Der Verdacht klingt wahnsinnig, aber wir reden ja seit dem Angriff auf das Kapitol in Washington, ausgelöst durch den Einpeitscher Donald Trump im Weißen Haus, von der Tat von Wahnsinnigen. „Wären es Schwarze gewesen, hätte es deutlich mehr Opfer gegeben“, macht Ty Hobson-Powell, der für „Black Lives Matter“ auf die Straße ging, seinem Ärger, seiner Empörung über die während des Staatsstreichs kaum vorhandene Polizei Luft. In einem Interview mit „zeit.de“ äußert Hobson-Powell den Verdacht, der Anschlag und das merkwürdige Fernbleiben vieler Polizisten zeige, dass Weiße anders behandelt würden als Schwarze. Der Mann, der gegen Rassismus und Polizeigewalt kämpft, erinnert sich gut daran, als Donald Trump im Juni 2020 die Nationalgarde schickte, als er mit „Black Lives Matter“ vor dem Weißen Haus demonstrierte und mit Gummigeschossen und Tränengas beschossen wurde. Der Präsident, mit einer Bibel in der Hand, wollte sich den Weg quasi freischießen lassen, weil er einen Fototermin vor einer Kirche wahrnehmen wollte. Rassismus in den USA, er ist latent vorhanden, das mit dem „Melting Pot of People“, dem Schmelztiegel in den USA, bestehend aus Menschen aus aller Welt, das gibt es, aber was es nicht gibt, ist das gleiche Recht für alle. Martin Luther King hatte damals den Traum, der aber in Wirklichkeit nie erfüllt wurde, auch wenn mit Barack Obama erstmals ein Schwarzer Präsident der Vereinigten Staaten geworden war.
Sie wollten im letzten Sommer für ihre Grundrechte demonstrieren, erläutert Hobson.Powell die Motive ihres Protestes. Dieses Grundrecht ist verbrieft in der Verfassung der USA. „Wenn ich das jetzt gegenüberstelle,“ so Hobson-Powell im Interview weiter, „wie die Polizei auf meine Kolleginnen und Kollegen reagiert hat und wie auf eine Truppe weißer Trump-Anhänger, die ohne Maske das Kapitol stürmen, während der Senat tagte, ist das sehr frustrierend.“ Und der Mann von „Black Lives Matter“ setzt noch einen drauf: „Ich bin überzeugt: Wären das am Mittwoch Schwarze Menschen gewesen, hätte es deutlich mehr Opfer und Festnahmen gegeben. Sie hätten es wahrscheinlich gar nicht erst bis ins Gebäude geschafft. Schwarze Menschen werden noch immer ganz anders von der Polizei kontrolliert und behandelt als weiße. Das ist am Mittwoch wieder deutlich geworden.“
Selfies von Polizisten mit Trump-Anhängern
Dass etwas passieren würde, war vielen Journalisten in Washington ebenso klar wie es Politikern klar sein musste, weil Trump den Mob entsprechend mit seinen Lügen über den Wahlbetrug versorgt und sie in seinem Sinne aufgeputscht hatte. Der Präsident hatte nicht, wie es seine Aufgabe gewesen wäre, die Leute zu beruhigen versucht, er hatte die Proteste hochgeschaukelt und auf Twitter für sie geworben. Der Angriff auf das Kapitol kam also nicht überraschend, und dennoch waren von den sonst 2000 Einsatzkräften am Kapitol nur einige wenige am Ort, den zu schützen ihre Aufgabe ist. Und Beobachter wollen gesehen haben, dass diese wenigen Polizisten sogar teils den Weg freigemacht hätten für die teils rechtsextremen und gewaltbereiten Trump-Anhänger, die sogar Selfies mit den Polizisten gemacht hätten, so Hobson-Powell zu „zeit.de“.
Die Anzeichen für eine Eskalation der Gewalt waren seit Wochen vorhanden, berichten Beobachter. Der Verdacht liegt nahe, dass die Abwesenheit so vieler Polizisten absichtlich gewesen sein könnte, dass es Komplizen von Trump-Anhängern unter den Polizisten geben könnte. Und Rassismus-Vorwürfe gegen die Polizei hat es in den USA immer wieder gegeben. Man erinnert sich an den Fall von George Floyd, der minutenlang von einem Polizisten am Boden liegend mit dem Knie am Hals um Atem rang, bis er starb. Es gab große Proteste in Amerika, der künftige Präsident Joe Biden besuchte die Familie des Opfers und äußerte sein Mitgefühl, Amtsinhaber Trump dagegen lobte den Einsatz der Polizei.
Feldzug gegen Joe Biden
„Feindliche Besatzungsmacht im Herzen der Nation“, so der Titel eines Beitrags der Guardian-Journalistin Rebecca Solnit, der in der IPG(Internationale Politik und Gesellschaft) der Friedrich-Ebert-Stiftung erschienen ist.Der Putschversuch gegen Biden, so die Journalistin, sei Teil eines Feldzugs, der darauf abziele, der neuen Regierung die Legitimität abzusprechen und sie so zu schwächen. Seit Jahren werde der Zorn weißer Männer von vielen Seiten geschürt, von Trump persönlich wie von National Rifle Association, Fox News und anderen rechten Experten, von der Republikanischen Partei wie von rechtsextremen Gruppierungen wie den „Proud Boys“. Dieser Zorn richte sich dagegen, dass andere Menschen vor dem Gesetz gleich sein könnten, dass Frauen und Menschen mit anderer Hautfarbe Regierungsämter übernehmen könnten, wenn man anfange, die Macht gerechter zu verteilen. Aus diesem Zorn heraus sei früher versucht worden, die Legitimität eines schwarzen Präsidenten zu untergraben(gemeint Obama), indem man seine Herkunft angezweifelt und seine Politik blockiert habe.Es sei ein Zorn, der sich gegen Gleichberechtigung richte.
