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75 Jahre CDU- auf eine Feier wird verzichtet

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
27. Juni 2020
Gründungsaufruf der CDU am 26. Juni 1945 in Berlin

Gründungsaufruf der CDU am 26. Juni 1945 in Berlin

Natürlich ist es eine Erfolgsgeschichte, wenn man auf die 75 Jahre schaut, die die CDU nun hinter sich hat. Auf den Trümmern des Nazi-Reiches geboren, in den Ruinen eines von den Alliierten befreiten und geteilten Deutschlands entstanden, in einer Zeit, da viele, sehr viele nichts hatten und kaum jemand wusste, wovon er morgen leben würde, geschweige denn eine Zukunft für sich und Millionen anderer Deutscher sähe. Auch die Moral lag am Boden, der millionenfache Mord an Juden, der Vernichtungskrieg gegen Polen und die Sowjetunion sind nur Teile aus der Verbrechensgeschichte von 1933 bis 1945. Und doch kam in diesem Chaos am 26. Juni 1945 eine Union zustande, die diese Republik wesentlich geprägt hat.

Es gäbe Gründe, das Datum des 75.jährigen Jubiläums zu feiern, aber Corona lässt das wie andere Festivitäten in anderen Gesellschaftsbereichen nicht zu. Dennoch, die CDU, die Christlich-Demokratische Union ist die einzige verbliebene Volkspartei in der Republik, in Umfragen hat sie wieder Höhen erreicht, die an die alte Macht der Adenauers und Kohls und Merkels erinnern. Was aber keine Gewissheit ist, man sieht das an der Lage des einstigen Konkurrenten um die Macht, an der SPD, die Mühe hat, sogar den zweiten Platz im politischen Ranking gegenüber den aufstrebenden Grünen zu ergattern. Nichts ist sicher in diesen Zeiten, auch nicht, dass dies so bliebe, wie es sich in der momentanen Stimmungslage gerade für die CDU darstellt.

Westbindung, soziale Marktwirtschaft, Wiederbewaffnung, Einheit, Euro, Energiewende- an allem war diese CDU maßgeblich beteiligt. Sie hatte oft genug zur richtigen Zeit den richtigen Kompass und traf die Stimmung der meisten Deutschen. Zimperlich ging sie dabei mit ihren Grundzügen oder Grundlagen nicht gerade um. Vorrang hatte für sie stets das Regieren. In der Opposition war sie gnadenlos und lehnte die dringend notwendige Aussöhnungs-Politik von Willy Brandt gegeben dem Osten einfach ab. Unvergessen auch die üble Kampagne der Christemokraten gegenüber dem SPD-Kanzler, für die sich CDU-Generalsekretär Heiner Geißler später entschuldigte.

Anders als die SPD entwickelte die CDU eine Liebe zum Konsens, in den sie möglichst viele einband, Konservative, Katholiken, Protestanten, Arbeitgeber, Arbeitnehmer. Sie schaffte es, viele Strömungen in der Partei zu integrieren, das Extreme lehnte sie ab. Pragmatisch gestalteten die Kanzler der CDU die Politik über Jahrzehnte und stellte dabei viele Weichen. Pragmatisch wie die CDU war, löste sie aber auch einen wie Ludwig Erhard ab, weil der als Kanzler keine Wahllokomotive mehr war. Und Jahrzehnte später erklärte eine Angela Merkel über einen Gastbeitrag in der FAZ die politische Ära von Helmut Kohl für beendet. Auch das gehört zur CDU-Geschichte wie auch das Schmieden einer Allianz für Deutschland durch Helmut Kohl 1990, als er einfach einstige DDR-Blockflöten-Parteien in die CDU übernahm, um die erste Einheits-Wahl zu gewinnen. Die SPD hatte sich zur selben Zeit von der SED distanziert und verlor haushoch.

Hans Globke und die Rassegesetze

Man denke nur an die Anfänge. Der erste Kanzler Konrad Adenauer packte die Dinge pragmatisch an. Die Nazis hatten ihn zwar als OB von Köln abgesägt, später musste er sich hinter den Mauern des Klosters Maria Laach verbergen- und dennoch fiel bei der Suche nach einem Chef des Kanzleramtes seine Wahl auf Hans Globke, kein unbeschriebenes Blatt in der NS-Zeit. Globke war  Mitverfasser des wichtigsten Kommentars zu den Nürnberger Rassegesetzen, er legte fest, wer wann Jude war und damit verfolgt werden durfte. Zur Verteidigung seiner Personalpolitik sagte der „Alte“ aus Rhöndorf in der ihm eigenen rheinischen Art: „Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat.“ In den 50er Jahren versuchte Adenauer manche Debatte über die braune Vergangenheit wegzudrücken, er wollte den Dreck einfach unter einen Teppich kehren.

