fridays for future

Wenn Schüler demonstrieren

Wenn Schüler demonstrieren und dies für ein richtig gutes Thema, ist das doch prima. Gut, sie schwänzen deshalb die Schule. Hätten wir das nicht damals auch getan, wenn es entsprechende Demos gegeben hätte? Sie gab es nicht, die Zeiten waren andere und die Probleme auch. Es kam damals niemand auf die Idee, zu demonstrieren.  Aber wie kommt jemand heute dazu, von oben herab, von der Position eines FDP-Vorsitzenden namens Lindner dazu, sich intellektuell darüber zu erheben?! Das wirkt schon komisch, wenn ein Bundestagsabgeordneter wie der FDP-Chef, der dazu noch jung an Jahren ist, den jungen Leuten im Grunde das Recht abspricht, gegen etwas zu demonstrieren, was sie nicht verstehen. Wir können doch eigentlich froh sein, dass so viele Jugendliche für einen besseren Klimaschutz protestieren. Warum denn nicht?

Gut, die Sache kam ziemlich spontan über Deutschland, dazu noch von einer jungen Schwedin initiiert. Man muss Greta Thunberg deswegen nicht gleich für irgendeinen Nobelpreis vorschlagen. Und schon gar nicht sollte man auf die Idee kommen, sie etwa mit einem wie Mandela zu vergleichen, irgendwo habe ich davon gelesen. Freunde, lasst die Tassen im Schrank, hatte zu einem anderen Thema mal vor über 40 Jahren ein sehr bekannter und sehr guter Minister Prof. Schiller seine Genossinnen und Genossen von der SPD aufgefordert.  Also bleibt bitte auf dem Teppich.

Ein wichtiges Problem

Aber dass die Schülerinnen und Schüler ein wichtiges Problem angeschnitten haben und dafür sorgen, dass darüber diskutiert wird und zwar weltweit, ist doch nur zu begrüßen. Allein in Deutschland waren für diesen Freitag Kundgebungen in 30 Städten angemeldet. Ja, es stimmt, aber in noch mehr Städten finden keine Demos statt. Dennoch:  „Fridays for Future“ ist in aller Munde. Dass die junge Schwedin mit einer Aussage zu Atomkraft aneckte, ja und? Die 16jährige hat aus dem UNO-Weltklimarat (IPCC) zitiert, wonach Kernenergie Teil einer kohlenstofffreien Energie-Lösung sein könne. Das stimmt im übrigen. Und später hat sie ihren Facebook-Eintrag um den Zusatz erweitert, dass sie persönlich gegen Atomkraft sei.

Viel wichtiger ist, wie wir künftig mit dem Thema umgehen. Das Problem ist anders, als es der amerikanische Präsident Trump in seiner bekannt tumben Art ignoriert, es ist präsent und nicht zu leugnen. Und es wird noch da sein, wenn die meisten den Namen des amtierenden US-Präsidenten längst vergessen haben. Die Umwelt wird verseucht und wenn wir nicht aufhören damit, machen wir die Erde kaputt, nehmen wir den nachfolgenden Generationen die Luft zum atmen, das Wasser zum trinken. Dass Jugendliche sich um ihre Zukunft sorgen, kann doch niemanden verwundern. Sie wollen leben.

Wir diskutieren darüber, ob es richtig ist, dass diese Demos während der Unterrichtszeit stattfinden. Lehrer fragen sich, wie sie darauf reagieren sollen, wenn Klassenräume  zu bestimmten Zeiten leer bleiben.  Es gibt eine Schulpflicht, Lehrer haben eine Aufsichtspflicht. Schülerinnen und Schüler dürfen nicht einfach während der Schulstunden die Schule verlassen, um irgendwo für was auch immer zu demonstrieren. Das ist nicht lächerlich, sondern zu beachten. Wer haftet denn, wenn irgendwas passiert? Was meinen Sie, wie Eltern mit ihren Anwälten vor Gericht ziehen würden, um Schulleiter und Lehrer zu verklagen, wenn ihren Kindern während der Schulzeit außerhalb der Schulgebäude etwas zustösst?! Und kann man die Schulpflicht einfach zur Disposition stellen? Wer soll das tun, wer darf das?

