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Home Politik

Als der „Spiegel“ zum Sturmgeschütz der Demokratie wurde – Tag der Pressefreiheit

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
3. Mai 2024
Spiegel-Affäre, Demonstration Freiburger Studenten am 16. November 1962

Für mich ist der Tag der Pressefreiheit stets verbunden mit der Spiegel-Affäre, die ja eine Strauß-Affäre war, und die das Nachrichtenmagazin zu dem Flaggschiff im deutschen Medienwesen machte. „Sturmgeschütz der Demokratie“ wurde Rudolf Augsteins Magazin geadelt, weil Augstein sich und seine Zeitschrift als „ersten Wächter der Demokratie“ und nicht als Propaganda-Instrument verstand.  Deutlich wurde das 1962, als der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß(CSU) aufgrund der Spiegel-Berichterstattung über die mangelnde Verteidigungsfähigkeit der Republik(Bedingt abwehrbereit- es ging um das Nato-Manöver Fallex 62) Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein und dessen Vize-Chefredakteur Conrad Ahlers wegen Landesverrats verhaften ließ. Die Öffentlichkeit lief Sturm gegen Strauß und die Regierung Adenauer, man sah den Angriff auf den Spiegel als einen Angriff auf die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit.(Artikel 5, Absatz 1GG)) Am Ende musste Strauß zurücktreten, sonst wäre Bundeskanzler Konrad Adenauer gefährdet gewesen.

Tag der Pressefreiheit. Da werden dann von Politikern gern salbungsvolle Rede geschwungen, wird fast geschworen, für wie wichtig man die Freiheit der Presse halte und was man nicht alles dafür gebe, dass dies auch so bleibe. Dass der Journalist unabhängig, frei, überparteilich, unbestechlich seine tägliche Arbeit verrichten könne, nämlich die Bürgerinnen und Bürger zu informieren über das, was geschehen ist oder soll. Schreiben, was ist. Ein Grundsatz, den Augstein den Spiegel-Redakteurinnen und Redakteuren mit auf den Weg gab. Ein Leitsatz, den ich oft gehört und in manchen Redaktionsstuben als Zettel an den Wänden gesehen habe. Große Worte.

Lügenpresse ist üble Nachrede

Der ehemalige SZ-Politik-Chef und Mitglied der Chefredaktion, Heribert Prantl,  beschreibt in seiner Kolumne zum Tag der Pressefreiheit die Arbeit der Journalisten als „Brot und Butter“. Er nennt den internationalen Tag der Pressefreiheit „Gedenktag für ein Veteranengrundrecht“. In vielen Staaten der Welt ist die Pressefreiheit nichts wert, Journalisten werden im Iran, in Russland, in China, in der Türkei und in Bangladesch an ihrer Arbeit gehindert, sie müssen mit Verhaftungen rechnen, kriegen schon mal einen Schlag auf den Kopf, ja sie werden auch getötet, weil sie aus Kriegsgebieten berichten. Und das wollen die Herrschenden natürlich nicht, dass von dort berichtet wird, was man sieht und hört. Prantl zufolge ist die Pressefreiheit in den genannten Ländern „oft nur zwei mal drei Meter groß, so klein wie eine Gefängniszelle.“

Die Situation in Deutschland ist mit der in Russland, China und der Türkei nicht zu vergleichen. Aber auch hier im Lande ist längst nicht alles so, wie man das gern hätte. Ich frage mich, warum die Medien sich vor Jahr und Tag als „Lügenpresse“ beschimpfen ließen. Das muss man nicht tolerieren, ich hätte mir gewünscht, die Zeitungen hätten mit ihren Rechtsabteilungen Pegida und andere Organisationen verklagt. Lügenpresse ist eine schlimme Beleidigung, Journalisten sind darauf angewiesen, dass man ihnen ihre Berichterstattung abnimmt, dass die Leserinnen und Leser ihnen glauben. Es geht um Vertrauen. Lügenpresse, das ist üble Nachrede.

