Wer ihn erlebt hat am Ball, den Franz Beckenbauer, schnalzte mit der Zunge. Der Ball war sein Freund, er und der Ball, das war eins. Er machte mit dem runden Leder das, wovon andere nur träumten. Aber ihm gelang es mit Leichtigkeit, er spielte, wenn er wollte, den Ball dem Gegner durch die Nase. Er streichelte die Kugel, umkurvte den Gegenspieler mit Ball, als wäre der nur eine Stange. Alles ohne Kraft, ohne Foul. Und ja, erreicht hat er als Fußballer alles: Deutscher Meister, Pokalsieger, Eurocup-Gewinner der Landesmeister, Europameister mit der deutschen Nationalmannschaft, Weltmeister als Spieler und Spielführer, als Trainer. Und manche Titel gewann er in Serie. Man nannte ihn die Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Gab es je bessere in der Welt, Pele vielleicht? Und doch wird dem Jubilar an seinem 75. Geburtstag nicht nur applaudiert, es ist etwas an ihm hängengeblieben aus der eigentlich goldenen Vergangenheit, weil er das Fußballmärchen in Deutschland 2006 für Geld möglich machte, heimlich. Hätte er alles von vornherein öffentlich gemacht, wie er die Stimmen zusammenholte, hätte man offiziell ein paar Millionen dafür bezahlt, dass er als Fußball-Botschafter des Landes die Welt von Deutschlands Kandidatur für die WM überzeugte, niemand hätte ihn deswegen kritisiert, ein Jeder hätte es für selbstverständlich gehalten.
Kaiser Franz nannten sie ihn, hofierten sie ihn früh in München und in ganz Bayern, weil er kaiserlich kickte, eine Krone brauchte es nicht für ihn, da reichte das runde Leder. Ich habe den Franz Beckenbauer damals in München ab Mitte der 60er Jahre gesehen, er war ein junger Spieler, gut aussehend, sportlich, der Schwarm vieler Frauen. Da musste man nur in die Gazetten der Stadt schauen, die AZ lesen oder die TZ oder die Bild. Der Franz war immer ein Thema, er verbreitete gute Laune, strahlte alle an und manches weg. Als Studenten sind wir gelegentlich zum Training der Bayern gefahren und zu den 60ern, die 1966 deutscher Meister geworden waren. Und fast wäre der Franz Beckenbauer bei den Löwen gelandet, er kam schließlich aus Giesing, der Arbeiter-Vorstadt, aus kleinen Verhältnissen stieg er auf wie ein Komet und wurde der Star der Münchner Gesellschaft, der Schickeria, Pussi-Pussi. Und der Franz mittendrin.
Er spielte ohne zu schwitzen
Im Training sahen wir ihn neben dem Maier Sepp, dem Torwart, dem Georg Schwarzenbeck, dem Gerd Müller, um das magische Vier-Eck zu nennen. Er trainierte wie die anderen, nur schien ihm das leichter zu fallen. Er lief nicht so keuchend über den Platz wie andere, er schien nicht einmal zu schwitzen. Er spielte Doppelpass mit dem Müller Gerd, dem Torjäger, der die Vorlagen des Franz verwandelte. Der Schwarzenbeck war der Abräumer, der die Arbeit für den Libero machte.
Ja, der Libero muss für ihn erfunden worden sein. Der Beckenbauer als letzter Mann, er stand immer richtig, fing die Bälle, die der Gegner Richtung bayerischen Strafraum spielte, gekonnt ab und los ging es mit einem Paß über viele Meter millimetergenau in die Füße eines Gerd Müller, der gab zurück zum Franz und so lief das Spiel der Bayern. Gegen sie zu gewinnen mit dem Beckenbauer, das war nicht einfach, weil der Franz einfach zu gut war. Außerdem hatte er die richtigen Mitspieler, wie erwähnt. Wir sind mal zum Pokal-Endspiel des FC Bayern gegen Schalke nach Frankfurt gefahren. Die Bayern gewann 2:1. Und als der Stan Libuda ein paar Dribblings hinlegte, kam der Franz und demonstrierte mit seiner Fußballkunst, wer der Chef auf dem Platz war.
