Zum Ende des Jahres und mitten in der historischen Krise über den britischen Austritt aus der Europäischen Union zeigt sich Brüssel in zwei bürgernahen Belangen ungewohnt entschlossen. Sowohl mit den scharfen Grenzwerten für den CO2-Ausstoß von Autos, als auch mit den rigorosen Maßnahmen gegen den Plastikmüll stellt die Europäische Union ihre Einigungs- und Handlungsfähigkeit unter Beweis. Das ist ein gutes Signal gegen die nationalistischen Fliehkräfte und in der jeweiligen Sache vernünftig.
Nun kommt es darauf an, dass die Vorgaben nicht verwässert werden. Denn natürlich macht die Industrie Front gegen die EU-Beschlüsse. Die Automobilindustrie warnt vor massivem Arbeitsplatzabbau und wird sogleich von Skeptikern in der Bundesregierung wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bestärkt. Nach dem großangelegten Dieselskandal jedoch haben beide höchsten Grund zur Läuterung. Die Autohersteller dürfen sich nicht über politische Vorgaben hinwegsetzen, und die Bundesregierung darf der Branche nicht alles durchgehen lassen.
Das rücksichtslose Profitmachen auf Kosten der Allgemeinheit muss ein Ende haben. Die Notwendigkeit, das klimaschädliche CO2 einzusparen, kommt ja beileibe nicht aus heiterem Himmel. Die nun schon jahrzehntelange Ignoranz der Automobilkonzerne, die mit ihren immer größeren Modellen beharrlich in die falsche Richtung produzieren und erst jetzt allmählich auch auf Elektroautos setzen, ist fatal.
Dringender Handlungsbedarf besteht auch bei der Eindämmung von Plastikmüll. Alarmierende Berichte über die Vermüllung der Weltmeere blieben über Jahre folgenlos. Eine Studie der Universität Bayreuth weist jetzt erstmals in Deutschland auch die Verschmutzung von Ackerland durch Plastik nach. Die Gefahren, die sich aus der Anreicherung kleinster Plastikteile in der Nahrungskette ergeben, sind noch kaum erforscht. Die Fotos von gewaltigen Inseln aus Plastikmüll jedoch und von verendeten Fischen und Vögeln sind erschreckend.
Nach uralten Kampagnen wie Jute statt Plastik und dem lange vergeblichen Bemühen um ein Verbot von Plastiktüten haben solche Aufnahmen offenbar Einsicht bewirkt. Ein Aufschrei der Empörung, wie er Brüssel bei Verbraucherfragen sonst oft entgegenschlägt, ist bei der Verabschiedung der neuen Richtlinie ausgeblieben. Sie soll ab 2021 europaweit gelten und muss bis dahin von den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationaler Gesetzgebung ausgestaltet werden.
Einwegprodukte wie Teller, Besteck, Becher und Trinkhalme, die ursprünglich ja mal Strohhalme hießen und für die es plastikfreie Alternativen gibt, sollen dann aus unserem Alltag verschwinden, ebenso wie Stäbchen zum Umrühren von Kaffee, Wattestäbchen und solche, an denen Luftballons befestigt werden. Gegenstände, die sich noch nicht ersetzen lassen, sollen mit einem entsprechenden Aufdruck, einer Art Warnhinweis, versehen werden. Die Tabakindustrie wird neben dem heute schon vorgeschriebenen Hinweis auf die Gesundheitsgefahren demnächst auf Zigarettenschachteln auch die Umweltgefahren erwähnen müssen. Denn mit dem Kampf gegen den Plastikmüll sollen auch die Zigarettenfilter aus dem Straßenbild verschwinden.
In der wirtschaftsfreundlichen Bundesregierung wird erwartungsgemäß die Nase über die „erweiterte Herstellerverantwortung“ gerümpft. Der EU schwebt vor, dass die Hersteller künftig an den Kosten zur Beseitigung von Plastikmüll beteiligt werden. Da darf man auf die konkrete Gesetzgebung gespannt sein. In der Vergangenheit hat die deutsche Politik es gern bei freiwilligen Selbstverpflichtungen bewenden lassen, um es sich mit der Industrie nicht zu verscherzen. Die unendliche Geschichte um Dosenpfand und Plastikflaschen war allerdings ein Lehrstück, wie es nicht funktioniert.
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