Seit zwei Monaten werden bereits die mit Beton ummantelten Stahlröhren, durch die bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland nach Lubmin bei Greifswald transportiert werden sollen, in der Ostsee verlegt: Die neue Gaspipeline Nord Stream 2 mit einer Länge von 1.230 Kilometer soll die bereits vor Jahren gebaute Nord Stream-Pipeline erweitern, sodass sich die Kapazitäten für die Gaslieferungen aus den russischen Fördergebieten verdoppeln werden.
9.5 Mrd. € für Nordstream 2
Die Kosten für die Nord Stream 2-Pipeline werden sich auf 9,5 Mrd. € belaufen. Diese Investition in die Energieversorgung wird von dem russischen Konzern Gazprom, von den deutschen Unternehmen Wintershall und Uniper, von der österreichischen Energie-Firma OMV sowie von Shell und der französischen Gesellschaft Engie finanziert. Bereits Ende 2019 soll russisches Gas durch diese zusätzliche Pipeline fließen.
Vielfältiger Widerstand gegen das Projekt
Allerdings ist derzeit noch nicht sicher, ob diese Gasleitung bis zu diesem Termin fertig gestellt und in Betrieb genommen werden kann. Denn es gibt gegen dieses Energieprojekt einigen Widerstand. Obwohl die skandinavischen Länder Finnland und Schweden grünes Licht für die Pipeline-Verlegung gegeben haben, hält sich Dänemark mit der Genehmigung seit längerem zurück. In diesen Novembertagen findet auf der Insel Bornholm ein Hearing dazu statt, bis Mitte Dezember soll endgültig entschieden werden. Aus Kopenhagen war zu hören, dass der politische Druck – insbesondere aus den USA – auf Dänemarks Regierung recht stark ist, um Nord Stream 2 möglichst noch zu verhindern oder zumindest zu erschweren. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder – als heutiger Verwaltungsratschef von Nord Stream 2 aktiv – versucht über sein politisches Netzwerk gemeinsam mit anderen Pipeline-Befürwortern, den Widerstand gegen das Gasprojekt zu brechen.
Sanktionsdrohungen aus den USA
Widerstand kommt indessen aus mehreren Ländern. Estland und andere osteuropäische Staaten halten die Gasleitung für eine Fehlentscheidung vor allem seitens der Bundesregierung. Denn es gehe dabei nicht allein um ein wirtschaftliches, sondern auch um ein politisches Projekt. Besonders heftiger Protest dagegen kommt aus Kiew, denn die Ukraine befürchtet, dass sie Transitgebühren in Milliardenhöhe verlieren könnte, wenn das russische Gas vor allem durch die Ostseepipeline fließen wird.
Der massivste Widerstand gegen Nord Stream 2 droht insbesondere aus den USA. Präsident Trump kämpft aus ökonomischen und politischen Motiven gegen dieses Projekt. Bereits bei den schwierigen Verhandlungen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean Claude Juncker über die Einführung von Zöllen auf Einfuhren – vor allem Autos – aus Europa und über andere Handelsrestriktionen war Donald Trump zunächst nur zu einem Spiel auf Zeit unter der Bedingung bereit, dass Europa mehr Sojabohnen und Flüssiggas (LNG) aus den USA importieren wird. Das mögliche amerikanische Sanktionsarsenal gegen die Ostseepipeline hat Washington bereits aufgezeigt: Zum einen Strafen gegen die Firmen, die die Rohrleitung in der Ostsee verlegen, die zuliefern und die Pipeline warten, zum anderen Sanktionen gegen die Firmen und Banken, die Nord Stream 2 finanzieren.
Bereits im vergangenen Jahr war im US-Kongress ein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden, das Sanktionen gegen solche Pipelines möglich macht, durch die russische Energielieferungen erfolgen. Insbesondere die Vertreter der Demokratischen Partei im Kongress haben wiederholt auf solche Sanktionen gegen Russland gedrängt. Denn Moskau kassiert für die russischen Energie-Exporte viele Milliarden Dollar und Euro, mit denen sich das Land finanziert. Nach Einschätzung vieler US Abgeordneter – insbesondere aus den Reihen der Demokraten – ist Putin so finanziell in der Lage, seine militärischen Aktionen in Syrien, auf der Krim und in der Ostukraine zu finanzieren.
Alleinfinanzierung durch Gazprom?
Ob es schon bald einen Showdown um Nord Stream 2 geben wird, ob der Bannstrahl aus dem Weißen Haus die europäischen Firmen treffen wird oder gar eine Änderung der Gasrichtlinie der EU, die noch in diesem Jahr von den EU-Energieministern beschlossen werden soll, das Projekt um Scheitern bringen wird, all‘ das hängt wie ein Damoklesschwert über diesem Vorhaben. Die Alternative im Falle eines Falles, dass die deutschen Energiefirmen und ihre anderen europäischen Partner vor den USA und den Hürden der EU kapitulieren sollten, wäre ein Solo von Gazprom: Der Konzern müsste die Finanzierung der 9,5 Mrd. € für Nordstream 2 allein stemmen, was wohl durchaus möglich wäre.
Diversifikation mit Flüssiggas
Derzeit ist noch unsicher, ob angesichts der Schwierigkeiten über Nordstream 2 wie geplant Ende 2019 Gas von Russland nach Lubmin strömen wird. Immerhin würde im Falle der Realisierung die Abhängigkeit Europas von russischem Gast auf etwa 50 % steigen. Da es sich in der Tat nicht allein um ein wirtschaftliches Projekt handelt, sondern dass damit vielfältige politische Probleme verbunden sind, macht die Lösung außerordentlich kompliziert.
In Zukunft wird die EU, die rund 70 % ihres Gasbedarfs durch Importe deckt, noch stärker auf Lieferanten außerhalb Europas angewiesen sein. Denn der Kohleausstieg wird den Energie-Mix zugunsten des Gases verändern. Mehr Flüssiggas aus den USA erfordert hohe Investitionen in neue Terminals, Tankschiffe und eine andere Logistik. Dies alles und die hohen Transportkosten werden die LNG-Importe aus den USA zunächst ziemlich teuer im Vergleich zu den Gaseinfuhren per Pipeline machen. Doch die Preise für Energie schwanken zum Teil recht kräftig, sodass in Zukunft Flüssiggas aus den USA, Katar oder anderen Lieferländern in Europa konkurrenzfähig werden könnte.
Bildquelle: Wikipedia, Pjotr Mahhonin, CC BY-SA 4.0
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