Nach der Wahl am vergangenen Sonntag sind die Verhältnisse in der italienischen Politik völlig neu: das Ergebnis hat das Porträt eines Landes gezeigt, das in diesem Ausmaß ungeahnt war, sogar seitens der Gewinner. Die Bewegung „Fünf Sterne“ liegt an der Spitze mit mehr als 30% der Stimmen, gefolgt von der PD, die aber das schlechteste Ergebnis ihrer langen Geschichte erzielte und deutlich unter 20% geblieben ist. Unmittelbar danach die ausländerfeindliche „Lega“, die fast so viele Stimmen wie die PD bekam, dann „Forza Italia“.
Eine Revolution, wie einige Kommentatoren gesagt haben, oder der Anfang der Dritten Republik laut der Zeitung „la Repubblica“.
Wir haben ein Land, das nach diesen Zahlen ohne Regierung bleibt: keiner der Gewinner, nicht einmal die rechts-mitte Koalition, hat die nötige Mehrheit erreicht, um alleine eine Regierung zu bilden.
Mattarella, der Präsident der Republik, ist nun am Zug
Aufgabe des Präsidenten der Republik ist es nun, Vertreter aller Parteien zu Sondierungen einzuladen, um den möglichen Premierminister zu ermitteln und diesen mit der Bildung der neuen Regierung zu beauftragen. Der Movimento „5 Sterne“ hat schon seine Bereitschaft erklärt, mit allen Beteiligten reden zu wollen, während die Koalition aus der „Rechts-Mitte“ um Salvini und Berlusconi (Lega und Forza Italia) die Rolle des Premiers für sich beansprucht. Noch etwas Interessantes gibt es aus diesem Lager: die „Lega“ ist deutlich stärker aus der Wahl hervorgegangen als „Forza Italia“, die nun nicht mehr verlangen kann, dass Ihr Kandidat, der Präsident des europäischen Parlaments Antonio Tajani, Premier wird. Die Tragweite dieses Datums ist nicht zu unterschätzen: die Italiener haben sich mit dieser Entscheidung deutlich weiter nach rechts orientiert.
Zeit für eine Allianz zwischen Lega und „Movimento 5 Stelle“ ?
Aus diesem Grund könnte rein theoretisch ein Abkommen zwischen Movimento 5 Stelle und Lega möglich sein. In einigen Punkten der Programme beider Parteien zeigen sich Gemeinsamkeiten: drastische Einschränkung der Immigration, Reform des Arbeitsmarktes und infolge dessen des Rentensystems, Skepsis in Sache EU und Euro, Protektionismus des Made in Italy, Vereinfachung und Absetzung von verschiedenen Steuern. Beide Parteien haben in der Wahlkampagne den Italienern das versprochen, aber leider haben beide nicht fundiert gezeigt, wie diese Maßnahmen zu finanzieren sind. Wie dauerhaft eine Regierung mit solchen Prämissen wäre, ist mir schleierhaft.
Regierung von Technokraten ?
Die Alternative — falls die verschiedenen Lager sich nicht einigen — ist eine technische Regierung, wie sie das Land schon mehrmals gesehen hat. Diese hätte die Aufgabe, schon wieder ein neues Wahlgesetz zu verabschieden und das Land fast „kommissarisch“ bis zur neuen Wahl zu regieren. Und eine solche Pattsituation ist wirklich nicht das, was Italien und Europa brauchen.
Die linke Front
Matteo Renzi ist als Parteivorsitzender der PD zurückgetreten und hat nochmals bestätigt, dass die PD zur Opposition nun gehört.
Sein Rücktritt wird aber nicht gleich in Kraft treten, sondern erst wenn das Land eine neue Regierung hat. Er fühle sich den PD-Wählern gegenüber verpflichtet, diesen Prozeß zu begleiten. Ehrenhaft, wirklich, aber er tut wahrscheinlich seiner Partei keinen Gefallen: aus der internen, linken Minderheit seiner Reihen ist nach dieser Ankündigung mehr als ein Rumoren zu hören. Natürlich muss die PD sich neu aufstellen, Fehler analysieren, Mitglieder und Delegierte müssen sich mit offenen Karten bei einem Parteitag austauschen und endlich sozialdemokratische Politik von unten betreiben.
Die Fehler der PD
Die Fehler der PD in den Jahren der Regierung und während der Wahlkampagne sind verschiedener Natur und zeigen einige Gemeinsamkeiten mit der deutschen SPD, und damit leider den negativen Trend der Sozialdemokratie allgemein in Europa.
Bis zur Konstitutions-Volksabstimmung im Dezember 2016 wurde Renzi für eine Art Retter gehalten, sowohl auf der institutionellen Ebene als auch für die Partei. Danach fing der Sonnenuntergang an, der durch seine erneuerte Ernennung zum Parteivorsitzenden im April 2017 gebremst wurde. In der Wahlkampagne entschied die Partei, auf das Charisma einzelner zu verzichten, denn das war angeblich der Grund, weswegen die Volksabstimmung gescheitert war. Lieber stellt man sich als geschlossene Mannschaft vor. Theoretisch richtig, aber diese Strategie, die zu spät einsetzte, wurde aber nicht konsequent angewendet.
Auf der einen Seite ging die innere Spaltung der Partei weiter, auf der anderen hat man die Parteivertreter — wegen der vom Wahlgesetz gestellten Einschränkungen — aus ihrem Bezirk verdrängt und an ihrer Stelle Kandidaten für die Direktmandate aufgestellt, die aus der Parteizentrale stammten und nichts mit ihrem Wahlbezirk am Hut hatten.
Die treuen Wähler der Basis haben sich ausgeschlossen gefühlt und dafür die Partei bestraft, indem sie ihre Stimme einem der anderen Kontrahenten gegeben haben, oft dem „Movimento 5 Stelle“. Dadurch ist der Niedergang selbst in sicheren Wahlbezirken zu erklären, die traditionell zur Wählerschaft der PD, z. B. an der Küste der roten Toskana, gehören.
Man hat auf die Bedürfnisse der Menschen nicht gehört, die um ihren Arbeitsplatz und die Zukunft ihrer Kinder bangen, die nach mehr Sicherheit verlangen. Man war nicht in der Lage, diese Menschen mitzunehmen und ihnen zu erklären, warum gut gesteuerte Immigration eine Bereicherung fürs Land ist. Man war nicht bereit, manche unangenehmen Gespräche mit den Genossen zu führen, den Ernst der Lage zu begreifen und, wenn notwendig, sich neu aufzustellen in manchen Bereichen.
Aus den selben Gründen hat die deutsche SPD den Kontakt zu ihrer Wählerschaft erst im rot-grün regierten NRW und dann auf Bundesebene verloren: das Zaubern eines sogenannten Retters, hieße er Renzi oder Schultz, hat das Blatt nicht wenden können.
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