Wie man es auch dreht und wendet: Mehr als ein Beitrag zur eigenen Profilierung lässt sich in dem Syrien-Vorschlag von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nicht erkennen. Die Forderung nach einem Militäreinsatz zur Schaffung einer international kontrollierten Sicherheitszone in Nordsyrien mag dem frustrierenden Empfinden der europäischen Ohnmacht entsprungen sein; ein Ausweis von politischer Klugheit oder diplomatischer Kompetenz ist sie nicht.
Der Vorstoß ist in der Sache vage. Irgendwie international „unter Einbeziehung der Türkei und Russlands“ soll die Region mit Gewalt befriedet und kontrolliert werden. Jenes Gebiet, aus dem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan die Kurden vertreiben und Siedlungsgebiete für syrische Flüchtlinge machen will. Eine völkerrechtswidrige Aktion mit dem Segen von US-Präsident Donald Trump, zur Freude von Machthaber Bashar Assad und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Interessenlage ist klar skizziert, die unheilvollen Allianzen sind geschmiedet. Europäische Belange spielen da keine Rolle. Unter den aktuellen Kriegsakteuren findet die CDU-Vorsitzende keine Waffenbrüder.
Der Vorstoß ist in der Sache falsch. Noch mehr Militärgewalt schafft noch mehr Tod und Elend. So mühsam es ist: Letztlich kann nur eine Lösung im Einklang mit dem Völkerrecht zur dauerhaften Befriedung der Region führen. Dafür sind die Vereinten Nationen zuständig. Der sich selbst blockierende Sicherheitsrat scheitert seit Jahren daran. Dennoch bleibt er die einzige legitime Instanz. Deutschland ist dort vorübergehend Mitglied. Außenminister Heiko Maas (SPD) kann dort die Initiative ergreifen. Doch seine Kabinettkollegin hat ihn mit ihrem Alleingang vor den Kopf gestoßen. Das irritiert die internationalen Partner und sät auch neuen Konflikt in der Großen Koalition.
Die SPD steht traditionell für eine friedliche Lösung internationaler Konflikte. Sie folgt der Einsicht und Erfahrung, dass Krieg nicht Frieden schafft und dass die Stärke des Rechts über das Recht der Stärkeren triumphieren muss. Mit der destruktiven Rolle, die von den USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump ausgeht, schreitet die Militarisierung des politischen Denkens voran. Krieg wird zum ersten Mittel. Völkerrechtswidrige Aktionen werden hingenommen. Nationale Machtinteressen und geopolitische Gelüste erhalten Vorrang vor den Menschenrechten und dem Schutz der Bevölkerung. Die Weltordnung geht vor die Hunde.
In dieser Situation den Koalitionspartner kurzfristig und inhaltslos per SMS zu informieren, ihn am Vortag während der Sitzung des Koalitionsausschusses völlig zu übergehen und die eigenen Absichten selbst dann mit keinem Wort zu erwähnen, als das Thema Syrien dort zur Sprache kommt, das ist ein veritabler Affront. Wie das mit Rückendeckung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geschehen kann, deren Regierungs- und internationale Erfahrung die ihrer Nachfolgerin im Parteivorsitz bei Weitem übertrifft, ist ein Rätsel. Eine wohlmeinende Merkel hätte Kramp-Karrenbauer vor diesem Vorgehen bewahrt.
Der Wunsch der eigenen Profilierung war jedenfalls ein denkbar schlechter Ratgeber. Die neue CDU-Vorsitzende hat arge Anerkennungsprobleme auch in der eigenen Partei. Sie ist gegen ihre ursprüngliche Überzeugung ins Kabinett Merkel eingetreten, praktisch als Verteidigungsministerin wider Willen. Dort findet sie die Bundeswehr in einem desolaten Zustand vor. Die Hinterlassenschaften ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) werden in einem Untersuchungsausschuss durchleuchtet. Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels warnt, die Bundeswehr sei gar nicht in der Lage, einen weiteren Auslandseinsatz zu stemmen. Und die Ministerin bringt eine Mission ins Gespräch, die den Einsatz von Bodentruppen erforderlich machen würde.
Das alles wirkt naiv und setzt leichtfertig die zurückhaltende Rolle aufs Spiel, die Deutschland – zumeist – auf der internationalen Bühne einnimmt, wenn es um kriegerische Ambitionen geht. Auch um bei Nato-Verbündeten wie den USA und der Türkei nicht falsche Begehrlichkeiten zu wecken, muss die Haltung eindeutig bleiben. Jede Andeutung, dass ein Militäreinsatz ohne UN-Mandat denkbar wäre, verbietet sich. Wohl wahr: Wenn sich Kramp-Karrenbauer klar zu dem Primat der Vereinten Nationen bekannt hätte, wäre ihr Vorstoß nicht ganz so spektakulär dahergekommen. Dafür aber mit mehr Vernunft.
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'Kriegstreiber hat die Welt schon genug' hat einen Kommentar
23. Oktober 2019 @ 19:39 HTB
Selbstüberschätzung der eigenen, in diesem Falls der nationalen Möglichkeiten wirksamer Projektion von Macht, zeichnet den Vorstoß von Frau KK aus.
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