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Wirklich ein feiner Herr? Über Matthias Döpfner

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
14. April 2023
Matthias Döpfner

„Die Gedanken sind frei“, beginnt t-online-Chefredakteur Florian Harms seine Kolumne. Und der Leser, der nun anfängt, die dazu gehörende Melodie zu summen oder an den Mauerfall 1989 denkt oder an die Geschwister Scholl, also an etwas, was mit Freiheit und dem Kampf dafür und gegen die Diktatur zu tun hat, der liegt völlig falsch. Es geht um Mathias Döpfner, wieder mal, die Art der Meinungsfreiheit, wie er sie versteht und benutzt, der Sätze wie diese gesagt haben soll, wie die angesehene Hamburger „Zeit“ zitiert( mit allen Schreibfehlern): „Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“ Und weiter: „Die ossis werden nie Demokraten.“ Von der ehemaligen Kanzlerin Angela Merkel hält er demzufolge wenig. „Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M den Verstand. Sie ist ein Sargnagel der Demokratie“. Den Enthüllungen zufolge soll Döpfner auf die FDP gesetzt und sich gewünscht haben, dass die Springer-Journalisten die Liberalen unterstützen. „Unsere letzte Hoffnung ist die FDP. Nur wenn sie stark wird, wird das grün rote Desaster vermieden. Können wir für die nicht mehr tun.“ Und ein paar Tage später: „Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen“.  Zwei Tage vor der Wahl schreibt er an Bild-Chef Reichelt: „Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind, können sie in Ampel so autoritär auftreten dass sie platzt. Und dann Jamaika funktioniert.“ „Die Gedanken sind frei? Für wen? Döpfner? So geht Presse- und Meinungsfreiheit?

Die Kolumne von Harms trägt den Titel „Das Tollhaus“. Womit Harms offensichtlich den Springer-Konzern meint, um sich dann im Text über den allgewaltigen Chef des größten deutschen Medienhauses, Mathias Döpfner auszulassen. Einen Mann, den die deutsche Gesellschaft kennt und wertschätzt, weil er als Spitzenmanager, als einer der Reichen der Republik gern in feinstem Zwirn in der ersten Reihe zu sitzen pflegt, wenn es etwas zu feiern oder zu beweihräuchern gibt. Wie er das tat, als er die Laudatio hielt auf Friede Springer, als diese den Freiheitspreis der Friedrich-Naumann-Stiftung erhielt und dabei, wen wunderts´, die Dame mit Lob überschüttete und würdigte, dass die geehrte Friede Springer ausgerechnet ihn auserwählt habe, dass er die Rede auf sie halte. Das stellte er- es darf gelacht werden- als Beweis für ihre innere Unabhängigkeit heraus. Um anschließend sich selber zu preisen und zu würdigen, wie er mit dem Verkauf der vielen Zeitungen und Zeitschriften die Voraussetzungen geschaffen habe, „langfristig die Werte des Hauses-gemeint Springer- und seine gesellschaftspolitische Verantwortung zu sichern.“ Welche Werte wird er damit gemeint haben? Presse- und Meinungsfreiheit, Neutralität, Objektivität?

Ein Mann mit Gardemaß

Mathias Döpfner ist ein Mann mit Gardemaß, weltgewandt, der einst Musik studierte, promoviert wurde über Musikkritik, der natürlich, möchte man hinzufügen, im Feuilleton der feinen FAZ seine Karriere begann, Chefredakteur der „Welt“ wurde, ehe die Witwe des legendären Axel Springer, Friede, ihm quasi das Unternehmen übertrug samt Aktien und der laut Forbes ein geschätztes Vermögen von 1,5 Milliarden US-Dollar besitzen soll. Und dieser Mathias Döpfner bringt sich immer mal wieder mal ins Gerede, dass die Neue Zürcher Zeitung(NZZ), schon mal kommentierte, er sei von allen guten Geistern verlassen.

