NRW-Innenminister Herbert Reul

Jeder Rechtsverstoß muss geahndet werden! – Redaktionsgespräch mit dem „Blog der Republik“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) fordert die Bundesliga-Vereine des Landes zu größeren Anstrengungen für die Sicherheit in den Fußballstadien auf. Die Gewalt sei ein zentrales Problem, sagte der Minister im Interview mit dem „Blog der Republik“. Er sei mit den Managern der großen Clubs im Gespräch, um deutlich zu machen, dass Einlasskontrollen verschärft und Krawalle unterbunden werden müssten. „Die Vereine machen da nicht genug“, sagte Reul, der die Frage nach einer Beteiligung an den Kosten der Polizeieinsätze zurückhaltend beantwortete. „Es widerspricht unseren Prinzipien, dass Polizeileistungen privat bezahlt werden, und das Problem der Gewalt wird dadurch nicht gelöst“, sagte der Minister. Zugleich räumte er ein, dass „ein Riesendruck der Öffentlichkeit“ herrsche.

Der Innenminister, der die Bekämpfung der Clan-Kriminalität zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit macht, erwägt ein Aussteigerprogramm, um das Problem langfristig zu entschärfen. „Wir haben das Thema seit den 1980er Jahren und keiner hat sich darum gekümmert“, sagte Reul. Die Politik habe sich „nicht getraut“, das Thema beim Namen zu nennen, und die Menschen hätten „keine Ausbildung und keine Perspektive für das Leben in Deutschland“ gehabt.

Innenminsiter Reul im Gespräch mit Petra KappeZunächst verfolge er eine „Strategie der tausend Nadelstiche“, sagte Reul zu den zahlreichen Razzien, die die Polizei aktuell durchführe. „Wir wollen Unruhe stiften und klarmachen, dass jeder Rechtsverstoß konsequent verfolgt wird – von Steuerhinterziehung und Geldwäsche bis hin zu Verstößen gegen die Hygienevorschriften.“ Dabei sei die Gefahr der „Verlagerung“ zu beobachten. Schon jetzt tauchten einzelne Personen aus dem Milieu in ländlicheren Regionen auf, daher sei die Polizei auch dort zur besonderen Aufmerksamkeit angehalten. „Noch“, sagte Reul, „haben wir im Ruhrgebiet nicht die Brisanz wie in Berlin, dass die Clans auch versuchen, Einfluss auf Verwaltung und Politik zu nehmen.“

Zu den Ermittlungen zum massenhaften Kindesmissbrauch in Lügde räumte der Minister „individuelle Fehler“ bei der Polizei ein, wies aber die Frage nach einer kompletten Neuorganisation der  gesamten nordrhein-westfälischen Polizei zurück. „Den Eindruck habe ich nicht“, sagte Reul, und er widerspreche auch der Einschätzung, dass die Landräte generell mit der Führung der Polizei überfordert seien. Seine Aufgabe sei es, „alle Fehler, die gemacht wurden, offenzulegen, um die richtigen Lehren aus dem Fall ziehen zu können“, sagte der CDU-Politiker. „Ich bin der Chefaufklärer – von Anfang an“, unterstrich er. Ein Untersuchungsausschuss des Landtages „bringt uns aus meiner Sicht nicht weiter“, sagte Reul. Er denke darüber nach, „sexuellen Missbrauch in Zukunft wie Mord und Totschlag“ nur von bestimmten, spezialisierten Polizeibehörden bearbeiten zu lassen. Außerdem setze er auf den verstärkten Einsatz von technologischen Möglichkeiten. „Wir befinden uns da noch in der Steinzeit. Die Datenmengen, um die es geht, werden wir mit Menschenkraft nicht mehr bewältigen können.“

Innenminister Reul im Gespräch mit Friedhelm Ost und Alfons PieperDer Innenminister räumte ein, dass es an Polizisten fehle: „Wir haben extremen Personalmangel, gerade auch bei der Kriminalpolizei.“ Zugleich setzte Reul sich für „mehr Respekt und Wertschätzung“ für Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr ein. Die zunehmenden Übergriffe und Beleidigungen seien „widerwärtig“. Reul führt das auf einen wachsenden „Hang zur Rechthaberei“ und die Unfähigkeit zurück, mit Misserfolgen umzugehen. Er rief zu einer konsequenten Verfolgung entsprechender Anzeigen auf und ermunterte die Bevölkerung, ein gutes Beispiel zu geben. „Jeder kann auch einem Polizisten einfach mal danke sagen.“

Den Polizeieinsatz zur Räumung des Hambacher Forsts verteidigte der Minister. „Es gibt nicht schlechte und gute Gewalt“, sagte Reul, der die Möglichkeiten des neuen Polizeigesetzes lobte, zugleich aber das Problem schilderte, dass sich zunehmend Gewalttäter unter friedliche Demonstranten mischten. „Dagegen können Sie im Moment kaum vorgehen“, sagte Reul und sprach sich für einen Straftatbestand aus, der es Demonstranten untersagt, „Krawallmacher zu schützen“.

Mit Blick auf die bevorstehende Europawahl warnte der Minister, der selbst als Abgeordneter im Europäischen Parlament gewirkt hatte, ehe er 2017 in die NRW-Landesregierung eintrat, vor der „Gefahr, dass Nationalisten und Populisten das Parlament lahmlegen“. Er sehe jedoch auch „die Chance, dass der Brexit viele Menschen, die es sich hier so gemütlich eingerichtet haben, wachrüttelt, doch zur Wahl zu gehen.“ Gerade für die Sicherheit müssten nach seiner Überzeugung weitere Souveränitätsrechte nach Europa abgegeben werden. „Da wäre so viel gewonnen, wenn nicht mehr jeder auf seinen nationalen Daten sitzt“, sagte Reul und sprach sich auch für eine europäische Grenzpolizei aus. „Das ist eine Frage der Solidarität. Da haben wir gegenüber Italien und Griechenland in der Vergangenheit vieles versäumt.“

 

Für den Blog der Republik führten das Redaktionsgespräch Gül Keskinler, Petra Kappe, Alfons Pieper, Friedhelm Ost und Uwe Pöhls

 

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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