Buchcover "Bei aller Liebe"

Petra Reski s neuer Roman  „ Bei aller Liebe“: Frei von Illusionen – Über die kriminellen Geheimbünde namens Mafia in Zeiten digitaler Unübersichtlichkeit

 

Nein, der Turbokapitalismus erspart uns nichts. Auch in Deutschland unterlaufen skrupellose Verbrecher-Organisationen geltendes Recht, indem sie sich per Geldwäsche – Gewinne aus Drogengeschäften, Prostitution, Versenken giftigen Mülls und neuerdings aus dem lukrativen Flüchtlingselend  – in legale Immobilien-Großprojekte  einkaufen, und damit den wildwachsenden Betongold-Boom ausufernd vorantreiben. Wohnungsuchenden Familien mit wenig Einkommen ist damit nicht geholfen, die „Besserverdienenden“ bleiben auch hier unter sich.

Der eiskalten Eigendynamik solcher Geschäftsmodelle scheint auch durch kommunale Behörden gespenstisch wenig Einhalt geboten, schließlich bekommt mancher städtischer Abteilungsleiter auch ein Schnäppchen davon ab, und das nicht nur in Italien. Ohne die willigen bundesdeutschen Helfershelfer – Rechtsanwälte, Notare, Bauherren als Strohmänner – könnten die lukrativen Geschäfte der Mafia in diesem unseren Lande jedoch nie so gewinnbringend realisiert werden. Mit solch einer sehr realistischen Diagnose als Basis hat die investigative Journalistin Petra Reski nun ihren dritten Kriminalroman geschrieben; mit bloß journalistischem Schreiben kam sie selbst kaum weiter.

Im Zentrum steht die blitzgescheite und trotz alledem und alledem sinnenfrohe Staatsanwältin Serena Vitale, die zwar in Palermo lebt und arbeitet, deren amtliche Recherchen sie allerdings auf diversen Dienstreisen innerhalb Italiens und auch quer durch Deutschland den kriminellen Herren nachstellen lassen. Inwieweit im Süden Italiens widerwärtige katholische Kirchenfürsten arme Flüchtlingsjugendliche sexuell misshandeln, und sie erpresserisch im Verein mit der organisierten Kriminalität mit Aufenthaltsgenehmigungen dazu bringen, ihnen gefügig zu sein, ist schon eine besonders ekelhafte Spezialität, die die Protagonistin  Serena Vitale  in Sizilien aufklären kann.  So wie Petra Reski das hinbekommt, die Niederungen heilloser   Macht – und Profitgier atmosphärisch zu verdichten, ist wirklich schriftstellerisch gekonnt. Sehr bunt und sehr ironisch diese seelenlosen  Macho-Typen zu charakterisieren, deren brutales Selbstverständnis als zynische Superhelden – das bedeutet trotz aller ernüchternden Erkenntnis über diese elende Verquickung von legalen Verträgen und kriminellen Machenschaften in Stadt und Land – durchaus eine spannende Lektüre. Wir Leser*innen folgen den Erkenntnissen der halb sizilianisch halb ruhrpottdeutschen Staatsanwältin immerhin mit der Wonne des gründlichen  Bescheidwissens.

Die alltägliche Absurdität einer mafiös gewaltsamen Parallelwelt ist ziemlich schwer auszuhalten, und so bietet das Lesen von gut recherchierten Politkrimis einen gewissen Ausgleich angesichts der je eigenen relativen Ohnmacht. Die Idee, dass man Machtverhältnisse durchschaut und sie schon deshalb voller Zorn verändern kann- tja, das war einmal. Dennoch:  Petra Reski  breitet literarisch gekonnt vor uns jenen Stoff aus, den die realen Ermittler zumindest in Italien aus gezielten Abhörprotokollen der notorischen Organisierten Kriminalität ganz legal und legitim gewinnen dürfen. Obwohl ich ansonsten sehr zögerlich bin, was staatliche Lauschangriffe betrifft – etliche Verbrecher konnten so überführt und bestraft werden, und das ist gut so.

Petra Reski: Bei aller Liebe. Serena Vitales dritter Fall. Hoffmann & Campe, 15.99 €

Bildquelle: Hoffmann & Campe

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Die Theater-, Film- und Literaturkritikerin schreibt für diverse Zeitungen und arbeitet für den öffentlich rechtlichen Rundfunk. Sie promovierte über Erich Kästner, lehrte an der Universität Marburg, arbeitete als Dramaturgin und machte Dokumentarfilme für den WDR und andere ARD-Sender. Ihr wundervolles Motto zu unserem Humanistischen Grundkonsens: "DEMOKRATIE - die bunte Freiheit, mit gleichen, klar geordneten Spiel-Regeln für Alle!" 2016


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