Die angesehene Hamburger „Zeit“ hat nach eigenen Aussagen E-Mails und Chats einsehen können, die der Springer-Chef Döpfner in den zurückliegenden Jahren an Personen aus dem engsten Führungskreis verschickt haben soll. Und diese Texte, von denen wir annehmen, dass sie stimmen und authentisch sind-die „Zeit“ ist schließlich kein Revolverblatt- offenbaren, dass Döpfner nicht nur ein „problematisches Verhältnis zur Demokratie“ haben muss(Harms), er stellt auch „ein erhebliches Risiko für die deutsche Medienlandschaft“ dar. Florian Harms erinnert daran, was seine und unsere Aufgaben als Journalisten sind, unsere Verantwortung: wahrheitsgemäß, objektiv und überparteilich zu schreiben, damit sich die Leser ihre eigene Meinung bilden können. Und dass nicht Ideologie den Taktstock in den Redaktionsräumen diktiert. Grundlage der Arbeit ist auch die Trennung von Berichten und Meinungsbeiträgen. Dass sich Mathias Döpfner entsprechend der Mails neutral verhalten hätte oder überparteilich, wird man nicht mehr annehmen dürfen, weil er seine Redaktionen offensichtlich als Kampftruppen sieht, um seine eigenen politischen Interessen durchzusetzen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Presse allgemein. Dass Döpfner alle Vorwürfe zurückweist und davon spricht, es sei aus dem Zusammenhang gerissen worden, geschenkt. Das ist das, was man so als Erklärung schreibt, wenn man erwischt wird, wenn man kräftig daneben gehauen hat.   

Publizistische Schützengräben

Es geht im übrigen noch weiter mit den Mails und Chats, die offensichtlich den Kollegen in der Hansestadt aus dem Hause Springer zugespielt worden sind, möglich von Leuten, denen der Kurs des Herrn Döpfner nicht passt, die unzufrieden sind. Wie auch immer. „Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar- und Produktionszone mit Einheitslohn machen.“ Ist zu lesen. Und dann weiter: „free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs.“ Diffamierungen und Beschimpfungen, „Koordinaten eines Kampfauftrags, mit dem Döpfner der „Zeit“-Recherche nach den früheren Bild-Chefredakteur Julian Reichelt in den publizistischen Schützengraben schickte.“ Offensichtlich, vermutet Florian Harms nicht zu Unrecht, sollte der umstrittene Reichelt, Döpfner unterstellt, „mit harschen Berichten und schrillen Schlagzeilen gegen Ostdeutsche, Muslime und Angela Merkel feuern.“ Wir sind auf dem Feld der Kriegssprache angelangt. Und natürlich behauptet er heute, dass er nichts gegen Muslime habe. Noch einmal Herr Döpfner, geschenkt sind solche Repliken, sie sind nichts wert.

Das Corona-Virus bezeichnete Döpfner in seinen Nachrichten als „Grippe“, die gefährlich sei für „alte und kranke“. Politik und Wirtschaftsführer würden „unsere offene Gesellschaft für immer zerstören“, so Döpfner laut „Zeit“. Das Ganze „ist so surreal. Kollektiver Verstandes Verlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt.“ 

Auch für Armin Laschet und Markus Söder findet Döpfner nur abschätzige Worte. Es ging damals im April 2021 um den Kanzlerkandidaten der Union. „Keiner hat das Zeug dazu Deutschland geistig und manageriell überzeugend zu führen. Der eine ist langweilig aber gründlich und einigermaßen berechenbar. Der andere ist oberflächlich opportunistisch und hat einen schlechten Charakter. Deshalb ist er das kleinere Übel“: Zitiert die „Zeit“ aus entsprechenden Döpfner-Nachrichten. Im übrigen glaubt Döpfner irgendwann, dass es Söder werde. „Aber es wird noch viel schlimmer für Deutschland. Es ist ein ständiges downgrading. Schröder, Merkel, Söder. Das sind Leute die hätten früher nicht mal ne Sparkasse führen dürfen. Ich Wander aus.“ 

Natürlich ist der Springer-Oberboss für den Klimawandel, Zivilisationsphasen der Wärme seien immer erfolgreicher gewesen als solche der Kälte.“ Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen“. Soll er geschrieben haben laut „Zeit“. Döpfner bekennt dann: Wenn es eines gebe, was er hasse, seien es Windräder.

