, lächelt er doch in jede Kamera. Und natürlich gehört der dem nächsten Bundestag wieder an. Im Falle einer Ampel-Koalition wäre zumindest sichergestellt, dass Scheuer nicht erneut ein Ministerium leiten würde. Ein anderer, auch nicht gerade ein Sympathieträger, hört aus Altersgründen auf: Horst Seehofer, den seine Kritiker in München gern Drehhofer nennen,  kann sich künftig mehr mit seiner Eisenbahn im Keller des eigenen Hauses in Ingolstadt beschäftigen. Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe,  wird der Öffentlichkeit nicht erspart bleiben, er macht weiter, man darf hinzufügen, wie bisher. Wird austeilen, wie er gegen Laschet im Wahlkampf in bester Söder-Manier ausgeteilt hatte. Weil ja die Fehler stets die anderen machen, niemals die unschlagbare und einzigartige CSU. War da nicht auch bei Dobrindt was mit der Maut?

Affären um Strauß und Streibl

Affären konnten der CSU lange Jahre nichts anhaben. Man denke nur an Franz-Josef Strauß, beginnend mit seinem Streit mit einem Polizisten namens Hahlbohm, der an einer Kreuzug in Bonn Dienst tat. Der Chauffeur von Strauß´Dienstlimousine überfuhr eben diese Kreuzung, ohne dass der Wachtmeister sie freigegeben hatte.  Der brachte das Vergehen zur Anzeige, Strauß schrie diesen wutentbrannt an:“ Geben Sie mir Ihren Namen, ich werde dafür sorgen, dass Sie von der Kreuzung verschwinden.“ Der CSU-Minister zeigte sogar den Polizisten an wegen „Gefährdung des Straßenverkehrs“. Sein Chauffeur musste 100 DM Strafe blechen, Strauß ging in seiner Wut sogar so weit, dass er nicht nur die Qualitäten des Polizisten Hahlbohms anzweifelte, sondern gleich die der gesamten NRW-Justiz. Nachzulesen bei Roman Deininger. Absolute Herrscher dürften früher kaum anders verfahren sein. Und obwohl mit dem Namen Strauß Affären und Skandale verbunden sind- Spiegel-Affäre,Starfighter, Fibag, Bäderkönig Zwick- gingen alle Untersuchungsausschüsse im bayerischen Landtag zugunsten der CSU und von Strauß und Tandler usw aus. Dazu die Altersvorsorge alter CSU-Minister, die üppig honorierte Banken-Posten übernahmen, als wäre das die private Sache der CSU und von Strauß. Später stolperte mal einer, als er es wie Strauß versuchte: Max Streibl, der bayerische Ministerpräsident, musste tatsächlich gehen wegen einer Amigo-Affäre. Und quasi im Fahrtwind dieser Affäre sprintete Innenminister Edmund Stoiber nach vorn, räumte die kostenlose Nutzung von MBB-Flugzeugen sowie von BMW-und Audi-Fahrzeugen für private Urlaube ein, „gelobte Besserung“(Deininger) und die Sache war erledigt. Das Atemberaubende daran: die Opposition konnte von diesen CSU-Affären nie profitieren. Die Bayern wählten weiter treu ihre CSU.  

Ja, diese Partei ist ein Phänomen, auch weil sie daran glaubt, was der SZ-Redakteur Riehl-Heyse vor vielen Jahren mal in satirischer Form auf den Punkt gebracht und zu einem Buch-Titel gemacht hat: die CSU sei die Partei, die das schöne Bayern erfunden habe. Das ist es, das mit der Lederhose und dem Laptop, wie das der frühere Bundespräsident Roman Herzog, ein Mann, der aus Landshut stammte, mal lobend erwähnte.Sie hält sich für die bayerische Staatspartei und konnte ja auch jahrzehntelang davon ausgehen, dass ihr niemand etwas anhaben konnte. Journalistische Kritik empfanden CSU-Politiker oft genug als Majestätsbeleidigung. Weil Bayern eben ihr Land war, der CSU quasi gehörte. Deininger erhebt die CSU in den Rang einer „bayerischen Dynastie“. Und wer Markus Söder im Sommer gesehen hat, wie er mit der Kanzlerin über den Chiemsee fuhr, quasi über Wassern, dann in einer Kutsche huldvoll zu einem Treffen mit seinem bayerischen Kabinett, der wird vielleicht auch an die königlichen Zeiten eines Ludwig denken. Er muss sie ja nicht gleich zurück haben wollen jene Jahre…

