Es waren immer besondere Ereignisse, wenn deutsche Kanzler nach Washington flogen, um den dortigen Präsidenten zu treffen. Und wenn es der erste Besuch war, richtete sich das Augenmerk vor allem auf das Binnen-Klima solcher Begegnungen. Da wurde die Uhrzeit gestoppt, wie lange der mächtigste Mann der Welt Zeit aufwende, um mit dem Bundeskanzler die politische Weltlage zu erörtern. Meistens waren es Besuche, bei denen eine freundliche Atmosphäre herrschte. Man mochte sich, Washington und Bonn/Berlin, das war ein Teil des Westens. Dass mal ein Kanzler wie Gerhard Schröder(SPD) dem amerikanischen Präsidenten Bush ausrichtete, Deutschland werde sich nicht am Irak-Krieg beteiligen, war eher die Ausnahme. Und dennoch empfand ich es als politisch richtig, dass die rot-grüne Regierung unter Schröder und dem Grünen Außenminister Joschka Fischer Washington klar sagten, was Sache war: Nämlich, dass sich Berlin nicht an militärischen Abenteuern beteiligen werde. Punkt. Wie Recht sie hatten.
Der Kriegsgrund basierte auf einer Lüge, belogen wurde die UNO-Vollversammlung vom US-Außenminister Powell. Dass Schröder damit die Wahl 2002 gewann gegen seinen Herausforderer Edmund Stoiber von der CSU, mag so gewesen sein. Zu erinnern ist hier vor allem aber an den vorauseilende Gehorsam der CDU-Chefin Angela Merkel, die in einem Gast-Beitrag für die „Washington Post“ dem SPD-Kanzler in den Rücken fiel, indem sie erklärte: „Gerhard Schröder spricht nicht für alle Deutschen.“ Frau Merkel, auch wenn das viele Jahre her ist und weder Schröder noch Sie im politischen Geschäft aktiv sind, habe ich diese unsolidarische Attacke nicht vergessen.
Als Kind und Jugendlicher habe ich von Amerika geschwärmt, der Welt, die ich nicht kannte, außer Kaugummi und Schokolade. Die US-Soldaten waren gut zu uns als Besatzer, freundlich. Später habe ich das Land bereist, beruflich und privat. Trotz aller Ungerechtigkeiten, die dem Besucher nicht verborgen blieben, mochte ich die USA, die Lockerheit der Menschen. Privat haben meine Frau und ich die Staaten kennengelernt, erst die Ost-, dann die Westküste. Toll. Heute, wegen Trump, würde ich nicht mehr nach Washington fliegen, nach New York, San Francisco.
Es fällt auf, dass im Vorfeld des Merz-Besuches im Weißen Haus in Washington in deutschen Medien viel darüber spekuliert wird, wie Merz sich gegenüber Donald Trump verhalten soll. Ratschläge werden gegeben. Da ist dann die Rede davon, er dürfe den US-Präsidenten ja nicht provozieren. Sonst könnte dem Deutschen das passieren, was dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj vor Wochen geschehen war. Trump warf den Gast aus Kiew aus dem Weißen Haus. Das mag dem einen oder anderen Raufbold der US-Republikaner gefallen haben, Trump mag sich selber als Hero bewundert haben, was er ja gern tut. Eine tolle Leistung war das nicht, Herr Präsident Trump. Das sprach gegen den Gastgeber, der den kleinen Mann aus der Ukraine einfach von oben herab behandelte, als wäre er der Herr Niemand. Aber so ist Trump, ein Mann mit schlechten Manieren, der gern nach unten tritt und sich am liebsten als größten Präsidenten aller Zeiten feiert, obwohl er noch nichts Sehenswertes geleistet als mächtigster Mann der Erde. Es sei denn, man würde das Theater um die Zölle, die zudem der amerikanischen Wirtschaft schwer schaden, als Leistung bewerten.
Es war und ist zu lesen, dass Friedrich Merz darauf zu achten habe, den US-Gastgeber bei guter Laune zu halten. Will sagen, ihm höflich und untertänigst entgegenzutreten, keine Forderungen zu stellen, Trump klarzumachen, dass er, Friedrich Merz selbstredend den US-Präsidenten als mächtigsten Mann auf dem Globus anerkenne. Und er, Merz, werde natürlich Trump nicht widersprechen. Deutschland werde seine Verteidigungsanstrengungen verstärken, es müssen ja nicht gleich im ersten Amtsjahr des neuen Bundeskanzlers die Wehrausgaben auf fünf Prozent explodieren, 3,5 Prozent sind doch auch schon ganz schön viel.
Gerade kam der neue Bundesaußenminister von seiner Visite in Washington zurück. Johannes Wadephul erklärte, so habe ich ihn verstanden, man müsse das Gemeinsame betonen in den Gesprächen. Wenn es so etwas noch gibt, Herr Minister. Wenn einer wie Trump das überhaupt weiß. Ich habe nicht vergessen, dass Amerika uns befreit hat mit den anderen Alliierten von der Nazi-Diktatur, ich habe auch den Marshall-Plan noch im Gedächtnis, der uns half, wieder auf die Beine zu kommen, weil hier ja vieles kaputt war, völlig zerstört. Gebäude, Straßen, Brücken und nicht zu vergessen die Moral, alles lag am Boden. Amerika hat uns die Demokratie gelehrt. Aber jetzt gibt es einen US-Präsidenten, der dabei ist, diese Demokratie im eigenen Land umzubringen. Oder wie sollen wir das verstehen, wie er regiert quasi ohne Parlament, im Alleingang, wie er die Pressefreiheit aushöhlt, wie er mit Putin schachert? Die AfD aufwertet, weil wir die Partei als rechtsextremistisch einstufen und viele sie verbieten wollen. Ungeheuerlich, wie sein Vice Vance hier auftrat, als seien wir ein Vasall der USA.
