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Geld und Gerechtigkeit – Zum Urteil im Fall von Stadler

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
28. Juni 2023
Euro-Scheine

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. So heißt es im Grundgesetz. Aber das ist die Theorie. Leider. Denn immer wieder passiert es, dass es Menschen gibt, die gleicher sind. Wer Geld hat, viel Geld, kann sich die besten Anwälte leisten, die ihn vor Gericht vertreten und raushauen oder rausreden. Der Reiche kommt besser weg als der, der wenig oder kein Geld hat. Jüngster Fall: Der Ex-Chef von Audi, Rupert Stadler(60), wird im Diesel-Abgasskandal wegen Betrugs verurteilt- ins Gefängnis muss er nicht. Nach 172 Tagen im Gerichtssaal lautet das Urteil des Landgerichts München II ein Jahr und neun Monate Gefängnis auf Bewährung. Zusätzlich muss Stadler 1,1 Millionen Strafe bezahlen. Er wie die Mitangeklagten und Mitverurteilten des Konzerns-der ehemalige Audi-Motorenchef und spätere Porsche-Vorstand Wolfgang Hatz sowie der Ingenieur Giovanni P.  müssen auch die Gerichtskosten tragen, ein niedriger Millionenbetrag. Es sind im übrigen die ersten strafrechtlichen Urteil im VW-Diesel-Skandal. Stadler war von 2007 bis 2018 Vorstandsvorsitzender der Audi AG. 

Es ist gut und passt ins Bild, dass die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrem Leitartikel den Fall eines Obdachlosen in Stuttgart erzählt, der wegen 860 Euro ins Gefängnis kam. Der Mann, so die SZ, habe Job und Wohnung verloren, sei richtiggehend abgestürzt, habe auf der Straße und von der Hand in den Mund gelebt. Wenn er zum Arzt musste, zum Jobcenter und zu neuen Schlafplätzen sei er schwarz mit Bus und Bahn gefahren. Er wurde dabei erwischt und landete im Gefängnis. Und dies in einem Augenblick, da er über eine evangelische Hilfsorganisation ein Zimmer in einem Wohnheim gefunden hatte. Gerechtigkeit? Was denkt sich der Obdachlose wohl zum Fall Stadler?

Ja, man muss einen solchen Fall hier erwähnen, darauf hinweisen, dass jährlich Zehntausende in Deutschland hinter Gittern landen, weil sie Geldstrafen nicht bezahlen können. Es trifft Schwarzfahrer wie den gerade erwähnten. Und auch wenn die Berliner Ampel-Regierung dies ändern will- wer seine Strafe nicht bezahlen kann, muss nur noch die Hälfte der Strafe absitzen- ist das doch keine Gerechtigkeit, sondern bleibt Klassenjustiz. Denn der Reiche muss nicht in den Kahn, er kann sich mittels guter Anwälte freikaufen. Gerecht wäre es, wenn die kleinen Sünderlein ihre Strafe abarbeiten könnten, durch Sozialarbeit zum Beispiel.

Zurück zum Fall Stadler, der laut Gericht einen Schaden von 40 Millionen Euro mitverursacht hat, aber jetzt nach diesem Urteil als freier Mann das Gericht verlassen kann. Zum Hintergrund: Nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals-also die Manipulation der Motoren bei VW- hatte Stadler, immerhin Chef von Audi, nicht eingegriffen und die Manipulation gestoppt. Vielmehr ließ er zu, dass schmutzige Diesel-Autos zahlreichen Kunden weiter als saubere Autos verkauft wurden. Und ganz nebenbei wurden die Umwelt und die Gesundheit der Menschen durch Diesel-Abgase massiv geschädigt. 

Über Monate hatte Stadler seine Unschuld beteuert. Motto: Er habe nichts davon gewusst. Aber als das Gericht ihm damit drohte, wenn er weiter leugne, drohe ihm eine Gefängnisstrafe, räumte Stadler eine gewisse Mitschuld ein. Was nicht bedeutet, dass er einsieht, dass er etwas falsch gemacht habe. Ein „wertloses Geständnis, taktischer Art, dazu viel zu spät(Der Spiegel) Stadler gesteht, wird verurteilt, zahlt und kommt frei. Sowas nennt man einen Deal. Seine Anwältin verlas vor Wochen eine entsprechende Erklärung: ihm sei es nicht gelungen, die Diesel-Krise im Konzern zu lösen, er hätte mehr Sorgfalt leisten müssen, er habe „nicht gewusst, aber als möglich erachtet und insofern billigend in Kauf genommen“, dass schmutzige Diesel als saubere Autos verkauft wurden.  So macht man das. Elegant, sprachlich etwas verschwurbelt, muss ja nicht jeder sofort verstehen. Bekanntlich hielten die Sechs- und Achtzylinder-Diesel die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand ein, aber nicht bei der Fahrt. Der Staatsanwalt sprach von einer „Umweltsauerei“. Warum diese aber als eine Art Kavaliersdelikt bewertet worden ist, für die Bewährung reicht, erschließt sich mir nicht. 

Deals sind nicht ungewöhnlich. Und dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack im Fall von Stadler. Ein solches Urteil mit Bewährung und einer bescheidenen Geldstrafe-Stadler gehörte über Jahre zu den Top-Managern der Branche mit Millionen Gehältern-stellen das Rechtsempfinden in der deutschen Gesellschaft und das Vertrauen in die Justiz erheblich in Frage. Denn einen solchen Deal kann sich nur jemand mit der dicken Geldtasche leisten. Der oben erwähnte Obdachlose, der Schwarzfahrer, der Ladendieb kann das nicht. Ich hätte mir gewünscht, dass man Rupert Stadler in sozialen Brennpunkten hätte die Strafe abarbeiten lassen, zum Beispiel bei einer Tafel in München oder in Berlin-Mitte oder bei der Bahnhofsmission. Die 1,1 Millionen Euro plus die Gerichtskosten zahlt er doch aus der Portokasse.

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