Vorbemerkung: Die innerparteiliche Diskussion in der SPD über Fragen von Sicherheit und Frieden ist lebendiger als es nach aussen scheint. Das zeigt eine bisher öffentlich nicht bekannte Stellungnahme des Seniorenrats der SPD „SPD ist Friedenspartei“ aus dem Oktober 2024.
Mit der Stellungnahme haben sich frühere Oberbürgermeisterinnen, Abgeordnete, Minister bis hin zum früheren Präsidenten des Deutschen Bundestags Wolfgang Thierse neben der notwendigen Abschreckung und Verteidigung durch die Bundeswehr entschieden für „Initiativen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle“ ausgesprochen.
Die Mitglieder des Seniorenrats hatten mit ihrer Erklärung den Aufruf von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten unterstützt, an einer Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin teilzunehmen.
Die „Stellungnahme“ setzt ein deutliches Zeichen gegen die Verengung der öffentlichen Diskussion über Sicherheit und Frieden auf militärische Gesichtspunkte und unbegrenzte Aufrüstung.
An den Parteivorstand der SPD
STELLUNGNAHME DES SENIORENRATS: SPD IST FRIEDENSPARTEI!
Die unterzeichnenden Mitglieder des Seniorenrats haben den Aufruf von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten zur Teilnahme an der Friedensdemonstration am 3. Oktober 2024 in Berlin unterstützt, damit die SPD in der Öffentlichkeit klar und deutlich als Friedenspartei und Teil der Friedensbewegung mit ihren Positionen zum Ukrainekrieg, den Kriegen in Nahost und zur Stationierung landgestützter Langstreckenwaffen erkennbar bleibt.
Wir verurteilen den kriegerischen und völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine, der Leid, Elend, Tod und Zerstörung sowie Flucht und Vertreibung ausgelöst hat. Dagegen muss sich die Ukraine verteidigen können. Deutschland unterstützt die Ukraine sowohl militärisch als auch mit humanitären Maßnahmen. Diese Anstrengungen müssen und werden begleitet durch diplomatische Anstrengungen, um Chancen für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen auszuloten. Das muss intensiv fortgesetzt werden, auch wenn die russische Seite sich noch nicht bewegt. Die internationale Diplomatie darf sich nicht entmutigen lassen.
Das gilt auch für den Krieg im Nahen Osten. Hier führt Israel inzwischen einen Vielfrontenkrieg. Israel muss sich gegen die terroristischen Überfälle der Hamas und der Raketenangriffe der Hisbollah wehren können und in diesem Kampf unterstützt werden. Das tut Deutschland vorbehaltlos, weil wir Terrorismus und Antisemitismus verurteilen. Dennoch muss sich die israelische Verteidigung im Rahmen des Völkerrechts bewegen und die Zivilbevölkerung möglichst schonen. Frieden kann es in Israel erst geben, wenn es gelingt, eine gerechte Lösung auch für das palästinensische Volk zu finden.
Die Bundeswehr muss selbstverständlich so ausgestattet und ausgerüstet sein, dass sie im Rahmen des NATO-Bündnisses Abschreckung und Verteidigung sichern kann. Dennoch kritisieren wir die einseitige Festlegung einer automatischen Stationierung neuer konventioneller (aber atomar aufrüstbarer) bodengestützter amerikanischer Mittelstreckenraketen in Deutschland. Anders als beim NATO-Doppelbeschuss fehlt die Einbindung der NATO-Partner und ein Angebot zur Abrüstung an Russland. Das muss dringend öffentlich diskutiert und nachgeholt werden.
Internationale diplomatische Anstrengungen müssen sowohl für die Ukraine wie für Nahost intensiviert werden. Zur Erreichung von Frieden in der Welt müssen Initiativen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle entwickelt werden. Dem Grauen der Kriege muss eine humane Perspektive entgegengestellt werden.
Für den Seniorenrat der SPD
Anke Brunn, Marion Caspers-Merk, Bärbel Dieckmann, Rose Götte, Bruno Köbele, Gerlinde Kuppe, Heidi Merk, Christa Randzio-Plath, Herbert Schmalstieg, Wilhelm Schmidt, Wilma Simon (Vorsitzende), Wolfgang Thierse
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