Konrad Adenauer schaffte es mit seiner Raffinesse, die Sehnsucht vieler Deutscher nach Frieden und Normalität zu befrieden, eine Auseinandersetzung über die Verbrechen der Nazis und die Verwicklung von Milionen Deutschen mit dem braunen Mörder-Regime fand nicht statt. Die Auschwitz-Prozesse gab es erst Mitte der 60er Jahre. Vielen Deutschen, so scheint es noch heute, war es gerade recht, dass sie nicht dauernd an die schlimme NS-Zeit erinnert wurden. Und als Adenauer Mitte der 50er Jahre nach Moskau fuhr und erreichte, dass die letzten Zehntausend Soldaten aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft freigelassen wurden, führte das wenige  Jahre später zur absoluten Mehrheit der Union bei der Bundestagswahl 1958.

„Folgt unserem Ruf zu einer großen Partei“, lautete der Gründungsaufruf 1945, wenige Wochen nach der Kapitulation. Und man forderte alle Sympathisanten und Freunde dazu auf, sich „auf die sittlichen und geistigen Kräfte des Christentums zu besinnen.“ Dass man sich später damit nicht mehr näher befasste, weil man regieren wollte und anderes zu tun hatte, gehörte und gehört immer noch  zum pragmatischen Denken vieler Christdemokraten, das sie mehr als alle ihre Konkurrenten um die Macht auszeichnet. Die SPD quälte sich oft genug mit Fragen herum, während die Union einfach regierte und Erfolge über Erfolge errang. Man kann auch sagen, dass die Sozialdemokraten sich oft genug selbst im Weg standen. Sie waren nie zufrieden, egal, ob sie regierten oder in der Opposition waren. Auch in der aktuellen Groko sieht es ja so aus, dass die SPD zwar wie in den zurückliegenden Jahren mit Angela Merkel regiert und dabei oft genug auch Erfolge feiern konnte, aber SPD-Teile sorgen mit ihrer Kritik an der Groko zugleich dafür, dass auch gegen die eigenen Minister opponiert wird. Eine solche Politik von Regieren und Opponieren in einer Partei öffentlich darzustellen, ist nicht einfach.

Fünf Kanzler, sechs Präsidenten

Fünf der bisher acht Bundeskanzler kommen aus den Reihen der CDU: Konrad Adenauer, Ludwig Erhard,  ihm folgte Kurt-Georg Kiesinger, der NSDAP-Mitglied gewesen war und dennoch Ministerpräsident in Baden-Württemberg wurde wie später auch ein gewisser Hans Filbinger.  Dann verlor man die Macht an die SPD. 1982 begann die Kanzlerzeit von Helmut Kohl, der es blieb bis 1998, er wurde abgelöst von Gerhard Schröder(SPD) und sieben Jahre später begann die Regierungszeit von Angela Merkel. Man sieht die langen Linien bei Adenauer, Kohl und Merkel.  Oder nehmen wir die Bundespräsidenten: sechs der zwölf Bundespräsidenten waren Mitglieder der Union, darunter Richard von Weizsäcker. Anderes Beispiel: die Bundestagswahlen. Bei 16 von 19 Abstimmungen wurde die CDU zusammen mit ihrer bayerischen Schwester, der CSU, stärkste Kraft.

Dass diese Erfolge das Selbstbewusstsein von Christdemokraten gesteigert haben, liegt auf der Hand. Sie sehen sich oft in der Pole-Position und zwar selbstverständlich. Ihr Auftreten ist geprägt von Stolz, in der CDU zu sein. Die Ungewissheiten, die von SPD-Seite nach außen getragen werden, sind ihnen zumeist fremd. Die Pfeiler des deutschen Staatsverständnisses sind halt Werke von Christdemokraten, von Adenauer, von Erhard, Kohl, Merkel.

