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Wohlstand nur noch für wenige?

Friedhelm Ost Von Friedhelm Ost
27. August 2022
Ludwig Erhard

Seit über 70 Jahren wurde landauf, landab der Vater der Sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, mit seiner Zielvorstellung „Wohlstand für alle“ zitiert. Die Bundesrepublik Deutschland verzeichnete in den vergangenen Jahrzehnten – mit nur kurzen Unterbrechungen – große wirtschaftliche Erfolge. Unternehmer und Arbeitnehmer erarbeiteten Jahr für Jahr ein höheres Bruttoinlandsprodukt und damit wachsenden Wohlstand. Arbeitgeber und Gewerkschaften einigten sich zumeist als Tarifpartner über die angemessene Verteilung der Zuwächse. Löhne und Gehälter wurden erhöht – nicht nur nominal, sondern fast immer auch real. Der Staat forderte seinen Anteil, um wichtige Aufgaben zu erfüllen. Die Staatsquote ist angestiegen, die Steuerlast und Sozialabgaben wurden kräftig erhöht.

Heißer Krieg in der Ukraine

Schlagartig hat sich das alles mit dem Putin-Krieg gegen die Ukraine verändert. Der Kremlherrscher legt seit nunmehr schon 6 Monaten nicht nur ukrainische Städte in Schutt und Asche, seine Truppen ziehen mordend durch das Land und schrecken vor Verbrechen gegen das Völkerrecht nicht zurück. Zugleich will der selbsternannte Kreml-Zar Wladimir seine westlichen Nachbarn in Europa in Angst und Schrecken versetzen. Dazu führt er einen Energiekrieg vor allem gegen die Länder, die lange Zeit auf die Verlässlichkeit der Lieferungen aus der Sowjetunion und seit Anfang der 90er Jahre insbesondere auch auf die Russlands vertraut haben. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob viele Regierungen im Westen zu blauäugig waren oder ob sie auf Wandel durch Handel und damit auf friedliche Beziehungen zu Moskau setzten.

Jetzt geht es darum, die Folgen zu meistern, die sich durch die Aggression Putins ergeben haben. Vor allem gilt es, die Ukraine in ihrem Kampf gegen die russischen Angreifer massiv zu unterstützen. Putin darf nicht siegen, das muss unser aller Interesse sein. Denn wenn die Ukraine fällt, wird das vom Kriegsherrn aus dem Kreml nur als erster Erfolg verbucht, dem dann weitere kriegerische Angriffe auf Estland, Lettland, Litauen sowie auch auf weitere Länder folgen könnten. Die Solidarität der EU, die Standfestigkeit und die Kampfkraft der NATO sind deshalb so wichtig, wie in den Zeiten des Kalten Krieges. Die Zeit der großen Gewinne, die auch wir als Friedensdividende drei Jahrzehnte lang verbuchten, sind jetzt endgültig vorbei; vielmehr müssen hohe Beträge für unsere äußere Sicherheit investiert werden.

Gaskrieg mit bitteren Folgen

Die Zeiten sicherer und kostengünstiger Energielieferungen aus Russland sind vorüber. Es muss insbesondere mit einem üblen Drehen am Gashahn durch Putin gerechnet werden. Damit will er auch hierzulande Angst und Schrecken verbreiten, vor allem die Solidarität der Menschen schwächen oder gar zerstören. Die Konsequenzen geringerer Gaslieferungen aus Russland stellen alle vor gewaltige Herausforderungen, die wir jedoch meistern können und müssen. Die Explosion der Gaspreise sollte mit zielgenauen Entlastungspaketen bewältigt werden. Dabei muss in erster Linie denen finanziell geholfen werden, die mit ihrem Einkommen die exorbitanten Preissteigerungen nicht mehr bezahlen können. Ältere Menschen mit relativ niedrigen Renten, Alleinerziehende und Familien mit geringen Einkommen müssen vom Staat und unserer Solidargemeinschaft so unterstützt werden, dass sie keine Angst vor den Vorauszahlungen und Abrechnungen für ihren Gas- und Stromverbrauch haben. Niemand darf dabei allein gelassen werden. Wichtig ist deshalb, eine längerfristige Strategie mit größter Zuverlässigkeit so schnell wie möglich seitens der Bundesregierung vorzulegen und vom Bundestag zu beschließen. Mehr Wohngeld, ein höherer Heizkostenzuschuss, ein Stromrabatt sollten auf jeden Fall in das Paket.

