In der Politik herrscht eine eklatante Personalnot. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Großbritannien und in der Europäischen Union wird händeringend nach Neubesetzungen gesucht.
Die Konservativen in den USA freilich haben ihren Mann fürs Grobe schon, sprich: ihren Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr. Der Amtsinhaber will für eine zweite Amtszeit antreten. Nach dem Slogan „Make America great again“, lautet sein neuer Schlachtruf „Keep America great“. Mission erfüllt, soll das wohl heißen. In nicht einmal vier Jahren hat Donald Trump der eigenen Auslegung zufolge Amerika wieder groß gemacht. In weiteren vier Jahren will er dafür sorgen, dass es so bleibt.
Die Demokraten werden sich schwertun, dem nationalistischen Demagogen etwas entgegenzusetzen. Bevor sie alle Kräfte bündeln können, müssen sie sich auf den Herausforderer einigen. 21 Bewerber aus ihren Reihen wollen zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten nominiert werden, darunter sechs Frauen. Bis Anfang 2020 können sogar noch weitere hinzukommen. Sie kämpfen erst einmal gegeneinander – um landesweite Bekanntheit, innerparteiliche Unterstützer und Millionen an Spenden. Denn: Wer nicht genug Geld in der Kasse hat, dem geht beizeiten die Puste aus.
Ein recht stattliches Bewerberfeld gab es auch bei den britischen Konservativen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May. Zehn Torys trauten es sich zu, den Vorsitz der Partei und damit auch das Amt des Regierungschefs zu übernehmen, darunter nur zwei Frauen. Beide allerdings ohne Chancen. Ein bisschen wie im Kinderlied sortierte die Unterhausfraktion einen nach dem anderen aus, bis noch zwei Anwärter übrig sind. Zwischen diesen beiden haben nun die nach Parteiangaben rund 160.000 Mitglieder der Tory-Partei die Wahl.
Wahl ist allerdings zu viel gesagt, denn Boris Johnson und Jeremy Hunt sind gleichermaßen Brexit-Befürworter. Sie unterscheiden sich in Auftreten und Stil, haben aber für die Zukunft ihres Landes den gleichen irrwitzigen Plan: raus aus der EU. Johnson sagt, notfalls brachial zum 31. Oktober, Hunt spricht von Verhandlungen, wo es nichts mehr zu verhandeln gibt. Das Drama geht weiter, und der schreckliche Nigel Farage lacht sich mit seiner Brexit-Partei ins Fäustchen.
Wer in Europa zuletzt lacht, ist auch vier Wochen nach den Parlamentswahlen noch nicht erkennbar. Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf ihrem Gipfel wieder nicht auf einen Kandidaten für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker geeinigt. Ratspräsident Donald Tusk ist der Versuch missglückt, ein kompromissfähiges Personalpaket zu schnüren. Auch sein eigenes Amt, das des EU-Außenbeauftragten und das des Zentralbankchefs sind neu zu vergeben, und das will nach Parteien und Regionen wohl austariert sein.
An sich hatte das Europäische Parlament diesem Gekungel ein Ende setzen wollen. Mit den Spitzenkandidaten zur Europawahl sollte zugleich die Entscheidung über den Kommissionspräsidenten fallen. Doch dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron passt das nicht, und er hat einige Regierungschefs auf seine Seite gezogen.
Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Spitzenkandidaten der konservativen EVP, den CSU-Politiker Manfred Weber, dem schlicht das Format fehlt. Obwohl die Abgeordneten ein starkes Interesse daran haben, das Parlament durch die Wahl des Kommissionschefs aufzuwerten, kann Weber dort keine Mehrheit hinter sich bringen. Die Zeiten, in denen EVP und Sozialdemokraten die europäische Sache praktisch unter sich ausmachen konnten, sind vorbei. Die Situation ist verfahren, ein weiterer Gipfel soll sie lösen, bevor am 2. Juli das neugewählte Parlament zusammenkommt.
Große Mühen mit dem Personal haben auch die Parteien der Großen Koalition in Deutschland. Die CDU hat mit der Wahl von Annegret Kramp-Karrenbauer zur Parteivorsitzenden zügig die Weichen für die Zeit nach Angela Merkel stellen wollen, doch viele bereuen die Entscheidung schon und trauen der Saarländerin das Kanzleramt nicht mehr zu. So schnell kann es gehen, wie die SPD mit Martin Schulz und Andrea Nahles selbst erfahren hat. Die Sozialdemokraten haben den Parteivorsitz kommissarisch einem Dreierteam übertragen, aus dem nicht einer sich auch offiziell um die Nachfolge von Nahles bewirbt.
Die Parteien sind in keinem guten Zustand. Verkrustungen und Fehlentwicklungen im Inneren treten zu Tage, der Verlust von Glaubwürdigkeit und Vertrauen nach außen. Organisatorische und strukturelle Defizite müssen seit geraumer Zeit vorliegen, wo derart gravierende Blößen offenbar werden. Politikfähigkeit braucht Programmatik und Personen, die sie authentisch verkörpern. Haltung und Überzeugung. Strahlkraft und Einsatz. In Zeiten zunehmender Verunsicherung und drängender Zukunftsfragen mehr denn je. Dem Anspruch, Orientierung zu bieten und Wandel zu gestalten, können Parteien in diesem Zustand nicht gewachsen sein.
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„Die Parteien sind in keinem guten Zustand.“
So pauschal stimmt das nicht, denn immerhin gibt es in Deutschland eine Partei, die vor Kraft kaum laufen kann.
Könnte dies damit zu tun haben, dass die Medien die Illusion schüren, für das Problem des Klimawandels gebe es einfache, schnelle und radikale Lösungen – die man sich vor allem von dieser Partei erhofft?