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„Online first“ – was wird aus unseren Zeitungen?

Jürgen Brautmeier Von Jürgen Brautmeier
20. April 2025
Zeitungen

Journalisten alter Schule hatten ihre Methoden, um das Interesse der Leser für Zeitungen und Zeitschriften und vor allem einzelne Artikel zu wecken. In erster Linie waren es Überschriften und Vorspänne, die Aufmerksamkeit erzeugen und Kauf- und Leseanreize schaffen sollten. Heute, in Zeiten zurückgehender Printauflagen und der „Online first“-Strategie der Verlagshäuser, ist das im Kern noch genauso, aber die Methoden sind andere. „Clickbaiting“ ist das Zauberwort, also das Ködern mit möglichst auffälligen Überschriften und anreißerischen Kurztexten, die im Denglischen als „Teaser“ bezeichnet werden. Dieser Scheinanglizismus aus der Marketingwelt meint nichts anderes als die oft aufdringliche Anpreisung von längeren Texten, um zum Weiterlesen zu verleiten. Es geht also um das Anlocken von Kunden und im Endeffekt um den Verkaufserfolg in der elektronischen Welt. Wie das erfolgreich zu bewerkstelligen ist, wird heute in Journalistenschulen und journalistischen Netzwerken vermittelt. Gute Überschriften und gute Teaser wollen gelernt sein.

Die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post ist in vielerlei Hinsicht innovativ. Sie schafft es immer wieder, Themen zu setzen, die auf eigenen Recherchen beruhen und die eine überregionale Aufmerksamkeit erregen. Im Kampf gegen das Zeitungssterben kommt es aber, so mein Eindruck, hin und wieder zu einer zu starken Orientierung an den Mechanismen der Online-Welt, und das treibt dann merkwürdige Blüten. Es ist kein Geheimnis, dass ”Online first” für viele Tageszeitungen längst zur Überlebensstrategie erklärt wurde – schon der Begriff Tageszeitung passt ja eigentlich nicht mehr.  Aber der Drang zum besonderen Aufmacher, der Aufmerksamkeit in der Flut der Nachrichten in den elektronischen Medien erregt, führt manchmal auch zu Ergebnissen, über die man sich nur wundern kann. Im Netz hat man sich ja bereits an vieles gewöhnen müssen, aber in der Printversion, die es ja immer noch und mit denselben Inhalten gibt, fällt das dann besonders auf.

Die Schlagzeile der Titelgeschichte der Printausgabe der Rheinischen Post vom 21. März 2025 ist für mich ein Paradebeispiel für ein gewolltes, aber übertriebenes „Clickbaiting“. Oder was soll ich davon halten, wenn ich an einem eigentlich ganz normalen Donnerstag beim Frühstück die Überschrift lesen muss: “NRW wappnet sich zum Krieg”? Anscheinend sind der Titelredaktion da die Pferde durchgegangen, um es harmlos auszudrücken. In einer Zeit, in der Putins Krieg in der Ukraine, Trumps Abkehr von der Nato und Deutschlands zusätzlicher Milliarden-Verteidigungstopf ohnehin die Zukunftsangst in der Bevölkerung befeuern, ist eine derartige Schlagzeile reine Sensationsgier, ja Panikmache. Inhaltlich geht es dann auch nicht um Truppenaufmärsche oder ähnliches, sondern um eine geplante Übung bei der Bundeswehr und in Krankenhäusern, aufgehängt an einer für den folgenden Tag angesetzten lokalen Übung in Goch im Kreis Wesel. Und der Artikel kann inhaltlich die Neugier des Lesers nicht besonders lange halten. Zwar sind die Ideen, im Krisenfall ICE-Waggons der Bahn als Bettenwagen für den Rücktransport von Verwundeten – von welcher Front auch immer -, die Lufthansa und DHL für Wartungs- und Transportdienste und die Telekom für die Cybersicherheit einzuspannen, interessant zu wissen, doch irgendwie wirken sie sehr bemüht, um den Artikel mit Inhalt zu füllen und zum Weiterlesen zu animieren.

Das Titelbild der gedruckten Zeitung will übrigens das Interesse für Minigolfplätze in der Region wecken, die sich besonders “für Familien und Freundesgruppen – gerade im Frühling” eignen. Größer könnte der inhaltliche Kontrast nicht ausfallen. Aber das gilt für die Printversion, während im Netz derartiges nicht relevant ist, weil jeder Artikel für sich alleine steht. Dessen Zugriffszahlen sind bei den Online-Diensten ein Gradmesser für den Erfolg. Was dabei nicht mehr entscheidend zu sein scheint, ist die Relevanz des Themas, nicht mehr die Frage, worüber wollen und sollen wir berichten, sondern was kommt am besten an, was erregt die größte Aufmerksamkeit? Journalisten alter Schule würden sich im Grabe umdrehen, aber in der Online-Welt gelten andere Maßstäbe.

 

Bildquelle: Pixabay, Bild von Steve Buissinne, Pixabay License

 

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Tags: ClickbaitingJournalismusPrint vs. OnlineRheinische PostZeitungssterben
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Comments 1

  1. JB says:
    8 Monaten ago

    sie sollten sich mal mit den Zeitungsausträgern unterhalten die werden seit Jahren ausgebeuet haben keine Gewerkschaft Mindestgehalt. ist um 0,45 Cent gestiegen Reaktion..Zeit- Kürzungen, Urlaubstage Kürzungen usw. seit Jahren .und sagen das auch den Zeitungskunden ……..

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