Es geht um Qualität, nicht Klicks

Das Brot-und-Butter-Geschäft. Der Alltag des Journalisten, er berichtet, er informiert, spricht mit möglichst vielen Menschen, er deckt auf, wenn er etwas herausgefunden hat, was anstößig ist, nicht rechtens, er analysiert, er kritisiert, er recherchiert. Aber er muss fair sein in seinen Reportagen, versuchen, beide Seiten zu erwähnen. Es geht um Qualität der Berichterstattung, nicht um Klicks, um die auch, aber nicht als Impuls für die Recherche, den Kommentar. Unsere Aufgabe ist nicht, jemanden runterzuschreiben, ihn zu stürzen, jemanden fertig zu machen. Wir haben Verantwortung und müssen abwägen. Auch dies. Schreiben, was ist und nicht, was man gern hätte.

Ich bewundere den Mut der Kolleginnen und Kollegen, die aus Krisen- und Kriegsgebieten berichten. Ihre Arbeit ist lebensgefährlich. Wer über den Krieg Russlands gegen die Ukraine berichtet, verdient jede Unterstützung. In jedem Krieg wird gelogen, soll die Wahrheit nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

Bedroht werden Journalisten in Deutschland kaum, aber sie werden behindert oder gedrängt, etwas zu schreiben oder zu verschweigen. Auch das passiert. Der Bürgermeister kann Einfluss nehmen, der Minister auf Landes- und der auf Bundesebene. Ich habe erlebt, dass Bürgermeister am Rande von Pressekonferenzen darauf hingewiesen haben, dass sie die Verlegerin kennen. Journalisten brauchen Rückgrat, um nicht beim ersten Versuch der Einflussnahme einzuknicken. Einfach ist das nicht immer, hilfreich sind starke Chefredakteure, die die Kritik des Ministers oder Parteichefs an der Berichterstattung des Journalisten X zurückweisen. Oh doch, das habe ich erlebt. Dabei muss man Kritik aushalten, auch einen bösen Anruf. Ein Regierungssprecher- den Namen nenne ich nicht- kommentierte mal in einem privaten Kreise, man wisse höheren Ortes sehr wohl um die Standfestigkeit von Korrespondenten. Wer stehe, werde ernst genommen.

Online-Hetze unerträglich

Die Freiheit der Presse wird auch durch die Politik der Verleger garantiert oder aufgeweicht. Ich will gar nicht bestreiten, dass es Sparzwänge gibt, die zu Einschränkungen führen, zu Stellenkürzungen, dazu, dass kleine Blätter an große Verlage verkauft werden, Ressorts verkleinert, Redaktionen aufgegeben werden. Zeitungen haben massiv an Lesern verloren, die sogenannten sozialen Medien haben Konjunktur, aber man darf sie gelegentlich auch als asoziale Medien kritisieren, weil online oft eine derartige Hetze betrieben wird, die unerträglich ist.

Die große Gefahr für den Journalismus, schreibt Heribert Prantl in seiner SZ-Kolumne, „geht hierzulande nicht vom Staat und seinen Behörden aus, die Gefahr geht vom Journalismus selbst aus. Wenn er nicht so gut ist, wie er sein könnte, wenn er schludert, wenn ihn Verleger und Eigentümer wegen echter oder vermeintlicher Sparzwänge kaputt machen.“ Klar ist nämlich, dass der Bedarf an „Information und Aufklärung, nach Orientierung und Einordnung ..so groß ist wie lange nicht mehr.“

Pressefreiheit ist ein Grundnahrungsmittel, um noch einmal Prantl zu zitieren.  Ich brauche die Zeitung, den Bonner Generalanzeiger und die Süddeutsche Zeitung,  täglich zum Frühstück. Das Papierrascheln, das Blättern von der Seite 1 auf die Seite 3 und dann auf die Meinungsseite mit den Kommentaren und der Karikatur, das ist für mich wie Brot und Butter.  Sonst werde ich nicht satt.

Bildquelle: Landesarchiv Baden-Württemberg, Fotograf: Willy Pragher, CC BY 3.0 DE, via Wikimedia Commons

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Tags: DemokratiePressefreiheitSpiegel-AffäreTag der Pressefreiheit
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