Holocaustdenkmal Berlin

Knobloch: Dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholt – Die Würde des Gedenkens an die Nazi-Diktatur ist der AfD egal

Die Würde des Gedenkens an die Nazi-Diktatur und ihrer Morde an Millionen Juden ist Teilen der AfD egal, wie ihnen überhaupt die Werte dieser deutschen Demokratie egal sind. Weil für sie, so hat es Alexander Gauland, einer ihrer Führungsleute gesagt, Hitler nur ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen sei, weil für einen wie Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin, gleich neben dem Brandenburger Tor, eine „Schande“ sei. Das Mahnmal erinnert an den Völkermord der Nazis, an den Holocaust. Und diese AfD-Leute können die Wahrheit nicht ertragen, die ihnen an diesem Gedenktag Charlotte Knobloch, die Präsidentin, der Jüdischen Gemeine von München und Oberbayern, im bayerischen Landtag vorhielt. Als sie von der freien Gesellschaft sprach und die Parteien zum Schutz der Demokratie aufrief, griff sie die AfD direkt an: „Heute und hier ist eine Partei vertreten, die diese Werte verächtlich macht und die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlost und enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu unterhält.“ Sie können es nicht ertragen, wenn man sie beim Namen nennt, wie Frau Knobloch das tat. „Diese sogenannte Alternative für Deutschland gründet ihre Politik auf Hass und Ausgrenzung und steht nicht nur für mich nicht auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung.“ Einige AfD-Landtagsabgeordnete verließen den Saal, die Vertreter aller anderer Parteien applaudierten.

Es sei unser aller Verantwortung, mahnte die frühere Präsidentin der jüdischen Gemeinde in Deutschland, Knobloch, „dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholen darf.“ Das Unvorstellbare, wie es einst geschah in Deutschland und auch mitten in München, einer Stadt der Kunst, die dann von den braunen Horden zur Hauptstadt der Bewegung ernannt wurde, oder soll man besser sagen, erniedrigt wurde. Von München aus, direkt vom Saal des alten Rathauses hetzte Goebbels im November 1938 gegen die Juden und gab den Startschuss für ein Pogrom, in deren Folge Hunderte von Synagogen in Deutschland von einem deutschen Mob, angestachelt von der SA, in Schutt und Asche gelegt wurden, Geschäfte und Häuser von Juden wurden ebenfalls angezündet, demoliert, die Auslagen auf die Straße geworden und verbrannt oder von Deutschen geplündert, eine Feuerwehr erschien in dieser Nacht nicht, deutsche Zuschauer ergötzten sich an dem Schauspiel. Ja, sie klatschten Beifall und verhöhnten die Juden, die von SA-Leuten auf die Straßen getrieben und verprügelt wurden. In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden mehr als 1300 Juden ermordet und über 30000 Juden in Konzentrationslager deportiert. Allein ins KZ Dachau, vor den Toren Münchens gelegen, wurden an diesem Tag über 1000 Juden verschleppt.

Auschwitz- die Hölle auf Erden

Daran zu erinnern ist der Sinn eines solchen Gedenktages. Gerade im Vorfeld des 27. Januar, jenem Tag im Jahre 1945, an dem von der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit wurde. Auschwitz, Sinnbild der Vernichtung der Juden und der Schreckensherrschaft der Nazis über die europäischen Völker. Allein in diesem Lager in Polen, unweit der schönen Stadt Krakau, wurden eine Million Juden umgebracht. Auschwitz, die Hölle auf Erden. Hier wurden Millionen Menschen gequält, systematisch erniedrigt, verprügelt, man ließ sie in Steinbrüchen schuften, bis sie umfielen, man ließ sie verhungern, verdursten, man vergaste sie, den Geruch wird man nie vergessen. Und das alles sei nur ein „Vogelschiss“, sagt einer wie Gauland, der für die AfD in der ersten Reihe des Bundestages in Berlin sitzt.

Für Charlotte Knobloch ist dieser Gedenktag ein besonderer Tag. Sie, 1932 in München geboren, wird die Erinnerungen an jene Jahre nie verdrängen oder vergessen können. Nach der Scheidung ihrer Eltern wurde sie von ihrer Großmutter Albertine Neuland erzogen, die 1944 im KZ Theresienstadt ermordet wurde. Die ehemalige Hausangestellte ihres Onkels, Kreszentia Hummels, rettete sie vor der Deportation ins KZ Theresienstadt. Diese Frau Hummels nahm das Kind Charlotte mit auf ihren Bauernhof in Franken und gab es als eigenes uneheliches Kind aus. Für diese Rettung wurde Frau Hummels 2017 mit dem Titel „Gerechte unter den Völkern“ geehrt.