Dieser Donald Trump macht, was er will, und dies vor allem zum eigenen Nutzen. Zur Mehrung seines privaten Kontos. Der Rest ist ihm egal, Ausländer raus, sie sind ihm im Weg. Wie er mit der Universität Harvard umspringt und dabei den Ruf des Landes aufs Spiel setzt. Als wäre Harvard ein Nichts! Töricht ist das, aber es passt zum Proleten, der Trump auch ist. Amerika, das war mal ein Traum für viele, verbunden mit Freiheit und Wohlstand, das Land der vielen Möglichkeiten, der Karrieren vom Tellerwäscher zum Millionäre. Trumps Reichtum ist der des Vaters. Der Mann ist zudem ein notorischer Lügner, ein Frauen-Belästiger, sollen wir das alles vergessen, was gegen ihn vorgebracht wurde, ehe er Präsident wurde. Ohne das Amt wäre er verklagt worden. Schon vergessen den Sturm aufs Kapitol durch Tausende von Trump-Anhängern, die er aufhetzte, weil er die Niederlage gegen Joe Biden nicht anerkennen wollte? Es gab Tote. Was für ein Mann ist das? Und vor dem soll Merz den Bückling machen, um ihm zu gefallen?
Ich hörte gerade im WDR, Merz und Trump sprächen sich mit Vornamen an. Also Hey, Donald, Hey Friedrich. Sollen wir ne Runde Golfen? Und der Präsident schmeichelt dem Kanzler, lässt ihn im Gästehaus übernachten. Sensationell. Dann kann ja nichts mehr schiefgehen. Das mit dem Krieg der Russen gegen die Ukraine kann warten. Oder?
Wenn die Russen kommen
Im anderen Fall, so die Bedenkenträger, würde dieser Trump Europa im Stich lassen, wenn die Russen kommen. Dazu kann ich nur sagen: Europa muss aufhören, ständig nach Washington zu schielen, ständig Richtung Trump zu schauen, damit er bei der Stange bleibt. Wenn Trump nicht mehr in der Nato bleiben will, wenn er den Westen nicht mehr unterstützen will, dann soll er es gefälligst tun. Wir müssen diese Bettel-Tour endlich beenden. Stellen wir uns auf die Hinterbeine, strengen wir uns an, dann wird das klappen. Das wird teuer, kann weh tun, wird dauern, aber Europa ist doch wer. Wir dürfen diesem Präsidenten nicht hinterherlaufen. Europa ist, wenn es zusammen hält, ein starker Bund, dazu ein Markt von 500 Millionen Menschen, ein Bund, der mit Indien, Südafrika, Südamerika gute Geschäfte machen kann. Wir müssen keine Politik gegen die USA machen, aber wir müssen selbstbewusster auftreten und kämpfen und aufhören mit der ewigen Jammerei.
Friedrich Merz hat kürzlich angekündigt, er werde Trump nach Deutschland einladen. Er will ihm die Pfalz zeigen, aus der die Vorfahren des heutigen US-Präsidenten stammen. Das kann er tun, eine Einladung an einen ausländischen Präsidenten ist ein Akt der Höflichkeit und der Wertschätzung. Ob Donald Trump das auch so sieht oder eher nach dem Deal fragt, den er damit verbindet, weil er ja Dollar-Geschäfte machen will, ist die Frage. Ich erwarte von einem Bundeskanzler, dass er in Washington Haltung zeigt und wenn nötig, die Werte, für die wir stehen in Deutschland und in weiten Teilen Europas, Werte, die mit Demokratie zu tun haben, mit Freiheit, Toleranz, Respekt vor Minderheiten, mit der Menschenwürde, die unantastbar ist und die für alle gilt, unabhängig von der Herkunft, der Religion, der Hautfarbe.
Nein, Unterwürfigkeit ist nicht gefragt, wenn Merz dem selbsternannten Größten gegenübertritt, kein Buckeln, Schleimen, sondern eher Courage, Selbstbewusstsein statt weinerlicher Unterwürfigkeit, wie es letzte Woche schon Norbert Bicher in einem Kommentar für den Blog-der-Republik gefordert hat. Und eben Haltung, damit der andere weiß, wofür man steht. Und das heißt dann auch: der Dollar ist eine Währung, ein Wert an der Börse, aber nicht mehr. Auch ein Trump ist nur einer unter vielen Präsidenten, auch ein Trump regiert nicht lebenslänglich, auch ein Trump muss irgendwann den Golfschläger zur Seite legen. Auch das Leben eines Trump ist endlich. Schlimm genug, dass ihn die Amerikaner gewählt haben. Allmächtig ist er nicht. Merz müsste sich diesen lauten Typen nur mal ohne Kleider vorstellen. Eben.