Die hessischen Landtagswahlen bringen offensichtlich Bewegung in die deutsche Politik. Als erste hat Bundeskanzlerin Angela Merkel als Konsequenz aus den herben Verlusten der CDU in Hessen angekündigt, dass sie auf dem nächsten CDU-Parteitag im Dezember nicht mehr für den Vorsitz der CDU kandidieren werde. Das ist umso bemerkenswerter, weil Merkel immer wieder betont hatte, dass Kanzleramt und CDU-Vorsitz in einer Hand, also ihrer liegen müssten. Wie die Bild-Zeitung meldet, will ein „alter Bekannter“ von Merkel, Friedrich Merz, der im November 63 Jahre alt wird, und der wegen Merkel vor einigen Jahren den Fraktionsvorsitz freiwillig abgegeben hatte und aus der Politik ausgeschieden war, sich um die Nachfolge Merkels bewerben. Auch die Generalsekretärin der Partei, Annegret Kramp-Karrenbauer, will für den CDU-Vorsitz kandidieren. Damit nicht genug der Personal-Probleme: Auch die anderen Parteivorsitzenden der Großen Koalition in Berlin, Andrea Nahles von der SPD und Horst Seehofer von der CSU sind nach den schweren Wahlverlusten in Bayern und Hessen in ziemliche Bedrängnis geraten, die Forderungen, sie mögen zurücktreten, werden lauter.
Die Ankündigung der CDU-Chefin wird von politischen Kreisen auch als Anfang vom Ende ihrer Kanzlerschaft ausgelegt. Längst werden Namen genannt von potentiellen Nachfolgern, darunter der von Annegret Kramp-Karrenbauer und vor allem der von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der den stärksten CDU-Landesverband hinter sich hat. Man wird ferner die weiteren Ambitionen eines Friedrich Merz beobachten müssen, wenn dieser wirklich zum Parteivorsitzenden gewählt werden sollte. Merz werden enge Kontakte zu Wirtschaftskreisen nachgesagt, der einflussreiche CDU-Mittelstand dürfte seine Rückkehr in die aktive Politik begrüßen.
Autorität der Kanzlerin hat gelitten
Merkels Amtszeit- sie löste 2005 den SPD-Kanzler Gerhard Schröder ab- hat vor allem durch die Flüchtlingskrise im Jahre 2015 gelitten. Seit dieser Zeit ist sie auch und gerade in der CDU und noch mehr in der CSU mehr als umstritten. Wenn auch der Schritt Merkels, 150000 Flüchtlingen damals die Grenze nach Deutschland zu öffnen, als menschlich gewürdigt worden war, so war in der Folge der politische Umgang mit dem Problem der Migration mehr und mehr in die Kritik geraten. Ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder hatte geurteilt, sie habe ein Herz gezeigt, aber sie habe kein Konzept, um diese Flüchtlinge nicht nur unterzubringen, sondern sie auch zu integrieren. Vor allem CSU-Parteichef Horst Seehofer hatte Merkel immer wieder angegriffen, von einer „Herrschaft des Unrechts“ gesprochen und eine Obergrenze von 200000 Flüchtlingen gefordert. Und auf europäischer Ebene scheiterte Merkel mit dem Versuch, die Flüchtlinge auf alle EU-Länder zu verteilen.
Die Autorität von Merkel, einst als mächtigste Frau in Europa gefeiert, hat ihren Glanz verloren. Was sich auch bei der Bundestagswahl bemerkbar machte, wo die CDU erhebliche Stimmen einbüsste. Schon damals war darüber diskutiert worden, ob Merkel überhaupt noch für eine weitere Amtszeit antrete. Sie entschied sich dann für ein Verbleiben im Kanzleramt und ein Weiter-So in ihrer Politik. Die Folgen bekam vor einigen Wochen Volker Kauder zu spüren, der als Kandidat der Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel erneut für den einflussreichen Fraktionsvorsitz der Union-Fraktion im Bundestag kandidierte, aber überraschend gegen den unbekannten Ralph Brinkhaus glatt verlor. Diese Wahl wurde aus CDU-Kreisen als Einschnitt gewertet, dass die Fraktion nicht mehr geschlossen hinter der Kanzlerin stünde, eine Schwächung von Angela Merkel ohne Frage. Und eine Quittung für ihre konturenlose Politik und den anhaltenden Streit in der Union, der die Arbeit der GroKo überlagert, ja belastet.