Zur Zeit demonstrieren Jugendliche für einen besseren Klimaschutz. Aber was passiert, wenn die Schülerinnen und Schüler noch weitere Themen entdecken, für die zu demonstrieren sich lohnt. Diese Fragen stellen sich viele Lehrer, weil sie sich allein gelassen fühlen. Wie zum Beispiel der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Gymnasialdirektor, Heinz-Peter Meidinger(64) aus Deggendorf in Niederbayern, dem Tor zum Bayerischen Wald. Er vermisst eine klare Ansage des Kultusministers, wie er in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“  beklagt. Den Politik-Lehrer, der er ist, freue es, wenn das Interesse am Fach Politik, das die Schüler in der Vergangenheit nicht so sexy empfunden hätten, steige. Es sei super, wenn sie aktiv würden, aber man dürfe die Schulpflicht nicht einfach zur Disposition stellen. Und es stimmt ja: Heute wird für Klimaschutz demonstriert und morgen vielleicht für Abrüstung. Und was passiert, fragt Schuldirektor Meidinger, wenn AfD-nahe Eltern auf der Matte stehen, „die ihre Kinder für Proteste gegen Überfremdung befreien wollen?“

Politik lässt Schulen allein

Meidinger kritisiert die Kanzlerin Angela Merkel, die das Kunststück vollführe, als Hauptverantwortliche für die Klimapolitik den Schülern zu applaudieren, als hätte sie mit der jetzigen Situation nichts zu tun. Und der Lehrer Meidinger knöpft sich genauso die Grünen-Chefin Annalena Baerbock vor, die die Schulen auffordere, beide Augen zuzudrücken. Wörtlich fordert der Pädagoge: „Wie soll das weitergehen? Der INF-Vertrag ist aufgelöst, kommen bald Demos gegen Nachrüstung am  Thursday for Peace“? Er hat doch Recht, weil die Politik die Schulen mit einem hochpolitischen Problem allein lasse.

Aufschlussreich, was der Schuldirektor  aus seiner Studienzeit zum Besten gibt und im SZ-Interview erzählt, wie er an der Uni Regensburg einen Rückmeldeboykott mitorganisiert habe. Das Ziel sei gewesen, die geplanten Semestergebühren von 600 D-Mark zu verhindern, was gelungen sei. Die 68er werden sich erinnern, wie sie gegen Vietnam auf die Straße gingen, wie sie gegen die geplanten Notstandsgesetze der Großen Koalition unter Kanzler Kiesinger und seinem Vize Willy Brandt protestierten, damals flogen die Fetzen. Eine ganze Generation wurde politisiert, geschadet hat es der noch jungen Bundesrepublik nicht. Und wird nicht eine zunehmende Entpolitisierung der jungen Deutschen, angeblich fehlendes Interesse an der Politik beklagt? Der Gymnasialdirektor aus Deggendorf Heinz-Peter Meidinger jedenfalls verbindet  mit den jetzigen Demonstrationen eine Hoffnung. Man müsse von den Diskussionen über Schulschwänzen wegkommen und mit den Jugendlichen konkret debattieren, wie man einem verstärkten Klimaschutz näherkomme. Ändern werde sich nur etwas, wenn Schüler politisch aktiv würden, in Initiativen, Verbänden, Parteien. Und die brauchen junge Leute. Politische Talente gebe es unter den Klima-Demonstranten bei Friday-for-Future viele. Sein Fazit lässt aufhorchen: „Erfolgversprechend ist nur der Marsch durch die Institutionen“. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Man frage die 68er und alle die, die in den 60er Jahren studiert haben. Zum Beispiel Gerhard Schröder. Der ist später Kanzler geworden. Tausende strömten in die Parteien, die SPD zählte in den 70er Jahren eine Million Mitglieder.

Bildquelle: Wikipedia, C.Suthorn, cropped by Frida Eddy Prober 2019, gemeinfrei

 

Teilen Sie diesen Artikel:
Keine wichtigen Nachrichten mehr verpassen!


arbeitete als stellvertretender Chefredakteur und Berliner Chefkorrespondent für die WAZ. 2009 gründete Pieper den Blog "Wir in NRW". Heute ist er Chefredakteur des Blogs der Republik.


'Wenn Schüler demonstrieren' hat keine Kommentare

Als erste/r kommentieren

Möchten Sie Ihre Gedanken teilen?

Ihre E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht