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Home Politik

Der Bundeskanzler und sein Stadtbild

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
24. Oktober 2025
Blaugelaufener Finger in Mausefalle

Was will der Kanzler uns mit dem „Stadtbild“ eigentlich sagen? Darüber reden wir seit Tagen in allen Medien, darüber wird diskutiert in den Parteien, die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen sich mit der Äußerung von Friedrich Merz. Ja, was will er damit bewirken? Was mit Migration, ist die einfachste Aussage, die aber auch nicht klärt. Was genau will er mit Migration?

Es gibt Probleme mit dem Stadtbild, keine Frage. Entlang der Bahnhöfe großer Städte, die Drogenszenen vermitteln in fast allen Städten ein unsauberes, schmutziges Bild, unweit davon erblickt der Beobachter im Stadtbild nicht selten die Alkoholiker, die Obdachlosen, in Bonn, einer kleinen größeren Stadt, fallen mir täglich im Ortsteil Kessenich die Bettler auf, im Schnitt sind es fünf, zumeist Männer, die vor Geschäften stehen oder sitzen, die um Geld bitten, denen die Menschen dann schon mal einen Kaffee anbieten. Es sind oftmals Szenen hilfsbedürftiger Zeitgenossen.  Wenn wir vom Äußeren ausgehen, vom Gesicht, der Farbe der Haare, den Äußerungen, sind es in der Mehrheit Deutsche.

Das Stadtbild kann einem missfallen, wenn an vielen Ecken Mauern mit Graffiti beschmiert sind, wenn der Müll sich türmt an manchen und in manchen Ecken. Aber was mit Ausländern muss das nichts zu tun haben.

Debatte losgetreten

Friedrich Merz hat eine Debatte losgetreten. Ja, aber mit Absicht? Muss man vermuten, weil er  nachgelegt und nichts zurückgenommen hat. Weil er sogar ergänzt hat, fragen Sie doch mal ihre Töchter. Er hätte ergänzen müssen, dass sie irgendwann und irgendwo Angst haben, wenn ihnen Ausländer in Gruppenstärke begegnen, sie mit sexuellen Sprüchen anmachen, beleidigen. Das gibt es alles, aber dominiert das alles das Stadtbild, sind es wirklich die Ausländer, die das Stadtbild negativ prägen? Deshalb die Abschiebungen durch den Bundesinnenminister Dobrindt(CSU)? Wird dadurch das Stadtbild anders, schöner? Als wenn Ausländer an allem Schuld wären! Ein Kanzler, der unklar formuliert.

Dass Deutschland Ausländer braucht, weiß doch Merz. Dass wir Jahr für Jahr Hunderttausende von ausländischen Fachkräften benötigen, damit die Wirtschaft am Laufen bleibt oder ins Laufen kommt, diesen Satz sagt jeder ernstzunehmende Politiker fast wöchentlich. Dass unser Leben ohne Ausländer gar nicht vorstellbar ist, steht fest. Nichts würde mehr funktionieren, wenn alle Deutschen mit Migrationshintergrund in einen Streik treten würden. Und Friedrich Merz ergänzt ja auch seine Stadtbild-Äußerungen mit dem Zusatz: Einwanderer seien unverzichtbar, gleich welcher Herkunft, welcher Farbe, sofern sie sich an die Regeln hielten. Letzteres tun die meisten von ihnen, viele sind längst deutsche Staatsbürger, haben hier das Abitur gemacht, studiert, sind Ärzte, Beamte bei der Stadt, fahren die Straßenbahn, haben Geschäfte, in denen wir einkaufen, sie haben Wohnungen und Häuser, Restaurants, sie zahlen Steuern, sie sind unsere Nachbarn, Freunde. Das ist doch der richtige Ton, wenn wir schon darüber reden müssen. Warum wählt ausgerechnet der Kanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt, die andere Reihenfolge, wodurch dann der Ton die Musik macht. Und dann hört es sich plötzlich wie rechte Musik an. Merz ein Spalter? Das darf man sich nicht wünschen, diese Koalition aus Union und SPD braucht den Erfolg, den ihr die AfD neidet, die das Scheitern von Merz und Klingbeil will, weil sie davon profitiert.

Dem Friedrich Merz vertraue ich, wenn er Ausländer lobt, wenn er sich vor sie stellt. Er meint das so, er meint das echt, betont ein Sozialdemokrat, mit dem ich darüber rede. Aber warum dann diese Empörung auf seine Stadtbild-Äußerungen, die Proteste vor der CDU-Parteizentrale, in denen dem Kanzler und CDU-Chef vorgeworfen wird, Rassismus und Ausgrenzung das Wort geredet zu haben? Auch der Koalitionspartner, die SPD, war ja irritiert bis empört. Sogar Vizekanzler Lars Klingbeil hat das deutlich gemacht und wohl Merz dazu gebracht, Klarheit in diese Debatte zu bringen. Und nicht Werbung zu machen für das  AfD-Programm.

AfD will Union zerstören

Es ist unter Demokraten klar, dass sie und wir diese freiheitlich-demokratische Republik gegen ihre Feinde verteidigen wollen und werden. Friedrich Merz hat doch gerade für die Brandmauer geredet, die Brandmauer, die die CDU von der AfD trennt. Kein Bündnis, niemals, solange er Vorsitzender der CDU sei. Nichts verbinde diese in weiten Teilen rechtsextremistische AfD mit der CDU, die AfD wolle die Union zerstören, sie wolle eine andere Republik, sie wolle die Presse- und Meinungsfreiheit abschaffen, die Europäische Union auflösen, von der wir alle leben, sie rede der Remigration das Wort, was doch eindeutig gegen Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund gerichtet ist, gegen die Würde des Menschen, Artikel 1 Grundgesetz. Ja, diese AfD will die Bundeswehr zerlegen, dabei seien doch Demokraten gerade dabei, sie wieder auszurüsten, damit sie verteidigungsfähig werde. Denn es droht doch Gefahr aus dem Osten, das Russland von Wladimir Putin führt Krieg gegen die Ukraine, niemand wisse, ob und wann Putin den Krieg auf das übrige Europa ausweite, auf Polen, ja auf Deutschland.

Die AfD steht für Hass und Hetze, AfD-Chefin Alice Weidel ist das Sprachrohr dieser Partei, sie hat in einer Rede im Bundestag die Forderung der AfD nach Remigration ausdrücklich hervorgehoben. Remigration, das bedeutet Ausweisen von Ausländern, notfalls mit Gewalt. AfD-Politiker vergiften das Klima. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner gefällt sich mit Sätzen wie diesen: „Warum lungern Politiker mit Kerzen in Moscheen und Synagogen herum?“ Und ein Markus Frohnmaier droht offen damit: „Wenn wir kommen, wird aufgeräumt“

Das alles ist kein Spaß, die AfD sieht sich mit ihrer Politik der Ausgrenzung und der Diffamierung von Minderheiten auf dem Weg zur Macht. Der Feind steht rechts. Dieser Satz des Reichskanzlers Joseph Wirth(Zentrumspartei) nach dem Attentat auf Außenminister  Walther Rathenau 1922  ist aktuell. Passend dazu hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schon vor Jahr und Tag betont: “ Die AfD ist eine Nazi-Partei.“

Die schwarz-rote Bundesregierung will massiv investieren, damit das Stadtbild besser werde, man will die Schulen, die Straßen, die Brücken sanieren, alles soll besser werden, damit die Bürgerinnen und Bürger wieder Vertrauen in die Politik schöpfen, dass gehandelt, umgesetzt wird und nicht nur ge- und zerredet wird. Von Wachstum ist die Rede, die Wirtschaft soll wieder florieren, die Menschen zuversichtlich werden, dass es mit dieser Republik wieder aufwärts geht, Wohnungen sollen gebaut, die Bürokratie schlanker und schneller werden. Dies wäre eine Politik gegen eine AfD, die nur schlechte Stimmung verbreitet.

Erfolg und Probleme

Jeder weiß, dass Migration eine Erfolgsgeschichte ist, aber eben auch Probleme mit sich bringt. Sie wird zum Erfolg, wenn der Staat dabei hilft, dass Ausländer hier eine Wohnung finden, einen Job, wenn ihre Kinder einen Platz in der Kita finden und in der Schule die deutsche Sprache lernen. Integration ist mühsam, sie dauert, sie kostet Kraft und Geld, aber sie lohnt sich. Die AfD kennt nur eine Antwort darauf: Ausweisen. Die Würde des Menschen und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind ihr egal.

