Frühchen

Intensivpflege – Alarmstufe rot!

Es ist eine schon berühmte Übersicht: In Hamburg kommen auf 100 000 Einwohner statistisch gesehen über 700 Ärztinnen und Ärzte. In Brandenburg sind´ s  knapp unter 400 und im Bundesdurchschnitt 460 Ärztinnen und Ärzte. Berühmt ist diese Hamburger Zahl deswegen, weil sie immer bemüht wird, um Unter- und Überversorgung mit Äskulap- Jüngern zu belegen.  Auch die Zahl der Hamburger Krankenhäuser  –  46 – kann sich sehen lassen. Mit Pflegeheimen ist die Hansestadt ebenfalls gesegnet.  Und dennoch gibt es eine kaum glaubliche Mangelsituation: Fachleute schätzen,  dass es in der Stadt an der Elbe rund zwei Dutzend Säuglinge und Kleinstkinder gibt, die einer intensiven rund um die Uhr Pflege bedürften, diese aber nicht finden. Der Grund: dortige Pflegekassen schlossen mit den ambulanten Pflegediensten keine Verträge über die Intensivpflege.

Sogenannte „Frühchen“, also Säuglinge die vor der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen, bedürfen einer besonderen Pflege.  Sie sind vor allem infektionsanfälliger als andere Säuglinge. Wer sie 24 Stunden rund um die Uhr pflegt und für deren Überleben sorgt, benötigt eine besondere Ausbildung.

Diese Pflege wird zuerst in Krankenhäusern mit spezialisierten  Abteilungen geleistet. In 300 Krankenhäusern der Republik gibt es beispielsweise solche Abteilungen für Frühchen.  Diese Abteilungen haben besondere Standards einzuhalten. Sie suchen oft fast verzweifelt mehr gutausgebildete Pflegerinnen und Pfleger, bekommen die aber nicht.

Nach Aufenthalt in einer spezialisierten Station für Intensivpflege werden Frühchen an eine ambulante Pflege weiter gegeben. Rund 650 spezialisierte Dienste dieser Art gibt es in Deutschland. Bezieht man die mit ein, die sich um eine Person alleine kümmern, steigt die Zahl auf über tausend.

15000 künstlich beatmet

Es geht nicht nur um die Frühchen in der Hansestadt. Es gibt  Säuglinge mit schweren Krankheiten vom ersten Tag des Lebens an, auch solche, die künstlich beatmet werden müssen, aus Krankenhäusern entlassen, um daheim aufgenommen zu werden. Und da fehlt mitunter die nötige, spezialisierte Pflege. Insgesamt müssen etwa 15 000 Menschen in Deutschland künstlich beatmet werden. Einzelne Pflegebetriebe mit spezialisierten Medizinern bieten Therapien um, durch die Menschen aus der künstlichen Beatmung zurück auf das normale Atmen finden. Es sind zu wenige, die das anbieten.

Der für den ambulanten Bereich zuständige Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), Bernd Tews sagt, wegen der speziellen Anforderungen an die Pflegekräfte sei die Not in der ambulanten Intensivpflege größer als in der allgemeinen Pflege. Und hört man sich unter diesen ambulanten Diensten um, hört man immer wieder: Wegen fehlender Fachkräfte werde es immer schwieriger, neue Patienten in die ambulante Intensivpflege aufzunehmen.

Intensivpflege kostet viel Geld. Die Fachleute sagen, für rund um die Uhr-Pflege würden fünf Fachkräfte benötigt, die im Schnitt und je Monat über 700 Stunden pflegen müssten. Setze man Lohnkosten einschließlich aller Nebenkosten von rund 4.000 Euro je Beschäftigten an, käme man auf 20.000 Euro pro Intensivpflege. Es werde im Übrigen auch immer schwerer, Pflegekassen zur Refinanzierung dieser Kosten zu veranlassen.

Vor allem fehle es an überall gültigen und alle Kassen umfassende Standards in der Intensivpflege. Die Ersatzkassen, darunter die TK oder auch die Barmer haben zusammen mit ihrem Verband auf der einen und den privaten Pflegeanbietern auf der anderen Seite hierzu einen Vertrag geschlossen. Dieser erste bundesweit geschlossene Vertrag regelt die organisatorischen und pflegefachlichen Anforderungen an spezialisierte Pflegedienste. Die müssten speziell qualifizierte, examinierte Pflegekräfte zum Beispiel mit Zusatzqualifikation als Atmungstherapeuten vorhalten und sie müssten zusichern, an allen Tagen der Woche 24 Stunden präsent zu sein.

Insgesamt keine zufriedenstellende Situation. Aber vielleicht nimmt sich ja die konzertierte Aktion Pflege in den kommenden Tagen der Intensivpflege an.

Bildquelle: Pixabay, SeppH, Pixabay License

Teilen Sie diesen Artikel:
Keine wichtigen Nachrichten mehr verpassen!


Über  

Redakteur 1972 und bis 89 in wechselnden Redakteursaufgaben. 90 bis 99 wiss. Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion, Büroleiter Dreßler, 2000 Sprecher Bundesarbeitsministerium, dann des Bundesgesundheitsministeriums, stellv. Regierungssprecher; heute: Publizist, Krimiautor, Lese-Pate.


'Intensivpflege – Alarmstufe rot!' hat einen Kommentar

  1. 15. Juni 2020 @ 09:14 Christopher Seidel

    Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

    Antworten


Möchten Sie Ihre Gedanken teilen?

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht