Nach den Wahldesastern von Bayern und Hessen setzt die CDU ein deutliches Zeichen der Veränderung – sie will das Ende der Ära Merkel in einem geordneten Prozess beenden. Mit einer programmatischen und personellen Erneuerung will sie sich aus dem Abstiegssog retten. Angela Merkel will der Politik am Ende ihrer Amtszeit ganz Ade sagen und gibt somit der Partei eine Chance auf einen inhaltlichen Reformprozess, der sich den Wählern mit neuen Führungsfiguren auch augenscheinlich dokumentieren lässt. Sie erhält sich bis zur nächsten Wahl damit noch einen gewissen Einfluss auf die Neugestaltung der Partei, vor allem auch auf ihren(n) NachfolgerIn, die schon aus eigenem Interesse auf eine gedeihliche Zusammenarbeit Wert legen müssen. Die Union wird sich jetzt voll und ganz auf die für sie beste Ausgangsposition für die nächste Bundestagswahl konzentrieren, dazu gehört der Zeitpunkt für einen Bruch der großen Koalition mit für den Wähler glaubwürdigen Argumenten. Nach dem Motto Politik neu denken, kann sie die Chance nutzen, in den Zeiten aufgelöster Erbhöfe und zerbrochener Denkschablonen alte Wählerschichten zurück und neue wieder zu gewinnen. Neue Führungsfiguren können all dies glaubwürdiger vollziehen als die altvorderen Spitzenkader. Politik braucht Vermittler, die Inhalte auch glaubwürdig unter die Menschen bringt.
Das größte Desaster der SPD ist, wie sie jetzt mit Wahldesastern umgeht. Verständnis für die katastrophale Lage und Mut zur drastischen Veränderung sehen anders aus als ein „Fahrplan“ für Regierungshandeln, mit dem Andrea Nahles die SPD aus der politischen Sackgasse führen will. Das ist der langweilige bürokratische Lösungsansatz einer Funktionärin, der jeglicher Ideenreichtum, visionäre Vorstellungen oder Charisma abgeht. Sie hat schon allzu lange in verantwortlicher Position am Elend der SPD mitgewirkt, als dass sie jetzt die Partei aus der Not befreien könnte. Gutes Regieren soll die Wähler überzeugen. Sie sind in Scharen weg gelaufen, auch weil Frau Nahles durch schlechtes Handeln wie in der Causa des Verfassungsschutzpräsidenten Maßen oder Nichtstun wie in der Dieselaffäre ihre fehlenden Talente unter Beweis gestellt hat. Gutes Regierungshandeln erwarten die Wähler als Selbstverständlichkeit, wie sie das von ihrer eigenen Arbeit zuhause oder in ihren Büros oder Werkshallen gewohnt sind. Visionen und Glaubwürdigkeit erwarten sie auch in einer Zeit wo immer mehr Leitbilder in Kirchen oder Wirtschaftseliten zerbrechen. Sicher, der Zerüttungsprozeß der SPD geht schon lange, aber die Partei hat es auch immer wieder vor allem in den Ländern geschafft, mit neuen Leuten und Ideen Regierungen zu stellen. Über 440.000 Mitglieder, darunter MinisterpräsidentenInnen, intelligente, unverbrauchte MandatsträgerInnen stellen ein riesiges Reservoir an Talenten, die – vom Mehltau der Funktionsschicht befreit – junge urbane Denker und Fühler, universitär Gebildete ebenso wie kulturell Affine oder aufgeklärte Gewerkschafter zu Mitmachern gewinnen könnten. Ob das noch relativ neue Führungsduo der Grünen, Marcon in Frankreich oder Kurz in Österreich. Sie alle verändern auch aufgrund ihrer persönlichen Überzeugungskraft. Die Personen als Alternativen haben Erfolge, weil Wähler natürlich nicht die Programme, sondern die handelnden Menschen wählen. Andrea Nahles als Kanzlerkandidatin einer 14 Prozent Partei? Oder Olaf Scholz aus dem Trockendock der politischen Wahrnehmung? Dazu ein Fahrplan der aus der politischen Sackgasse führen soll? Ein Erneuerungsprozess sieht anders aus.
Aus einer politischen Avantgarde ist eine graumäusige Funktionärstruppe geworden.
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