Die Autorin des zitierten Artikels wirft Republikanern vor, sich über Recht und Gesetz hinwegzusetzen. Ein führender Republikaner habe erklärt: „Denkt daran, wir sind die Partei von Recht und Ordnung.“ Und Recht und Ordnung bedeuteten für diese Leute, dass die Rechten das Gesetz sind und den anderen ihre Art von Ordnung aufzwingen müssten. Ihr Motto sei: „Ich bestimme die Regeln und ihr befolgt sie. Ich ändere die Regeln, wie ich es für richtig halte. Und ich bestrafe, weil ich die Macht dazu habe“. Insofern seien die Trump-Anhänger der Meinung, ihr Anführer und sie selbst stünden über dem Gesetz und hätten das Recht, diesem Gesetz auf der Basis irgendwelcher Fakten, die ihnen am besten in den Kram passten, nach Belieben Geltung zu verschaffen. Was auch bedeutet, dass sie eben Trumps-Lügen für die Wahrheit halten und den Sieg von Biden für einen Betrug, gegen den es zu kämpfen gelte.
Demütigungen auch für Obama
Dass Schwarze in den USA auch heute noch mit Demütigungen und Diskriminierungen zu leben haben, kann man in der umfassenden Auto-Biographie von Barack Obama nachlesen. Als es zwischen einem Schwarzen Professor und einem Polizisten zu einem verbalen Zusammenstoß kommt, weil der Polizist von dem Professor auf dessen eigenem Grund und Boden seinen Ausweis verlangt, was der Professor ablehnt und dem Polizisten später Rassismus vorhält, erinnert sich Obama an all die Erlebnisse aus seiner Jugend und Studentenzeit. Daran, „dass selbst höchste Leistungen eines Schwarzen und die entgegenkommendste weiße Umgebung-in der wohnte der erwähnte Professor- dem Schatten unserer ethnischen Geschichte nicht entgehen konnten.“ Und dann lässt er kurz eigene Erlebnisse Revue passieren, als er mehrfach nach seinem Studentenausweis gefragt worden sei, wenn er auf dem Weg zur Bibliothek auf dem Campus der Columbia Universität gewesen sei, was seinen weißen Kommilitonen nie pasiert wäre. Er habe grundlose Verkehrskontrollen über sich ergehen lassen müssen, „wenn ich gewisse gute Gegenden in Chicago besucht hatte.“ Er schildert in dem Buch, das ich gerade lese, „“wie mir bei den Weihnachtseinkäufen Sicherheitspersonal des Kaufhauses gefolgt war. Das Klicken von Türverriegelungen, wenn ich am helligten Tag in Anzug und Krawatte an Autos vorbeigegangen war.“ Augenblicke wie diese, erzählt der Mann, der es bis zum Präsidenten gebracht hat, „waren für Schwarze Freunde, Bekannte, Leute im Friseurgeschäft Routine.“ Und weiter kann man erfahren: „War man arm, gehörte zur Arbeiterschicht, lebte in einer weniger noblen Gegend oder gab nicht hinreichend zu erkennen, dass man ein respektabler Schwarzer Mann war, waren die Geschichten für gewöhnlich schlimmer.“
Das Schwingen der Rassismus-Keule, wie Obama das in seinem Buch „Ein verheißenes Land“ nennt, ist aber nicht das Thema seines Buches, es klingt nur an, dass die Hautfarbe in den USA immer noch eine große Rolle spielt. Aber sie wird umso wichtiger in bestimmten Kreisen, wenn ein Präsident wie Trump alles dafür tut, dass die Weißen das Gefühl bekommen, sie müssten sich ihre Rechte, die sie von Natur, gemeint der Hautfarbe her hätten, notfalls mit Gewalt zurückholen. Auf die Ereignisse am Kapitol gemünzt könnte man zugespitzt sagen : „Weiße Rechtsradikale können das Kapitol stürmen, ohne dass die Polizei auf sie schießt.Schwarze dürfen in der Nähe von Polizei nicht einmal einen Gegenstand in der Hand halten, der auch nur im Allerferntesten für eine Waffe gehalten werden könnte, ohne zu riskieren, erschossen zu werden. “ Sagt der Mann von „Black Lives Matter“ im Gespräch mit „zeit.de“. Black Lives Matter heißt: Auch Schwarze Leben zählen. Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die aber ganz offensichtlich nicht für alle gelten. Der neue und bald im Amt sich befindende Präsident Joe Biden hat angekündigt, sich u.a. der Geschichte der Sklaverei zu widmen und dafür sorgen zu wollen, dass es der arbeitenden Bevölkerung Amerikas besser gehe. Rechnet man die Spaltung des riesigen Landes dazu, um die er sich kümmern muss, und das verloren gegangene Image der Vereinigten Staaten in der Welt, so scheint die Amtszeit von vier Jahren viel zu kurz, um diese Herkules-Aufgabe stemmen zu können.
Black Lives Matter bei zeit.de/zett: Wären es Schwarze gewesen, hätte es deutlich mehr Opfer gegeben.
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