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Home Politik

Für die FDP geht es um viel

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
6. Januar 2017
Christian Lindner

Schicksalsjahr! Ein großes Wort für eine kleine Partei wie die FDP, für die es in diesem Jahr aber sicher um sehr viel geht. Das wird deutlich beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart, was eher einem Treffen der Zaunkönige gleicht. Nicht nur bei der Landtagswahl in NRW oder den anderen Urnengängen irgendwo in den Provinzen hängen die Trauben hoch. In Berlin stehen die Liberalen seit ein paar Jahren draußen vor der Tür, nur als Zuschauer gelangten sie momentan in den Berliner Reichstag. Christian Lindner, der Parteichef, hat alle Kräfte hinter sich versammelt, um diesen Einzug zu schaffen. Wer ihm zuhört, verspürt das Selbstbewusstsein dieses noch jungen Liberalen, der keiner Diskussion aus dem Weg geht und der so gar nichts mit der alten Honoratioren-Partei FDP zu tun haben will. Jung, flott, dynamisch, modern- mit uns in die Zukunft.

Meinungsumfragen sehen die FDP zumeist knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, gerade liegen sie sogar bei sechs Prozent. Aber eine Garantie ist das nicht. Denn die FDP versucht zwar überall mitzumischen, ist in allen Talkshows vertreten, aber auch das besagt noch gar nichts. Denn die Bundespolitik wird seit ein paar Jahren ohne die FDP gemacht. Man kann das eine oder andere der Großen Koalition kritisieren, man kann überhaupt Kritik daran üben, dass Union und SPD, die alten, aber ziemlich geschrumpften Volksparteien miteinander regieren und somit selber riskieren, das eigene Gesicht zu verlieren. Aber hilft das der FDP, die das alles von außen betrachtet? Und im Grunde bei keiner Diskussion so richtig mitmischen kann.

Man will sich um die Mitte kümmern

Warum FDP wählen? Weil es im Bundestag, wie es ein anderer Liberaler, im Grunde ein Altliberaler, Wolfgang Kubicki im Interview gesagt hat, an einer Stimme der wirtschaftlichen Vernunft mangele? Vorsicht, Herr Kubicki, die Wirtschaft brummt und das seit Jahren, sie brummt auch wegen der Agenda-2010-Politik des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder, eines Programms, um das uns die halbe Welt beneidet, mit dem aber vor allem ein nicht zu kleiner Teil der SPD erhebliche Probleme hat. Es werde zu viel darüber geredet, wie das Geld zu verteilen, aber nicht darüber, wie es zu erwirtschaften sei, beklagt Kubicki. Na ja, lassen wir das mal so stehen. Und weiter Kubicki: Es werde vor allem über die Ränder der Gesellschaft diskutiert, über die Ärmsten, die Superreichen, aber die schuftende Mitte fühle sich im Stich gelassen. Das soll also ein Thema werden für die FDP: Wer sichert unser Wohlstandsniveau? So hat es der
Liberale aus Schleswig-Holstein im Gespräch mit dem Bonner „General-Anzeiger“ gesagt.

Das ist neu an dieser FDP-Generation, dass sie sich nicht mehr nur auf die Reichen der Gesellschaft konzentrieren will. Man erinnert sich noch an die Zeiten, als ein FDP-Generalsekretär die Freidemokraten zu einer Partei der Besserverdienenden machen wollte, was ihr über Jahre anhing. Aber richtig daran war und ist noch heute, dass die FDP nicht eine Partei der kleinen Leute ist, der Alleinerzieher, sondern eher ein politischer Zusammenschluss der eher gut verdienenden Bürgerinnen und Bürger, mag sein auch der Selbständigen, aber die gibt es längst auch in der Union und in der SPD.

Keine Gängelung der Menschen

Freiheit, Verantwortung, vor allem Eigenverantwortung, keine Gängelung der Menschen, sie selber entscheiden lassen, ihnen nicht vorschreiben zu wollen, wie man zu leben hätte, nicht nach Art der Gutmenschen, wie es viele Grüne gibt. Nein, die FDP will eine eigene Partei sein, auch nicht mehr der kleine Wurmfortsatz der Union, wie sie es lange war, was nicht ausschließt, dass man mit der Union im Falle eines entsprechenden Wahlerfolges im September koaliert. Und da das wohl nicht reichen wird, müsste man einen dritten Partner ins Boot holen, das wären dann die Grünen. Dabei muss man wissen, dass sich die Freien Demokraten und die Grünen nicht sehr mögen, was damit zusammenhängt, dass sie zumindest zum Teil um die gleiche Klientel werben: die gut Ausgebildeten und gut Verdienenden. Aber Lindner hat eine andere Koalition nicht ausgeschlossen, eine Ampel unter Führung der SPD. Nur zurzeit mache es keinen Sinn darüber zu räsonieren, weil die SPD irgendwo in dem 20-Prozent-Turm gefangen scheint. Bei 30 Prozent könnte das ein Thema sein. In Rheinland-Pfalz regiert die FDP mit der SPD und den Grünen. Und wie diese neue Koalition in Mainz das erste Misstrauensvotum der CDU gemeistert hat, mit Hilfe gerade auch der FDP, das hatte was.

