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Home Politik

Olaf Scholz als Konzert-Dirigent

Friedhelm Ost Von Friedhelm Ost
30. Juni 2022
Olaf Scholz

Vom G7-Gipfel herab in die Niederungen der Berliner Politik ist der Bundeskanzler gefordert, die Krisen im eigenen Land zu meistern. Die starke Inflation, die Explosion der Energiepreise, die gefährdete Versorgungssicherheit mit Gas, die hohen Lohnforderungen einiger Gewerkschaften, die drohende Stagnation unserer Volkswirtschaft, die steigenden Defizite der Krankenkassen und in der Pflegeversicherung, der Mangel an Fach- und sogar Hilfskräften auf dem Arbeitsmarkt sowie einiges mehr stehen auf der aktuellen Agenda, die von der Bundesregierung, den Arbeitgebern und Gewerkschaften zu bewältigen ist.

Erinnerung an Karl Schiller

Der Bundeskanzler hat sich deshalb an Karl Schiller, einst Bundeswirtschaftsminister im Kabinett von Willy Brandt erinnert. Die Bundesrepublik war damals in eine Wirtschaftskrise geraten – mit hohen Inflationsraten, schwachem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit. Karl Schiller holte alle wichtigen Akteure an einen Tisch in Bonn-Duisdorf: In einer konzertierten Aktion versuchte er eine Lösung der Probleme zu finden. Alle wichtigen Akteure wurden von ihm an den „Tisch der kollektiven Vernunft“ eingeladen. Ein jeder musste einen Beitrag leisten, um gemeinsam den Weg aus dem Krisental zu finden.

Drohende Preis-Lohn-Preis-Spirale

Was wenigstens zum Teil Ende der 60er Jahre durchaus erfolgreich war, soll nun neu aufgelegt werden, um die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren, um Firmen und Arbeitsplätze zu retten, um noch größere soziale Verwerfungen zu vermeiden. Eine besonders wichtige Rolle fällt dabei den Tarifpartnern zu. Die ersten Forderungen einiger Gewerkschaften sind gestellt worden; sie verlangen Lohn- und Gehaltserhöhungen von 7 Prozent und mehr, drohen mit Warnstreiks und längeren Arbeitskämpfen. Bei einer Geldentwertungsrate von 7 bis 8 Prozent blieben real kaum Zuwächse bei der Kaufkraft. Die Arbeitgeber warnen vor einem ökonomischen Absturz, der viele Arbeitsplätze mit in die Tiefe der Rezession reißen würde. Die „Konzertierte Aktion“ unter dem Dirigenten Olaf Scholz wird keinen Ersatz für die Lohn- und Gehaltsverhandlungen sein können, zumal alle auf die Tarifautonomie pochen. Mit leisen Tönen wird jedoch an die Vernunft der Sozialpartner appelliert werden, damit die Preis-Lohn-Spirale sich nicht noch schneller drehen wird.

Neue Wege in der Lohnpolitik

Einige Sozialpartner zeigen sich bereit, einen besonderen Weg in der Tarifpolitik zu beschreiten, nämlich zunächst einen Festbetrag für die Beschäftigten zu vereinbaren und später über weitere Prozente beim Lohn und Gehalt zu verhandeln. Manche Unternehmen, die trotz Corona, Lieferketten- und Energieversorgungsproblemen immer noch gute Erträge erzielen, werden durchaus bereit sein, einen solchen Weg zu gehen. Für zahlreiche Firmen, die inzwischen rote Zahlen verbuchen müssen und nicht selten um ihre Existenz kämpfen, wird es nahezu unmöglich sein, diese Partitur im Konzert mitzuspielen. Hinzu kommt, dass sich auch die Finanzierung mit Krediten wesentlich verteuert. Die Europäische Zentralbank (EZB) zieht bereits die Zinsschraube an und wird die Zinsen in der nächsten Zeit noch stärker erhöhen.

Die Politik könnte bei dem tarifpolitischen Weg, zunächst einen Festbetrag für die Arbeitnehmer und später ein weiteres Plus bei Löhnen und Gehältern zu vereinbaren, hilfreich sein, indem dieser Festbetrag für Bezieher unterer und mittlerer Einkommen steuerfrei und möglichst auch von Sozialabgaben befreit gestellt würde. Das wäre gewiss ein Nettoplus, mit dem viele einkommensschwächere Arbeitnehmer in den nächsten Monaten etwas besser über die Inflationshürde hinwegkommen könnten und die Preis-Lohn-Preis-Spirale abgebremst würde. Zugleich würde eine solche konzertierte Vereinbarung zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Sicherung von Arbeitsplätzen beitragen.

Kein Ausweg mit neuen Schulden

Die wirtschaftliche Globalsteuerung ist ohnehin nur über die Tarif- und Fiskalpolitik möglich. Der Bundesfinanzminister Lindner zeigt längst an, dass er in dem Bundeshaushalt für 2023 die Schuldenregel einhalten und die „schwarze Null“ erreichen will. Auch das ist ganz wichtig, um die Inflation abzubremsen. Allerdings wird dies nur mit großen Einsparungen und Streichungen – wie etwa bei den hohen Prämien für den Kauf von Elektroautos – möglich sein. Die „Konzertierte Aktion“ von Olaf Scholz wird nur erfolgreich, wenn er auch staatliche Hilfen anbieten wird. Besonders wichtig wären Entlastungen im Energiebereich, damit einkommensschwächere Haushalte ihre Gas- und Strom-Rechnungen in der Zukunft noch bezahlen können. So sollte die sogenannte Kalte Progression möglichst sofort ausgeglichen werden. Die Stromsteuer wäre zu verringern. Ebenso sollte die Energiepreispauschale auch Rentnern, Versorgungsempfängern, Studenten, jungen Eltern und Beziehern von Lohnersatzleistungen zugutekommen.

Gemeinsame Nenner für plurale Interessen finden!

Wunder sind von der Runde am 4. Juli, wenn Olaf Scholz die Repräsentanten der wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen zur „Konzertierten Aktion“ im Kanzleramt versammelt, nicht zu erwarten. Doch in dieser Zeit großer Krisen sind die gewaltigen Herausforderungen nur gemeinsam zu bewältigen. Gewiss lassen sich die pluralen Interessen und Vorstellungen nicht einfach auf einen gemeinsamen Nenner bringen, um alle Probleme zu lösen. Doch in Krisen – und Krisenzeiten müssen möglichst alle zusammenstehen und ein hohes Maß an Solidarität beweisen. Nur so wird sich unsere Demokratie als erfolgreich und überlegen beweisen, nur so werden wir gemeinsam Freiheit, Frieden und Wohlstand für alle sichern.

Weitere Runden der „Konzertierten Aktion“ werden gewiss notwendig. Es gilt, Verteilungskonflikte und Zerreißproben zu vermeiden.

Ohne Verständigung und ohne konzertante Aktionen würde es einen Scherbenhaufen geben, der nahezu allen in Wirtschaft und Gesellschaft bittere Verluste bescheren könnte.

Bildquelle: Frank Schwichtenberg, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

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Tags: Folgen der EnergiekriseG7-GipfelGlobalisierungKonzertierten AktionOlaf ScholzSicherheitspolitikStaatsschuldenWirtschaftspolitik
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