Die CDU lebt von der Kraft des Regierens, sie ist eine typische Regierungspartei. Verliert sie einmal die Macht, wie das in ihren einstigen Stammlanden Rheinland-Pfalz-Heimat von Helmut Kohl- und Baden-Württemberg geschehen ist, verliert sie regional die Orientierung. Das zeigt aber auch, dass trotz einer gewissen Geschlossenheit und dem Hang zur Integration möglichst vieler Strömungen auch die Union nicht frei ist von der Gefahr einer Zerrissenheit oder von inneren Widerständen. Kohl konnte diese Risse viele Jahre mit seiner Präsenz zudecken, seinem Machtwillen, Angela Merkel gelang das bei der Debatte über die Integration von Flüchtlingen nicht wie gewünscht. Dass die AfD in allen Parlamenten sitzt, ist auch ein Ergebnis ihrer Politik.

Es fehlen Frauen und junge Mitglieder

Ob die Union weiter die Kraft zur Integration neuer Gruppen aufbringt, ob ihr die Grünen mit ihrer Öffnung zur Mitte nicht Wählerinnen und Wähler abwerben, wird man sehen, wenn Merkels letztes Jahr als Kanzlerin zu Ende geht,  trotz Merkel, trotz Annegret Kramp-Karrenbauer, trotz Ursula von der Leyen sind zum Beispiel die Frauen immer noch unterrepräsentiert in der Partei. Der Anteil der Frauen liegt seit Jahren unverändert bei rund 25 Prozent. Und auch bei den Jungen ist die CDU nicht d i e Führungspartei. Der Altersdurchschnitt liegt bei 60 Jahren.  Friday-for-Future ist eine junge internationale Bewegung- ohne CDU-Beteiligung.

Die Zukunft der CDU? Wer auf die Anfänge der Partei vor 75 Jahren schaut, dem muss nicht bange werden. Andererseits ist die Führungsfrage nicht beantwortet. Vorübergehend hatte Merkel diese einer Frau aus dem Saarland anvertraut, aber Annegret Kramp-Karrenbauer musste schnell erkennen, dass es nicht so leicht ist, Merkel als CDU-Chefin abzulösen und zugleich mit der Kanzlerin Merkel weiter zusammenzuarbeiten. Die CDU-Kandidaten für die Nachfolge Merkels im Adenauer-Haus in Berlin und damit für die Kanzlerkandidatur der Union wirken wenig überzeugend, das zeigt ja die gelegentlich aufkommende Debatte, ob Merkel nicht doch noch eine Legislaturperiode dranhängt. Sie hat das öffentlich verneint mit den Worten: „Nein, wirklich nicht.“ Und doch wird darüber geredet, weil der eine aus der Fraktion, Norbert Röttgen, eher ein Mann für den Austausch außenpolitischer Gedanken ist denn ein Machtpolitiker, der die ganze Union vertritt mit ihrer ihr offensichtlich angeborenen Kraft zur Integration. Nein, Röttgen ist ein Mann ohne Hausmacht, ohne Truppen, wie das der Berliner „Tagesspiegel“ geschrieben hat, ein Einzelgänger. Der andere kommt aus der Vergangenheit und hat seine politische Zukunft eigentlich schon seit Jahren hinter sich: Friedrich Merz, ein Freund der Wirtschaft. Und der dritte im Bunde, ebenfalls aus NRW, der Landesvorsitzende und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet scheint sich in der Corona-Krise übernommen zu haben. Dass ausgerechnet ein CSU-Mann, Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, ins Rennen gehen könnte um die Kanzlerschaft, schien vor Wochen noch ausgeschlossen. Dass Söder in den Umfragen die höchsten Werte hat, ist schön für ihn. Nur, Meinungsumfragen geben Stimmungen wider, sie sind noch keine Stimmen. Söder könnte stolpern, Corona und die Folgen ihn einholen.

Also doch Armin Laschet, wieder mal ein Rheinländer, wie 1945 Konrad Adenauer? Wichtiger ist die Frage, die der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak gestellt hat: „Die Zukunft der CDU wird sich daran entscheiden, ob wir den Charakter einer Volkspartei behalten oder ob wir Klientelpartei werden.“ Ich denke, die SPD wäre froh, wenn sie die Probleme der CDU hätte.

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Tags: 75 Jahre CDUArmin LaschetCDUFührungsdiskussion 2020Gründung der CDU 1945KanzelerparteiKanzlerwahlvereinKonrad AdenauerParteigeschichte
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