Inflation: Wohlstandskiller Nr. 1

Die hohen Energie- sowie viele andere Preise führen zu einer Rekordinflation. Diese belastet in starkem Maße die Schwächeren in unserem Land. Zugleich wirkt sich die Inflation, die in den nächsten Monaten gar auf 10 Prozent steigen könnte, auf viele Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen negativ aus. Denn diese werden Opfer des progressiven Einkommenssteuertarifs. Deshalb muss dieser Tarifverlauf nach rechts verschoben werden, damit die Progression erst bei wesentlich höheren Einkommen wirksam wird. Ein solcher Schritt entlastet zig Millionen Arbeiter und Angestellte sowie nicht wenige Mittelständler und Selbständige und Freiberufler.

Vor neuen Steuererhöhungen, die von einigen Politikern diskutiert werden, muss gewarnt werden. In dieser Krisenphase muss alles getan werden, die Wirtschaft nicht in eine Stagnation oder gar Rezession zu treiben. Die meisten Unternehmen haben die Lasten der hohen Energiepreise, Lieferkettenprobleme, logistische Schwierigkeiten und manches mehr zu schultern und zu lösen. Noch sind die Arbeitsplätze in den Betrieben relativ sicher, noch werden Mitarbeiter gesucht. Doch sollte der Staat nicht mit weiteren fiskalischen Belastungen die ökonomischen Risiken erhöhen. Ohnehin dürfte es zudem schwierig oder gar unmöglich sein, eine Übergewinnsteuer für einige Unternehmen einzuführen.

Die Inflation macht den meisten Menschen im Land Angst. Denn ob beim Kauf der Lebensmittel oder bei größeren Anschaffungen spüren sie, dass sie dafür mehr Geld bezahlen müssen. Umgekehrt heißt das: Sie bekommen einfach weniger für ihr Geld, denn auch der Euro leidet derzeit an Schwindsucht. 80 Prozent der privaten Haushalte sind preisempfindlich. Für den Rest spielt die Inflation bei der Lebenshaltung keine bzw. keine große Rolle.

Verluste bei Geldvermögen

Negativ wirkt sich auch die Inflation auf Geldvermögen aus. Sie ist Betrug am Sparer. Denn die 1.000 Euro, die er Anfang 2022 auf die hohe Kante legte, sind Ende des Jahres gerade noch 900 Euro wert. Das ganze Ausmaß wird deutlich, wenn man weiß, dass über 3.000 Milliarden Euro auf laufenden Konten oder in Sparverträgen gehalten werden. Allerdings ist auch festzustellen, dass viele Millionen Bürgerinnen und Bürger derzeit gar keinen finanziellen Spielraum haben, um etwas Geld zu sparen. Denn obwohl die jüngsten tariflichen Erhöhungen von Löhnen und Gehältern bei 5,6 oder gar 7 Prozent und höher lagen, real – nach Abzug der Inflationsrate – blieb nichts davon übrig, sondern eher ein Kaufkraftverlust.

Mit Solidarität durch die Krise

Deutschland erlebt eine Zeitenwende: Den Wohlstand für alle gibt es nicht mehr. Ganz im Gegenteil – die meisten Menschen können sich nun noch weniger als früher leisten und müssen Abstriche machen. Rund ein Fünftel unserer Gesellschaft spürt dies noch nicht. Diese Gruppe sollte jedoch aus eigenem Interesse mehr Solidarität mit den Schwächeren beweisen: Sie können die Hilfsorganisationen in ihrer Gemeinde finanziell unterstützen, Lebensmittel für die Tafel in ihrem Wohnort spenden, Essensgutscheine für Rentner und andere finanzieren. Diese Krise ist herausfordernder als die Covid-Pandemie. Sie wird nur zu meistern sein, wenn ein jeder sich solidarisch verhält und notfalls von Beziehern höherer Einkommen – etwa ab 250.000 Euro im Jahr – ein Solidaritätszuschlag hingenommen wird. An Quertreibern, Demonstranten und Protestierern wird es nicht fehlen – zur Freude von Putin.

Wenig Vertrauen in die Ampel-Regierung

Allerdings ergibt eine aktuelle Umfrage, dass 35 Prozent der Menschen hierzulande bekunden, sie kämen finanziell noch einigermaßen aus, während 9 Prozent sich nur noch das Nötigste leisten könnten und 3 Prozent angaben, dass sie kaum noch wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt finanzieren sollen. Großes Vertrauen in die Bundesregierung bei der Lösung der Probleme haben die Menschen in Deutschland jedoch nicht: Nur 16 Prozent meinen, dass die Ampel von SPD, Grünen und FDP die derzeitige schwierige Lage im Griff hat. Dagegen äußern fast drei Viertel die Meinung, dass sie „weniger großes, kaum oder gar kein Vertrauen“ haben. Sogar bei den Anhängern der Regierungsparteien überwiegt die Skepsis, so das Ergebnis der aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach.

Bildquelle: CDU, CC BY-SA 3.0 DE , via Wikimedia Commons

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Tags: EnergiekriseInflationLudwig ErhardSoziale MarktwirtschaftUkrainekrieg„Wohlstand für alle“
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