2006 wurde die neue Synagoge in München eingeweiht, das jüdische Museum mit Gemeindehaus folgten ein Jahr später. In einem Buch “ In Deutschland angekommen: Erinnerungen“, das sie zusammen mit Rafael Seligmann geschrieben hat, schildert sie ihre sie bedrückenden Erinnerungen an jene Jahre. Man kann dort nachlesen, was sie empfand im Vorfeld der Eröffnung der Synagoge, als die Bilder vom 9. November 1939 ihr wieder gegenwärtig wurden. Als Vater und Tochter  die Wohnung verließen-sie hatten eine Warnung erhalten- und zu Fuß durch die Stadt liefen, aber so, dass sie nicht als Juden erkannt wurden. Sie hatte plötzlich wieder den Geruch der brennenden Synagoge in der Herzog-Rudolf-Straße in der Nase und das Feuer vor Augen, die angezündeten Häuser von Juden, deren demolierte Geschäfte, sie sah, wie SA-Leute Gebetbücher und Thorarollen auf einen Scherbenhaufen warfen und eine Menschenmenge dabei johlte, andere verließen, bepackt mit gestohlenen Gegenständen aus zerstörten Geschäften, die Häuser und liefen mit ihrer Beute davon. Feuer, Flammen, der Gestank, das alles wird sie nicht mehr los, schildert Charlotte Knobloch.

Denk ich an Deutschland in der Nacht

Die jüdische Gemeinde ist wieder im Herzen Münchens angekommen, schreibt sie. Und wird doch den Lärm und das Geschrei jenes 9. November stets im Gedächtnis mit sich schleppen. Sie hört, wie Menschen rufen: „Juda verrecke!“ Keiner hilft, viele klatschen Beifall und lachen. Ist es ein Wunder, dass eine wie Charlotte Knobloch, eine gebürtige Münchnerin, die das alles gesehen und erlebt hat, immer wieder auch an den Juden Heinrich Heine denken muss und sein Gedicht: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Ist es verwunderlich, dass Juden sich Sorgen machen, ob Deutschland von der „verbrecherischen Krankheit des  Nationalsozialismus“ geheilt ist.  Dürfen wir Deutschland vertrauen? Diese Fragen stellen sich Juden doch zu Recht immer wieder, wenn sie Leute wie Höcke hören, ihn und seine Parteifreunde im Parlament sitzen sehen.

München ist eine alte auch jüdische Stadt, der erste Jude soll ein Abraham Municher gewesen sein, der im 13. Jahrhundert dort gelebt habe, finde ich im Archiv. Und aus dieser Stadt, der Heimat für Charlotte Knobloch, wurde die Hauptstadt der Nazis, am Königsplatz ließen sie die Parteizentrale der NSDAP bauen. Heute steht dort-nach jahrelanger Debatte- das NS-Dokumentationszentrum.

AfD-Abgeordnete verließen den Plenarsaal des Landtags, weil die Partei als Ganzen angegriffen wurde. Wundert sie das, wenn man Äußerungen von Gauland und Höcke hört, wenn von ihren Leuten im SA-Jargon geredet wird, dass man bei Beamten „ausmisten“ werde, wenn Abgeordnete davon reden, durch die „antideutsche und antibayerische Politik“ drohe Bayern in eine multiethnische Besiedlungszone“ umgewandelt zu werden. Wenn sie davon schwafeln, dass sie sich ihr Land zurückholen wollten oder davon, dass die Migration eine Verschwörung des jüdischen Großkapitals sei. Sie wollen provozieren, weil sie glauben, davon zu profitieren,  weil sie sich wieder mal in einer Märtyrerrolle darstellen könnten.

Nie wieder! Man kennt den Schwur angesichts von antisemitischen Vorfällen, die täglich passieren, manchmal fürchte ich, dass Antisemitismus wieder salonfähig zu werden scheint in Deutschland. Und ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich war in Auschwitz, Bergen-Belsen, Mauthausen, Treblinka, Theresienstadt, im letzten Sommer habe ich die KZ-Gedenkstätte in Dachau besucht. Gedenken an die Opfer ist für Charlotte Knobloch auch, Position zu beziehen für die Demokratie. Damit das Unfassbare nicht wieder passiert. Die AfD will diesen Staat, diese parlamentarische Demokratie nicht, sie verhöhnt gern die politischen Repräsentanten unseres politischen Systems. Aber alle demokratischen Parteien, Kirchen und Gewerkschaften sind sich hier einig: Diese Republik ist die beste, die wir je hatten. Sie gilt es zu verteidigen. Wehret den Anfängen!

 

Bildquelle: pixabay, NettiJonietz, Pixabay License

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arbeitete als stellvertretender Chefredakteur und Berliner Chefkorrespondent für die WAZ. 2009 gründete Pieper den Blog "Wir in NRW". Heute ist er Chefredakteur des Blogs der Republik.


'Knobloch: Dass das Unvorstellbare sich nicht wiederholt – Die Würde des Gedenkens an die Nazi-Diktatur ist der AfD egal' hat einen Kommentar

  1. 26. Januar 2019 @ 13:34 Meuser, Rolf

    Glückwunsch zu diesem Beitrag. Hier hat der Autor harte Fakten auf den Punkt gebracht und diejenigen, die unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten, auch namentlich an den Pranger gestellt. Diese Darstellung hat beim Lesen bei mir viel
    Zustimmung gefunden. Ist nur zu hoffen und zu wünschen, dass unsere demokratischen Parteien Mittel und Wege finden, diesen braunen Sumpf trocken zu legen.

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