„Frieden retten!“ Unter diesem Titel haben die vier deutschen Institute für Friedensforschung am 2. Juni 2025 ihr „Friedensgutachten 2025“ vorgelegt.
Unter den neun Empfehlungen, die das Gutachten zusammenfassen, sticht eine heraus. Die Autorinnen und Autoren des Friedensgutachtens beschreiben klar und ungeschminkt die enormen Risiken, die mit immer weiterer Hochrüstung verbunden sind.
Das sind ungewohnte Töne in einer öffentlichen Debatte, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 nicht nur bei uns in Deutschland durch die Militarisierung des Denkens und Handelns bestimmt ist.
Mit anderen Empfehlungen und vielen Aussagen des Gutachtens muss man nicht oder nur teilweise einverstanden sein. In der gegenwärtigen Situation ist es aber ein enormer Fortschritt, dass das Gutachten an Grundeinsichten der Friedensforschung und der praktischen Politik erinnert, die lange Zeit selbstverständlich waren, aber nicht erst seit dem Ukraine-Krieg ignoriert, verdrängt und geleugnet werden.
Unter der Überschrift „Künftige Friedensordnung vorbereiten“ heisst es in den „Empfehlungen“:
„Es ist verführerisch, in der gegenwärtigen Krisenlage vor allem auf die Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit zu setzen, weil sie fraglos dringlich ist. Aber darüber die Perspektive auf eine europäische Friedensordnung und den Erhalt der der regelbasierten internationalen Ordnung ausser Acht zu lassen, wäre ein Fehler. Denn Sicherheit kann es dauerhaft nicht ohne Frieden geben. Die Idee, Sicherheit allein durch militärische Abschreckung zu erreichen, greift zu kurz. Sie führt in eine beklemmende Welt wechselseitiger Aufrüstung, in der schon kleine Fehler in den Untergang führen können. Das ist eine der zentralen Lehren aus dem Kalten Krieg. Die Rüstungswettläufe zwischen den Blöcken führten die Welt mehrfach an den Rand der nuklearen Vernichtung, die teils nur durch schieres Glück vermieden werden konnte. Erst die Einsicht, dass man nur miteinander bestehen könnte, also ein Gleichgewicht statt Dominanz angestrebt werden müsse, führte zu ersten Rüstungskontrollverträgen und vorsichtigen Kooperationsansätzen,die die Situation stabilisierten…
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Sicherheitsstrategien müssen Abschreckung mit einem schrittweisen Prozess abnehmender Gewalt und zunehmender Kooperation skizzieren können. Mittelfristig sollten sie einen fairen Ausgleich der Interessen in einer dauerhaften Friedensordnung in Aussicht stellen…
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Rüstung und Allianzbildung müssen mit Angeboten zu Verhandlungen ihrer Beschränkung verbunden werden. Dazu zählen der Verzicht auf Erstschlagoptionen, Mengenbegrenzungen von Waffensystemen und die Etablierung verlässlicher Kommunikationskanäle, um Eskalationsspiralen zu verhindern…
Gelingt es, alle Seiten auf die Anerkennung der Gegenseite und die prinzipielle Legitimität ihrer Sicherheitsinteressen zu verpflichten, kann die friedliche Koexistenz institutionell stabilisiert und vertraglich abgesichert werden. Allerdings sollte auch dies schon im Hinblick auf eine dritte Phase geschehen, in der eine kooperative Friedensordnung angestrebt wird. Dafür müssen neben Rüstungsbeschränkungen und Abrüstungsbemühungen Institutionen der politischen Streitschlichtung und Verfahren des friedlichen Wandels etabliert werden, um nicht nur in militärischen, sondern auch anderen Bereichen, etwa der Wirtschafts- und Umweltpolitik, Interessen zu koordinieren und zu gemeinsamem Handeln zu gelangen.“
Man kann nur hoffen, dass die Grundeinsichten, an die das „Friedensgutachten 2025“ erinnert, von den politisch Verantwortlichen Ernst genommen werden und endlich in der gesellschaftlichen Debatte und in den Medien die Bedeutung bekommen, die sie haben.
Es dürfte psychologische Faktoren einer friedlichen Koexistenz geben, die in der Mainstream Friedensforschung nie erwähnt werden: Franz Jedlicka forscht seit einigen Jahren dazu (z:B. Culture of Violence Scale).
LG Anita