Zum Fremdschämen

Der Journalist Mathias Döpfner ist ein Zeitgenosse zum Fremdschämen. Man darf daran erinnern, wie er in einem Kommentar in der Bild-Zeitung gefordert hatte, die NATO müsse in der Ukraine eingreifen, womit er offen einen dritten Weltkrieg heraufbeschwor. Und damit die Glaubwürdigkeit des Verleger-Verbandes, dessen Präsident er war, ja der gesamten Branche in Zweifel zog. Weil er bei „Bild“ den Chef, eben Reichelt, mit den Worten verteidigt hatte, der sei „der letzte und einzige Journalist in Deutschland“, der noch mutig „gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehre. „Fast alle anderen sind zu Propaganda-Assistenten geworden.“ Lohnschreiber der demokratisch gewählten Regierung? Der Chefredakteur des „Stern“ forderte den Rücktritt Döpfners, der Reichelt gestützt hatte gegen peinliche Vorwürfe der Mitwisserschaft von Machtmissbrauch, von Liebesbeziehungen, Beförderungen, Drogen. Alles sei, hieß es später, einvernehmlich geschehen, also in Ordnung? Wohl kaum. Reichelt musste gehen. Döpfner gab das Amt des Präsidenten des „Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ erst Ende 2022 auf. Zuvor hatte der Verband ihm seine Entschuldigung abgenommen. Es wirkte manches peinlich, zumal das Ansehen des Herrn Döpfners mächtig gelitten hatte. Man darf daran erinnern, dass die mächtige Funke-Gruppe durch Döpfner „Werte, die wohl jedes dem Journalismus verpflichteten Verlagshaus auszeichnen“, gefährdet sah. Der Hannoversche Madsack-Verlag teilte die Kritik. 

Im Grunde müsste Döpfner gehen, wie das viele fordern. Der Hamburger Journalistik-Professor Volker Lilienthal äußerte zu Döpfner: „Er zeigt ein Verlegerverhalten nach Gutsherrenart, das eher zum 19. als zum 21. Jahrhundert passt.“ Döpfner verletze „grundsätzliche journalistische Regeln.“ Jan Hollitzer, Chefredakteur der „Thüringer Allgemeine“, einer der profiliertesten Journalisten Ostdeutschlands, sagte: „Döpfner will seinen Redakteuren vorschreiben, was sie schreiben sollen- und das mit einer klaren politischen Agenda. Das ist nicht Aufgabe des Journalismus. Das ist ein Verstoß gegen Grundregeln: die Trennung von Verlag und Redaktion.“ Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider forderte Döpfners Rauswurf als Springer-Chef, er sei nicht mehr tragbar. Da täuscht sich der Sozialdemokrat, was solche Leute alles tragen können…Im Übrigen verteidigte Döpfner seine Einflussnahme auf Bild: „Das ist als Ceo und Miteigentümer mein Job. Aber über allem steht die Freiheit der Redaktion. Und nichts schütze ich so sehr und leidenschaftlich. Darauf kann sich jeder in diesem Unternehmen verlassen. Und die, die mich kennen, wissen das auch.“ 

Schöne Worte, die nicht viel wert sind, Ich weiß, dass dies aus der Mode gekommen ist: Mathias Döpfner sollte sich schämen. Wenigstens das. Rauswerfen kann ihn ohnehin niemand, ihm gehört ein Großteil des Ladens. Und die sonst im Vorstand und Aufsichtsrat sitzen, lese ich in den Medien,  seien solche, „die ihm am liebsten zustimmen.“ Vielleicht folgt ja in Kürze noch eine Erklärung des feingliedrigen Herrn so nach dem Motto: „Ich trage Verantwortung und nehme sie wahr.“ Dass er ja nicht unter derselben eines Tages zusammenbricht!

Bildquelle: flickr, WORLD ECONOMIC FORUM/swiss-image.ch/Photo Moritz Hager, CC BY-NC-SA 2.0

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