Die Diskussion über die Brandmauer wird die Republik weiter beschäftigen. Sie wird lauter werden, wenn im nächsten Jahr gewählt wird: am 8. März in Baden-Württemberg, am 22. März in Rheinland-Pfalz, am 6. September in Sachsen-Anhalt, am 20. September in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern. Jede Debatte in einem Stadtrat irgendwo in Deutschland, bei der am Ende die CDU und die AfD gemeinsam abstimmen werden, wird die Brandmauer zum Thema haben. Die AfD genießt diese Diskussionen, weil sie ihr nützen, die CDU wird darunter ächzen, weil sie ihr schaden. Immer geht es dabei darum, dass die AfD den Wählerinnen und Wählern vorgaukelt, sie sei doch eine normale konservative Partei und insofern sei doch ein Bündnis mit der CDU die normale Sache. Dabei gibt es keine Schnittmengen zwischen CDU und AfD, hat Merz betont. Er wird es wieder und wieder betonen, weil die Mehrheiten bei Wahlen schwieriger werden. Was tun, wenn die AfD stärkste Partei wird, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern?

Es wird entscheidend sein, dass der Graben zwischen CDU und AfD unüberbrückbar bleibt. Viel hängt von der Sprach-Genauigkeit des Kanzlers ab. Davon, dass er glasklar kommuniziert und der AfD nicht in irgendeine Falle folgt. Es ist ihm schon mal passiert, damals in der Opposition, als Olaf Scholz noch Kanzler war und Merz glaubte, einen Erfolg gegen die Ampel erringen zu können, wenn auch mit den Stimmen der AfD. Und wenige Tage später riskierte Merz ein solches Abenteuer erneut, nahm die Zustimmung der AfD wieder in Kauf, er scheiterte nur, weil Abgeordnete der FDP und der eigenen Unionsfraktion nicht zustimmten. Es gibt also Gründe, ein gewisses Misstrauen Merz gegenüber an den Tag zu legen.

Merz und Verbotsverfahren

Der Kolumnist der SZ, der frühere Chef der Innenpolitik des Blattes und Mitglied der Chefredaktion, Heribert Prantl, hat in seiner neuen Kolumne Merz aufgefordert, er müsse nun zeigen, „das es ihm ernst ist mit der Verteidigung der Demokratie. Die Union muss daher bei den Verbotsanträgen gegen die AfD mitwirken“, so der Jurist Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung.“ Weil nur mit der CDU sei das Karlsruher Prüfverfahren möglich- „ohne das Plazet der CDU und ihres Vorsitzenden wird es weder einen Antrag der Bundesregierung noch des Bundestags oder des Bundesrats geben.“ Die CDU lehnt bisher ein Verbot ab, weil sie die AfD nicht zu einem Opfer machen wolle. Prantl fragt: „Ist es besser, wenn die Menschen, gegen die die AfD hetzt, zum Opfer werden?“ Die rechtlichen Hürden, hat Merz mehrfach erklärt, seien „sehr, sehr hoch“, er habe deshalb „wenig Sympathie dafür, mit einem solchen Instrument zu arbeiten.“ Das Risiko, nichts zu tun, sei „größer und gefährlicher als das Risiko, im Verbotsverfahren zu scheitern, findet Prantl.

Ein Prüfverfahren sei nichts Unanständiges, so der SZ-Kolumnist. Vielmehr sei es „der sichtbare Ausdruck des rechtsstaatlichen Widerstands gegen völkische Kraftmeierei und gegen alles, was sich damit verbindet. Ein Verbotsverfahren, an dem die CDU mitwirkt, wäre Ausdruck einer Selbstbindung der Union,- die rechtsverbindliche  Erklärung, dass die Union mit der AfD nichts verbindet und nichts verbinden wird; und dass man sich von den Personen löst, die für eine solche Verbindung werben.“ Es wäre ein „Akt der Zuversicht“, die sich darauf richtet, „dass das höchste Gericht gegebenenfalls die Kraft hat, ein Verbot so zu begründen, dass es Nachdenklichkeit und Selbstbestimmung bei AfD-Sympathisanten bewirkt.“

Das Grundgesetz erlaubt ein Parteiverbot nur unter strengen Bedingungen, um die wehrhafte Demokratie zu schützen. Artikel 21, Absatz 2GG. Parteien sind verfassungswidrig, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Sie können durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden. In der Geschichte der Bundesrepublik hat Karlsruhe zwei Verbote ausgesprochen: 1952 gegenüber der nationalsozialistisch orientierten Sozialistischen Reichspartei(SRP) und der stalinistischen Kommunistischen Partei Deutschlands(KPD) im Jahr 1956.

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Comments 1

  1. Sven Bauer says:
    1 Monat ago

    Ein aufschlussreicher Beitrag! Besonders gut gefällt mir, wie der Autor die Bedeutung von Sprache und Symbolik in politischen Äußerungen hervorhebt.

    Antworten

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