Brexit

 Groß Britannien nach der Hochzeit und vor der Scheidung Sommer 2018  

 Chris und Owen gehören zum Ship Anson  wie die vielen Bilder britischer Kriegsschiffe an den Wänden dieses im Zentrum von Portsmouth gelegenen Pubs. Ihr Stammtisch ist gleich rechts neben dem Eingang gegenüber dem langen Tresen. Chris, der frühere Geschäftsmann,  ist 71 Jahre alt und hat eine schwere Operation gut überstanden. Sein Freund Owen ist fünf Jahre älter, war früher bei der Marine, der Royal Navy. Die bestimmt bis heute die Geschichte dieser Stadt in der Grafschaft Hampshire an der Mündung des Solent. Chris und Owen treffen sich mit ihren Freunden fast jeden Werktag hier und sie alle haben vor zwei Jahren für den Brexit gestimmt. Das würden sie nicht wieder tun: „Die Konservativen machen das Land kaputt, schimpft Owen, „vor allem die Army, die Air Force und die Navy.“

Alle am Tisch nicken. Stimmen zu. Was ist da passier seit dem 23. Juni 2016? „Mir tun die jungen Menschen leid in unserem Land,“ meint Chris, „sie werden um ihre Zukunft betrogen. Schauen sie sich den Zustand Englands an: Das schlechte Schulsystem, den staatlichen Gesundheitsdienst haben die Konservativen auch kaputt gemacht.“ Beide haben  immer die Konservative Partei, die Torys, gewählt, das werden sie nicht wieder tun. „Die kriegen einfach nichts mehr hin,“ kritisiert Owen und fügt hinzu: „Unser soziales System ist fast völlig zusammengebrochen.“

Chris und Owen und ihre Freunde am Tisch gehen nicht mehr zur Wahl, denn Labour ist nach ihren Worten nun wirklich keine Alternative. Sie sind enttäuscht von „denen in Westminster“, wollen ihren Lebensabend im Ship Anson bei ihrem täglichen Bier genießen: „Schauen sie sich doch mal dieses Foto an,“ sagt Owen und zeigt auf die gerahmte Abbildung des neuen Flugzeugträgers „Queen Elizabeth“ an der Wand: „Der liegt schon seit Monaten hinter Nelsons Victory im Marinehafen, ein weißer Elefant, der immer teurer wird, nicht funktioniert und außer zwei Hubschraubern hat er bis heute nicht mal Flugzeuge.“ 22 Jahre war Owen in der Navy und gehört zu den immer weniger werdenden, die noch eine ordentliche Pension kriegen.“ Viele Soldaten, die heute nach ihrem Dienst ausscheiden, stehen regelrecht auf der Straße.“

Gegen Brexit und für Kontrollen
Owen kennt Bremerhaven und Hamburg, schwärmt von dem technischen Wunderwerk Nord-Ostsee-Kanal und von der Kieler Woche und ihrer Internationalität.  Er würde sich gern begeistern für sein England. Resigniert winkt er ab und verabschiedet sich. Geht nach Hause, das ist um die Ecke: „Zu meinem Mädel. Die kommt aus Zimbabwe,“ erzählt er, „die steht bei God save the Queen auf und singt mit. Darauf bin ich stolz.“ Chris muss auch los: „Das hier ist noch einer der wenigen Plätze in Portsmouth, der übrig geblieben ist. Noch vor gar nicht langer Zeit gab es hier unten am Hafen mehr als 80 Pubs. Heute sind es vielleicht noch sieben.“ Für ihn zeigt sich daran der Niedergang, trotz der vielen Touristen, die wegen Nelson und seiner Victory in die Stadt kommen, in der übrigens Charles Dickens und der ehemalige Premierminister James Callaghan geboren wurden: „Der war übrigens ein Labour – Mann,“ schmunzelt Chris, „aber ein guter!“

Vor dem Ship Anson stehen die Raucher an diesem warmen Sommertag. Der 54jährige Duncan auch. Duncan ist Busfahrer. Seine Mutter ist aus Hamburg, sein Vater aus dem Süden Irlands. Duncan spricht ein bisschen deutsch und schimpft : „Diese Konservativen wähle ich nicht mehr; die machen doch alles kaputt. Schauen sie sich doch nur Portsmouth an mit seinen kaputten Straßen, mit immer weniger Pubs und diesem irrsinnigen und überflüssigen Geschäftszentrum, durch den unser Kleinhandel mehr und mehr verschwindet, zerstört wird und die zunehmende Wohnungsnot“ Duncan gehört zu den vielen Engländern im Süden das Landes, die einen immer häufiger anzutreffenden Standpunkt vertreten: „Ich bin gegen den Brexit und für strikte Grenzkontrollen.“

Bildquelle: pixabay, User Alexas_Fotos, Public Domain
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Der Fernseh- und Radiojournalist arbeitete als Kulturredakteur und später als ARD Korrespondent in Washington und Mexiko. Seit 2002 ist Hafkemeyer Professor an der Berliner Universität der Künste.


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