Die Wirklichkeit entwickelt sich oft schneller als das Recht. Trotz üppiger staatlicher Alimentierung hat die NPD in den zurückliegenden Jahren an Bedeutung verloren. Für die Anhänger äußerst rechter Positionen hat sich eine Alternative aufgetan. Mehr als ein Jahr nach dem vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten NPD-Verbotsverfahren hat der Bundesrat beschlossen, in Karlsruhe den Ausschluss der rechtsextremen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung zu beantragen. Nach den jüngsten Wahlen geht es zwar nicht mehr um viel, aber doch ums Prinzip.
Die Bundesländer sind sich einig. Nachdem die Verfassungsrichter ihren Verbotsantrag gegen die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ zurückgewiesen haben, beschreiten sie den Umweg. Den hatte das höchste deutsche Gericht in seiner Urteilsbegründung am 17. Januar 2017 selbst aufgezeigt. Für ein Parteienverbot sei die NPD nicht bedeutend genug, zwar verfolge sie verfassungswidrige Ziele, habe aber nicht die Stärke, sie zu erreichen, führte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle aus. Der Staat müsse jedoch seine eigenen Feinde nicht auch noch selbst nähren. Der Gesetzgeber habe vielmehr die Möglichkeit, eine verfassungsfeindliche Partei wie die NPD von der staatlichen Finanzierung auszuschließen.
Der Gesetzgeber handelte und ergänzte das Grundgesetz. In Artikel 21 heißt es nun: „Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind von staatlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser Parteien und von Zuwendungen an diese Parteien.“ Die Formulierung „darauf ausgerichtet“ soll gewährleisten, dass allein verfassungsfeindliche Ziele ausreichen, um den Geldhahn abzudrehen.
Auf dieser Basis spielt die Politik den Ball nun – wie vorgesehen – erneut dem höchsten deutschen Gericht zu. „Wir bleiben eine freiheitliche und auch eine streitbare Demokratie“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Bundesrat, „aber wir sind eben auch eine wehrhafte Demokratie.“ Ihre Amtskollegin aus Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), betonte: „Gerade in unserem Bundesland ist die NPD sehr umtriebig. Wir haben eine NPD erlebt, die versucht, sich in der Zivilgesellschaft breitzumachen, die versucht, sich in unseren Dörfern und Städten Raum zu erkämpfen.“
Nach zwei gescheiterten Verbotsverfahren – dem ersten wegen zu starker Mitwirkung des Verfassungsschutzes in der Partei, dem zweiten wegen zu geringer Bedeutung der NPD – zeichnet sich also ein weiteres NPD-Verfahren ab. Und obwohl Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung Anfang 2017 selbst den Hinweis auf dieses Vorgehen gegeben hat, ist ein Erfolg nicht garantiert.
Die NPD klagt gegen die Grundgesetzänderung, die den Grundsatz der Gleichbehandlung von Parteien aufgibt. Da wird Karlsruhe darüber zu befinden haben, ob die angeregte Gesetzesänderung verfassungskonform ist. Und falls die Grundgesetzänderung vor Gericht besteht, wird auf dieser Grundlage über den Antrag des Bundesrats entschieden. Folgt das Gericht schließlich dem Antrag, wird die NPD für sechs Jahre von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen, eine Verlängerung kann beantragt werden.
Bis zu einer Entscheidung wird noch einige Zeit ins Land gehen, und ob der Ausschluss rückwirkend erfolgen kann, ist unklar. Doch, wie gesagt, die fetten Jahre, in denen die NPD mehr als eine Million Euro überwiesen bekam, sind vorbei. In diesen Wochen werden die Zahlungen ermittelt, die sich aus dem Ergebnis der Bundestagswahl vom 24. September 2017 ergeben. Und da wird bei der AfD die Kasse klingeln, die es mit 13 Prozent in den Bundestag geschafft hat, obwohl auch sie mit unserer Verfassung auf Kriegsfuß steht.
Bildquelle: Wikipedia, Von Tobias Helfrich – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0,