Erinnern Sie sich? An die Aufregung, weil Robert Habeck eine Anzeige erstattete, nachdem ihn jemand im Internet als „Schwachkopf“ bezeichnet hatte?
Unter anderem aufgrund dieser Anzeige veranlasste die Staatsanwaltschaft Bamberg eine Hausdurchsuchung beim betreffenden Internet-Hetzer. Die Empörung war groß – besonders in rechten Medienkanälen wie NIUS tobten die AfD-Anhänger. Stefan Brandner, der stramm rechte Rechtspolitiker im Bundestag, äußerte sich in einer eigens anberaumten Aktuellen Stunde:
„Die Regierenden haben sich 2021 ein besonders schützendes Sonderrecht geschaffen – als Maßnahme gegen Hass, Hetze und Rechtsextremismus“, sagte Brandner. Ihn persönlich erinnere das an die staatsfeindliche Hetze im Strafgesetzbuch der DDR oder an das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“ aus dem Jahr 1934, so der Bundestagsabgeordnete laut einem Protokoll auf bundestag.de. Habeck und andere Ampelpolitiker hätten auf Grundlage des § 188 StGB „tausende Strafanzeigen gestellt“. Und weiter: „Sie wehren sich nicht mit guter Politik, sondern mit drangsalierenden Maßnahmen gegen Bürger.“ Politiker seien nicht besonders schützenswert. (Zitatende)
Wie sich nun herausstellt, sieht seine Parteivorsitzende Alice Weidel den besagten Paragrafen offenbar nicht als ganz so überflüssig an. Wie t-online recherchierte, geht Weidel mittlerweile selbst gegen Bürger vor, die von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch machen.
Die Plattform berichtet von einer Szene, in der drei Polizisten einem überraschten Bürger eine sogenannte „Gefährderansprache“ hielten. Der Schleswig-Holsteiner soll Weidel als „Nazischlampe“ bezeichnet haben. Hunderte solcher Fälle soll es inzwischen geben, berichten Anwälte gegenüber dem Portal.
Im Zentrum steht dabei immer wieder der Begriff „Nazischlampe“. Brisant ist: Genau diese Bezeichnung hatte Alice Weidel selbst 2017 öffentlich ins Spiel gebracht. In der Sendung Anne Will sagte sie damals: „Ein Gericht hat geurteilt, dass man mich ‚Nazischlampe‘ nennen darf.“
Weidel bezog sich auf einen Beschluss des Landgerichts Hamburg im Jahr 2017. Hintergrund war ein Beitrag des Satirikers Christian Ehring in der Satiresendung extra 3, in dem er eine Rede Weidels über politische Korrektheit kommentierte. Ehring schloss den Beitrag mit den Worten:
„Jawoll, Schluss mit der politischen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein – da hat die Nazischlampe doch recht. War das unkorrekt genug?“
Das angerufene Landgericht urteilte damals, dies sei von der Kunst- und Meinungsfreiheit gedeckt und eine zulässige satirische Auseinandersetzung. Was Weidel bei Anne Will jedoch verschwieg: Das Urteil bezog sich ausschließlich auf Satire – für normale Bürger gilt dieses Urteil nicht.
Heute verdient ihr Anwalt gut an den zahlreichen Verfahren, die aus diesen Anzeigen hervorgehen. Laut t-online wurden inzwischen massenhaft Strafanzeigen gestellt. Anwälte aus Bremen und Berlin berichten von hunderten Fällen aus dem AfD-Umfeld.
Ein Mechatroniker aus Franken wurde laut Bericht gleich mit 50 Anzeigen überzogen. Bisher hat ihn das rund 7200 Euro gekostet, weitere Verfahren sind anhängig. Auf der Plattform X fragte er öffentlich: „Herr Brandner, übernehmen Sie eigentlich die Strafbefehle?“
Brandner – der wie oben beschrieben erklärter Gegner des § 188 ist – hat übrigens selbst Anzeige erstattet. Gegen ihn fiel die Bezeichnung „Schrumpfpimmel“.
Heuchelei ist wohl die treffendste Beschreibung für diese Vorgänge: Wenn sich andere Politiker*innen gegen rechte Hetze wehren, werden sie verspottet. Für sich selbst beanspruchen AfD-Vertreter dann aber genau den Schutz, den sie anderen absprechen.
Wie sagte Brandner am 6. Dezember 2024 im Bundestag noch so deutlich: „Wir Politiker sind nicht besonders schützenswert“
Merke: Das gilt offenbar nur für andere. Für die AfD offensichtlich nicht.