TV-Debatte Trump-Biden 30.9.2020

So ein Duell braucht niemand

Was für ein widerliches Spektakel! Das erste direkte Aufeinandertreffen von US-Präsident Donald Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden war eine Zumutung für die Millionen an den heimischen Bildschirmen. Erbärmlich moderiert, geriet das TV-Duell zu einem abstoßenden Theater, das nicht im Geringsten als Werbung für die Demokratie taugte. Im Gegenteil, und das war leider nicht anders zu erwarten.

Wer Donald Trump in seinen bisher knapp vier Amtsjahren im Umgang mit der Öffentlichkeit erlebt hat, wie er Journalisten und den politischen Gegner abkanzelt, beleidigt, diffamiert, der durfte von diesem Auftritt nicht überrascht sein. Er hält sich nicht an Regeln, er lässt einen Dialog nicht zu, er bringt seinem Gegenüber keinerlei Respekt entgegen und nicht einmal ein Mindestmaß an Anstand und Fairness auf.
Die Rolle des Widerparts in dieser Schmierenkomödie ist undankbar. Joe Biden konnte allenfalls den charakterlichen Gegenentwurf repräsentieren, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlen, für eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung gab es in diesem Setting keine Chance. Das ist beileibe keine neue Kritik an dem Format, bei dem es nie sachlich und informativ zugeht, sondern in erster Linie unterhaltsam und quotenorientiert.

Mit politischer Bildung und demokratischem Wettstreit hat es wenig zu tun, wenn das Publikum nur darauf wartet, den einen oder anderen Duellanten straucheln zu sehen, bei einem Versprecher oder Aussetzer zu ertappen, ihn in die Enge getrieben oder triumphierend punkten zu sehen. Die Dramaturgie eines Duells gibt das vor und verlangt am Ende einen Sieger und einen Besiegten.

Das trägt nicht zur politischen Willensbildung bei, die ja ohnehin idealerweise eine permanente Informiertheit der Wählerschaft erfordert. In den letzten Wochen der Kampagne geht es vordringlich um das Mobilisieren der jeweils eigenen Anhängerschaft. Trump weiß, dass er als Flegel punktet. Er bricht bewusst Tabus, er lügt und hetzt und spaltet das Land. Er verachtet die Demokratie und die Demokraten.

Schamlos, wie er sich von den rechtsradikalen „Proud Boys“ nicht nur nicht distanziert, sondern sie auffordert, sich bereitzuhalten. Für was, sagt er nicht, aber zusammen mit seiner Weigerung, sich eindeutig zur Anerkennung der Wahl auch im Fall seiner Niederlage zu bekennen, ist das ein widerwärtiges Signal. Im Oktober soll es zwei weitere TV-Duelle zwischen Trump und Biden geben. Sie sind verzichtbar.

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Über  

Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


'So ein Duell braucht niemand' hat einen Kommentar

  1. 30. September 2020 @ 16:31 Gunther Thiele

    Liebe Petra, es stimmt alles was du schreibst, auf den Punkt. Aber es steht zu befürchte n, dass dieser total durchgeknallte, dekadente und spaltende Präsident zur Wiederwahl gelangt. Und das obwohl er die Normen des Präsidentenamtes laufend politisch und rechtlich demontiert und beschädigt. Obwohl er unfähig und gefährlich ist, bekommt er zu wenig Widerspruch im eigenen Land. Man muss Bedenken, die USA sind eine tief gespaltene Nation mit einer ca. 50-prozentigen Anhängerschaft für diesen schlimmen Dilettanten. Für mich unvorstellbar, wie er die Hälfte der Bevölkerung auf seine Seite ziehen kann. Aber dieses Phänomen gibt es in anderen Staaten ja fast zuhauf. Gelinde gesagt, hapert es bei vielen wohl an der gründlichen Meinungsbildung. Vielleicht gelingt es ja dem Lincoln Project, Trumps Wiederwahl zu verhindern. Dem Land und der Welt bliebe vieles erspart an Problemen und Krisen, die er allein verursacht. „Natürliche“ Probleme gibt es eh genug auf unserem Planeten. Und es ist dringend erforderlich, dass ein fähiger Präsident eines so bedeutenden Landes wie den Vereinigten Staaten mitarbeitet daran, die drängenden
    Herausforderungen anzugehen und zu lösen. Sachlich, zielführend, human miteinander kommunizieren, statt abschotten und spalten. Allein fehlt mir der Glaube, dass den Demokraten der Regierungswechsel gelingt. Und es bleibt abzuwarten, ob der schon betagte Joe Biden robust genug ist, den Hasstiraden seines unsäglichen Widersachers zu widerstehen. Zu wünschen wäre es ihm.. LG Gunther Thiele

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