Dann gab es, der gehörte zwingend dazu, den Manager Robert Schwan, ein Mann der feinen Gesellschaft, der stets einen Hut trug und Pfeife rauchte. Schwan war der erste hauptamtliche Manager eines Fußballclubs, er machte aus dem Franz den Millionenmann, er formte ihn. Ich las in der Abendzeitung einen Satz seiner Frau Brigitte, die meinte, der Franz hätte eigentlich Arzt werden sollen. Ihm traute man (fast) alles zu. In einer vor Monaten erschienenen Biographie über Gerd Müller beschreibt der Historiker Hans Woller das Finanzgebaren der Mächtigen in München, das Amigo-System, mit dem die Spieler fürstlich entlohnt wurden und wenn es brenzlich hätte werden können durch die Steuerbehörde, wurde der FC Bayern rechtzeitig gewarnt. Schwan bezahlte, so schildert es Woller, die Spieler, allen voran den Franz Beckenbauer, auch mit Geld, das man für Freundschaftsspiele in aller Welt kassierte, bar versteht sich, auf die Hand, und das man, also Schwan dann eigenmächtig an die Spieler verteilte. Ein Jeder bekam einen mit Scheinen gefüllten Briefumschlag, der Franz bekam mehr als die anderen, wie der Müller Gerd es beklagte. Und der CSU-Finanzminister Ludwig Huber rief dem Franz schon mal freundlich zu: „Franz, wenn was ist, nur melden!“
Fehlender Instinkt-korrupte Macher
Aber das Bild von einem Mann, der alles, was er anpackte, zu Gold werden ließ, der nicht umsonst eine Lichtgestalt genannt wurde und wird, zum ganzen Bild des Franz Beckenbauer gehört natürlich auch der fehlende Instinkt, der ihn hätte auf Abstand bringen müssen zu den korrupten Fußball-Machern im Weltfußball wie Mohammed Bin Hamman und Jack Warner und anderen in diesem obscuren Umfeld. Da war er überfordert der Mann, der mit dem Ball alles konnte, aber in den Tiefen der Trickser-Welt die Orientierung verlor. „Alles erstunken und erlogen“, versuchte Beckenbauer die Vorwürfe einst vom Tisch zu fegen und vergaß dabei, dass es sich dabei um Millionen Summen handelte und nicht um Bälle. Aber soll man einen wie ihn daran messen oder eher daran erinnern, wie er die Fußballwelt in Verzückung geraten ließ, wenn er am Ball war und antrat. Wie haben wir ihn bewundert, als er 1990 als Teamchef mit einer Klasse-Mannschaft in Rom Fußballweltmeister geworden war. Wie er nach dem Spiel allein über den Platz ging, auf den Boden blickte und dann in den Abendhimmel- danach trat er zurück.
Der Mann, der am Ball alles konnte und dessen alleinige Aufforderung an die Spieler: „Gehts raus und spielt Fußball“ reichte, dass sie das auch taten, weil er eine Leitfigur war, jemand, der noch im Alter von fast 50 Jahren mit dem Ball mehr konnte als die meisten anderen, dieser Mann verirrte sich dann in einem Gespräch, als man ihn nach seiner Rückkehr aus Katar um eine Einschätzung bat. „Ich habe noch nicht einen einzigen Sklaven in Katar gesehen. Die laufen alle frei rum, weder in Ketten, gefesselt oder mit Büßerkappe am Kopf.“ Ja, auch das war der Beckenbauer, dessen Wurstigkeit gelegentlich mit ihm durchging. Anders gesagt: Er hatte über etwas geredet, von dem er keine Ahnung hatte.
Seine Anwälte haben mit ärztlichen Attesten verhindert, dass Anklage wegen des Sommermärchens gegen ihn erhoben wird. Jede Aufregung könne lebensgefährlich sein für ihn, der nicht vernehmungsfähig sei, jetzt ist es verjährt. Das Herz, die Hüfte, die Augen, der Tod des Sohnes. Das Leben auch eines Franz Beckenbauers hat Höhen und Tiefen.
Für mich bleibt er ein Großer des Fußballs, einer der Größten. Der Kaiser halt.
Bildquelle: Wikipedia, Magnussen, Friedrich (1914-1987), CC BY-SA 3.0 DE