Früher eine Partei mit Ecken und Kanten

In ihren Glanzzeiten war die FDP mal eine Partei mit Ecken und Kanten. Sie stand für die Außenpolitik, den Ausgleich mit Moskau, für Europa, Umweltschutz, Frauenfragen, Bürger- und Menschenrechte, für die Interessen der Wirtschaft. Verkörpert wurde diese Partei am ehesten in der Person von Otto Graf Lambsdorff, Wirtschaftsminister früherer Tage. Wenn man Bilder aus der Schublade verwenden will, war der Graf, wie man ihn respektvoll nannte, ein Linker und ein bürgerlicher Rechter. Auch wenn die Zeiten sich geändert haben, wo sind die Frauen und Männer in der FDP, die entsprechende Grundsätze vertreten? Damals gab es Hildegard Hamm-Brücher, Ingrid Matthäus-Maier, Helga Schuchardt, Irmgard Adam-Schwätzer, gab es Burkhard Hirsch, Gerhard Baum, Wolfgang Mischnick, Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel, Günter Verheugen, und, und und.

Bei der Bundestagswahl wird es um Fragen der Sicherheit gehen, aber nicht nur. Und man darf der CSU widersprechen, wenn sie behauptet, Sicherheit gehe über alles. Das tut sie nicht. Freiheit geht vor. Andere Fragen kommen hinzu. Wie hält es eine Partei wie die FDP von Christian Lindner mit der sozialen Gerechtigkeit in diesem Lande? Mit der wachsenden Armut bestimmter Menschen, die sich ausgegrenzt fühlen, weil sie das sichere Gefühl haben, keine Chance mehr zu bekommen, nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein? Europa kommt hinzu, die Gefahr, dass die Europäische Union sich auseinanderlebt ehe sie zerbricht. Dabei wird eine starke EU mehr gebraucht denn früher, nur eine starke EU kann mithalten mit den anderen Global Playern, Nationalstaaten würden wirtschaftlich nicht überleben. Aber die nationalen Tendenzen nehmen zu. Wie kann man diese Tendenz, die gefährlich ist, stoppen, wie eine AfD überflüssig machen?

Gescheitert die Röslers und Brüderles

Christian Lindner, der auch FDP-Chef in NRW ist, hat bei Amtsübernahme alles auf eine Karte gesetzt, auf seine. Eben weil all die anderen, die bis dahin für die FDP in Amt und Würden waren, gescheitert waren, die Röslers, die Brüderles. Guido Westerwelle erkrankte schwer, er starb im letzten Jahr wie auch die alte Garde der FDP, Hans-Dietrich Genscher, und der FDP-Chef vor Genscher, Walter Scheel. Dass im Grunde er allein zurzeit die FDP verkörpert, ist nicht arrogant, sondern mutig gewesen. Auch wenn er mit Fragen leben muss, wie diesen: Wer gehört denn sonst noch zur FDP-Spitze? Wer würde denn von der FDP Ämter in Berlin bekleiden wollen und können? Die Frage muss sein, schließlich ist die FDP eine Partei, deren Ziel es ist, mitzuregieren, weil man gestalten will. Opposition, das hat schon der alte Fuhrmann der SPD, Franz Müntefering, gesagt, „ist Mist“.

Aber klar ist auch, wenn die FDP den Einzug in den Bundestag verpasst, ist das eine Niederlage von Christian Lindner und wohl auch das Ende seiner politischen Karriere. Die FDP werde gebraucht, betont der Mann. Und einer seiner Stellvertreter, Wolfgang Kubicki, glaubt sogar, dass die Liberalen bei der Bundestagswahl eher bei neun denn bei sechs Prozent liegen. Motto für Kubicki. Wer sich kleinmacht, wird auch kleingewählt.

Bildquelle: Wikipedia, Dirk Vorderstraße, CC BY 3.0

 

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Tags: BundestagswahlDreikönigstreffenFDPLindnerMitteProgrammatikWahljahr 2017
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