Das Vorzeigeland Bayern

Es ist ja etwas dran, dass Bayern auch sehr viel zu tun hat mit der CSU und dass dieses Bayern eine Erfolgsgeschichte ist, die nicht nur den Christsozialen und ihrer Politik zu verdanken ist. Aber dass diese CSU sich diese Erfolge des Vorzeigelandes Bayern auf die eigene Fahne schreibt, kann man ihr nicht verdenken. Aber die Zeiten ändern sich auch im Freistaat. Gewählt wird nicht mehr der Besenstil, auf dem CSU draufsteht, bayerische Erfolge in der Wirtschaftspolitik werden nicht mehr der CSU und ihren Ministern und Ministerpräsidenten gutgeschrieben. Die Zeiten haben die Menschen verändert, auch im Freistaat, gleich, ob durch Zuwanderung, die auch in Bayern sein muss, weil Arbeitskräfte fehlen, weil auch hier die Geburtenrate gesunken ist, weil die Städte wie München, Augsburg, Nürnberg oder Regensburg längst eine durchwachsene Bevölkerung haben, die mit der alten Volkspartei CSU nicht mehr viel im Sinn hat. Migration und Klimaschutz sind längst wichtiger als das Bierzelt, die Kirche oder das Wirtshaus. Es reicht nicht mehr, wenn Markus Söder einen Baum umarmt oder seine angebliche Liebe zu den Bienen unterstreicht. Die Partei bildete sich immer etwas darauf ein, Partei der kleinen Leute zu sein, der Bauern, der Beamten, der Facharbeiter, aber auch der Professoren, der Wirtschaft. Das mit der Ökologie war und ist für einen wie Söder fremdes Terrain, ob er und die CSU sich dort je heimisch fühlen werden, wird man sehen. Die Grünen sind nämlich schon da, sie sind auch auf dem Campus der wachsenden Universitäten zu Hause, in den Städten sind sie nicht fremd. Der Vorteil der CSU ist, dass die SPD in Bayern im Grunde keine Volkspartei ist, keine der Arbeitnehmer, keine der kleinen Leute. Bei der letzten Bundestagswahl hat sich ihre Lage dank Olaf Scholz verbessert.

Wenn es in Berlin zu einer Ampel-Koalition kommen sollte, wird Söder seine Politik dagegen ausrichten. Wir gegen die da oben, wir in Bayern gegen die Preußen in der Hauptstadt, die nicht mal in der Lage waren, in absehbarer Zeit einen Flughafen zu bauen. Wie einst sein großes Vorbild Strauß mit seiner Sonthofen-Strategie. SPD, Grüne, im Grunde alles Kommunisten, die unseren Wohlstand gefährden. Dazu eine unberechenbare FDP. Ob das reicht? Söders Rolle in der CSU ist angreifbar geworden. Dass er gegen einen wie Armin Laschet pausenlos im Wahlkampf stichelte und stänkerte und nie wirklich diesen unterstützte, haben viele nicht vergessen. Erstmals seit Jahren rührt sich Widerstand gegen eine Union, fordern Christdemokraten einen bayerischen CDU-Landesverband, wegen Söder, seiner Heuchelei, Falschspielerei, seiner mangelnden Solidarität. Das wäre das Ende der CSU-Sonderstellung in Deutschland. Söders Stunde schlägt 2023 bei der Landtagswahl in Bayern. Die muss er gewinnen, überzeugend, sonst wird er politischer Frührentner. Und die Suche der Christdemokraten nach einer Immobilie in der bayerischen Landeshauptstadt würde beginnen. Dann wäre er der Schuldige, der so gern der Größte sein wollte. Dem man nachsagt, er erfinde sich pausenlos selbst neu, was andere aber für puren Opportunismus halten.  Und der eine Winzigkeit übersah, was Volkes Weisheit ist: Hochmut kommt vor dem Fall. 

Bildquelle: Pixabay, Bild von mysgreen1, Pixabay License

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Tags: BayernBundestagswahlCSUCSU in BayernSöderWahlanalyse
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