Fragezeichen

Brexit -Ein Trauerspiel in zahllosen Akten

Das Trauerspiel um den Austritt der Briten aus der europäischen Union nimmt zunehmend groteske Züge an. Die Hängepartie um den Brexit wird auch zu einem mahnenden Lehrstück über die Risiken, die ein Pakt zum reinen Machterhalt birgt. Premierministerin Theresa May hat sich der pro-britischen Nordirland-Partei DUP ausgeliefert, um sich eine Mehrheit im Unterhaus zu sichern. Handlungsfähigkeit hat sie dadurch nicht gewonnen.

Seit Monaten schleppen sich die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU hin, die den historisch einmaligen Vorgang eines Austritts aus der Union regeln sollen. Die EU hat eine klare Marschroute vorgegeben: erst die Scheidung, dann die Wiederannäherung. Für den gesamten Prozess sind 24 Monate veranschlagt, doch auf fast der halben Strecke ist noch nichts erreicht.

Die britische Regierungschefin hat sich selbst in eine Zwickmühle manövriert. Erst mit den vorgezogenen Neuwahlen, durch die sie ihre Position stärken wollte, tatsächlich aber die Tory-Mehrheit im Parlament verspielte. Dann mit der nordirischen Splitterpartei DUP, die sie als Mehrheitsbeschaffer umgarnte und in deren Fängen sie sich nun verstrickt.

Trotz weitgehender Kompromissbereitschaft ist die Ausgangslage quasi unverändert. In der Kostenfrage ist May den Berechnungen der EU-Kommission entgegengekommen, eine Regelung für die in Großbritannien lebenden EU-Bürger einschließlich der Anerkennung des Europäischen Gerichtshofs scheint möglich, doch die Problematik der Grenze zwischen Nordirland und Irland, die erst nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs befriedet wurde und die mit dem Brexit zur neuen EU-Außengrenze würde, erscheint unlösbar. Die DUP lehnt jede Sonderregelung ab.

Unter diesen Umständen müssen sich beide Seiten auf ein Scheitern gefasst machen. Die Zeit drängt. Der Dezember-Gipfel der Staats- und Regierungschefs soll über die Trennungsmodalitäten entscheiden und den Beginn der Verhandlungen über ein Handelsabkommen billigen. Die Brüsseler Kommission hat den Briten daher ein letztes Ultimatum gesetzt – und wieder verstreichen lassen. Das wirkt gerade so, als hätte sie Mitleid mit der Premierministerin, die wohl nur deshalb noch im Amt ist, weil keiner ihrer Rivalen in der konservativen Partei den Scherbenhaufen übernehmen will.

In der britischen Wirtschaft wächst die Ungeduld. Die Unternehmen drängen auf Klarheit, wie sie nach dem Austritt im März 2019 weiter Geschäfte mit Europa machen können. Ihnen dämmert allmählich, was ein harter Brexit für sie bedeuten würde. Ein Austritt ohne neues Abkommen wäre aus wirtschaftlicher Sicht fatal. Die konservative Regierung strebt selbstredend eine äußerst komfortable Verständigung für ihre Wirtschaft an, doch zu einer Vorzugsbehandlung wird es nicht kommen. Die EU kann sich, will sie nicht mögliche Nachahmer animieren, keinesfalls darauf einlassen, alle Vergünstigungen des Binnenmarkts zu gewähren, ohne dem Partner gemeinschaftliche Pflichten aufzuerlegen.

Nach und nach wird auch der Bevölkerung die ganze Tragweite des Referendums bewusst. Die unsägliche und verlogene Kampagne, der eine knappe Mehrheit der Bevölkerung auf den Leim gegangen ist, hat dem Vereinigten Königreich nur Ärger beschert. Auch sie war Folge eines politisch-taktischen Manövers, mit dem Mays Vorgänger David Cameron seine Macht festigen und sich innerparteiliche Kritiker vom Hals schaffen wollte.

Wenn das populistische Unterfangen nicht auf dem Rücken der Menschen ausgetragen würde, könnte man sagen, es geschieht ihnen ganz recht. Doch zur Schadenfreude besteht kein Anlass. Der Brexit birgt weitreichende Risiken für Europa und für das Vereinigte Königreich. Deshalb bleibt es sinnvoller, die Türen offenzuhalten und Wege für einen Rücktritt vom Austritt zu suchen. Der frühere britische Premier Tony Blair setzt darauf, obwohl er auch in der eigenen Labourpartei dafür wenig Unterstützung findet. Der neue Parteichef Jeremy Corbyn hat die Partei nach einem dramatischen Niedergang wiederbelebt. Für ihn könnte die Rückkehr ein Projekt mit dem Ziel werden, zugleich die EU in den anstehenden Reformen auf einen sozialen und solidarischen Kurs auszurichten.

Bildquelle: pixabay, User TeroVesalainen, CC0 Creative Commons

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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