Karin Fahrenkamp im Gespräch
Der Spiegeljournalist Veit Medick und der Autor Hans Wallow im Gespräch mit dem 1-Millionsten Mitglied der SPD, Karin Fahrenkamp.

SPD: Der Kurs stimmt nicht

Karin Fahrenkamp aus Mendig/Eifel, als 1-Millionstes Mitglied von Willy Brandt in die SPD aufgenommen worden, sieht die Partei in keinem guten Zustand.
Sie erwartet eine politische Zukunftsorientierung und mehr gelebte Solidarität von der Parteiführung.

„Für mich gibt es keine andere Partei als die SPD“ sagt Karin Fahrenkamp aus Mendig in der Eifel, die 1976 als 1 Millionstes Mitglied von Willy Brandt in die politische Willensbildungsgemeinschaft aufgenommen wurde. Der Spiegeljournalist Veit Medick und der ehemalige, für Mendig zuständige Abgeordnete Hans Wallow, heute auch Autor des „Blogs-der-Republik“ sprachen mit der 81jährigen über das Damals und Heute in der Politik.

Wenn die weißhaarige, wache Genossin über den langjährigen Vorsitzenden spricht, dann blüht sie auf. Sie beugt sich über die zahllosen Berichte, in denen die damalige Fahrt mit Willy Brandt im Sonderzug von vielen Journalisten beschrieben wurde, und sagt: „Dieser charismatische Mann „strahlte Hoffnung“ aus. Nicht nur für mich sondern auch für Millionen. Nach ihrer Auffassung waren es nicht nur die Visionen von einer gerechten und demokratischen Gesellschaft, mit der er vor allen die Jugend begeisterte, sondern auch sein glaubwürdiges Erscheinungsbild, durch das sich viele Menschen mit der Politik ganz allgemein, und der SPD, identifizieren konnten.

Fast eine Stunde lang fragte Willy Brandt die Mendigerin bei Kaffee und Kuchen aus. Er wollte genau wissen, warum sie in die SPD eingetreten sei. Dabei war die Antwort ganz einfach. sagte sie lächelnd „Ich kam aus einem sozial-demokratischen Elternhaus, in dem Solidarität noch gelebt wurde“. Ob es denn zwischen ihr und dem berühmten Mann geknistert hätte? Sie warf lachend den weißhaarigen Kopf zurück und gestand: „Ich gehörte wohl nicht in sein „Beuteschema“.

Obwohl das katholische Mendig in der Eifel ein steiniger Acker war, mischte sie sich ein, um etwas zu bewegen. Sie wurde nicht als „Quotenfrau“ in den Stadtrat gewählt, kümmerte sich in der Arbeiterwohlfahrt um Behinderte, amtierte als ehrenamtliche Richterin beim Landgericht in Koblenz.
Ob sie denn je in den 42 Jahren an Austritt gedacht habe, wie eine halbe Million Mitglieder vor ihr? Karin Fahrenkamp schüttelt energisch den Kopf und sagt bestimmt: „Ich ärgere mich immer mal wieder über meine Partei, aber Sozialdemokratin zu sein ist eine Art zu leben“. Wie sie die politische Zukunft einschätzt, wollen wir wissen? „Von Berlin käme nur Negatives“, so z.B. der Zank zwischen Sigmar Gabriel, dem damaligen Vorsitzenden, und der jetzt amtierenden Vorsitzenden Andrea Nahles. Das sei eine „Belastung“ für die aktive Basis in den Ortsvereinen und der Kommunalpolitik. Die Reparaturen am Sozialsystem sind dringend notwendig, sagt sie, aber kein Ersatz für eine konkrete Orientierung jenseits der Tagespolitik. Und die müsse dann auch mit einer personellen Erneuerung in der Öffentlichkeit glaubwürdig vertreten werden. Seit ich Mitglied in der Partei bin, sind die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher geworden. Die 81jährige, die gerne Journalistin geworden wäre, meint, „die Vermögensverteilung in Deutschland, ist skandalös. Deshalb kann ich die Enttäuschung vieler nachfühlen“. Schafft denn die amtierende Parteivorsitzende, die ja auch aus Mendig stammt, die notwendigen Reformen? Frau Fahrenkamp macht ein gequältes Gesicht und meint: „Dass Andrea Nahles aus meiner Heimat stammt, ist unwichtig. Sie hat sicher viele Fähigkeiten, aber ist nicht geeignet, das Erscheinungsbild der SPD in der Öffentlichkeit zu prägen. Auf einige in meinem Bekanntenkreis wirkt sie unsympathisch. Andrea hat leider keine Fans“. Hat denn die SPD noch Talente in Reserve? ist die Frage. Es müssten nicht immer die „ewigen Fernsehköpfe“ sein. Es gäbe zahlreiche Talente unter den Bürgermeistern oder Oberbürgermeistern, die das Vermächtnis von Willy Brandt „Mehr Demokratie zu wagen und Solidarität zu praktizieren“, erfüllen können. Auch mehr Wärme braucht das Land.

* Der Autor ist ehemaliges Mitglied des Bundestages und war Chef von Andrea Nahles.

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Über  

bekennender Westfale, Autor und Dozent, 3 Legislaturperioden Mitglied des Bundestages. Wohnhaft im damaligen Bonner Parlamentsviertel. Vorsitzender des Global Club e.V.


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