So wird Merkel für den faulen Kompromiss in der Diesel-Frage verantwortlich gemacht, ein Kompromiss, der als Bückling vor der mächtigen Auto-Industrie bezeichnet wurde. Für ihren Betrug am Kunden sollten die Autobauer von VW, Daimler, Audi und Co noch belohnt werden. Auch der Umgang in der Causa Maaßen war mehr als peinlich. So stimmten Merkel und Nahles zunächst sogar dem Vorschlag Seehofers zu, den Präsidenten des Verfassungsschutzes zwar zu entlassen, ihn aber zum Staatssekretär zu befördern. Eine Einigung, die Empörung in allen Teilen der Bevölkerung auslöste, und die dann rückgängig gemacht wurde. In Umfragen ist die CDU bei rund 25 Prozent gelandet. Und ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht.
Seehofer klebt an seinem Stuhl
Ob Horst Seehofer das Jahr als CSU-Parteichef übersteht, steht in den Sternen. Der Ingolstädter klebt am Stuhl, er hat das Glück, dass die Nachfolge nicht geklärt ist, dass zum Beispiel CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mehr als umstritten ist und einer wie Manfred Weber zwar als ehrgeizig gilt, der aber seinen Hut für die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in den Ring geworfen hat. Ob das geht, CSU-Vorsitz und EU-Präsident in einer Hand? Die Frage wird sein, ob der bayerische Ministerpräsident Markus Söder nicht doch nach dem Parteivorsitz greift. Dann wäre die Entscheidung klar.
Andrea Nahles hat Anfang des Jahres das Kunststück fertig gebracht, auf einem Sonderparteitag der SPD die Mehrheit der Delegierten auf einen Kurs pro Große Koalition einzustimmen. Auch der Koalitionsvertrag und die Vergabe der Ministerien wird ihr als Erfolg zugerechnet. Aber danach hat sie offensichtlich das Glück verlassen. Die SPD würde heute nicht mehr für eine GroKo stimmen, zu laut ist der Streit in der Union und zu groß sind die Verluste der SPD bei den Wahlen in Bayern und jetzt in Hessen. Die SPD mache sich klein in der GroKo, sie lasse sich von Merkel alles gefallen oder sich von der Kanzlerin einlullen, so die Vorwürfe aus SPD-Kreisen.
SPD sorgt sich um Europa-Wahlen
Mit großer Sorge blicken Sozialdemokraten auf das nächste Jahr, wenn zum Beispiel die Europa-Wahlen stattfinden. Wenn der Trend gegen die SPD anhält, muss man Schlimmstes befürchten. Noch halten die Spitzen-Genossen wie Malu Dreyer und Stephan Weil zu Nahles, oder besser, sie halten still, weil sie selber nicht antreten wollen und sie noch keine Alternative für den schwierigen Posten des SPD-Vorsitzenden haben. Das ist aber auch das einzige, was jetzt noch für Nahles spricht. Einen Sonderparteitag würde sie wohl nicht als Vorsitzende überstehen. Umfragen bescheinigen der SPD zur Zeit noch etwa 15 Prozent, Ende offen.
Klar ist für die Union wie die SPD, Neuwahlen will niemand riskieren.
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'Mit Merkels Rückzug vom Parteivorsitz kommt Bewegung in die Politik – Auch SPD-Chefin Andrea Nahles und CSU-Chef Horst Seehofer sollten Amt freigeben' hat keine Kommentare
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