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Kompliziert, eilig und stillschweigend: Gesetzgebung nach der Methode Seehofer

Das Bundesverfassungsgericht wird wohl wieder jede Menge zu tun bekommen. Wie schon so oft, wenn es – massiert nach den Anschlägen vom 11. September 2001 – um die Gesetzgebung im Bereich der Sicherheit ging, schießt der Bundestag übers Ziel hinaus, und das höchste Gericht muss unsere Grund-, Freiheits- und Menschenrechte schützen.

Mit dem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist es nun ausgerechnet der Verfassungsminister selbst, der die Fragwürdigkeit der jüngsten Gesetzgebungsakte bloßlegt. „Man muss Gesetze kompliziert machen“, sagt er und fügt hinzu: „Dann fällt es nicht so auf.“ Zwar sagt er nicht ausdrücklich, was dann nicht so auffällt, doch dass es sich um Angriffe auf die Freiheit und Menschlichkeit handeln muss, liegt bei der Aussage auf der Hand.

Kompliziert, so dass niemand die Sauereien entdeckt. Das bedeutet im Klartext, dass die Öffentlichkeit hinters Licht geführt werden soll. Sie erfährt nicht, welchen Preis die angeblichen Errungenschaften haben werden. Zu der Verschleierungstaktik passt das so beliebt gewordene Schnüren von Gesetzespaketen. Damit verschaffen sich die Parteien der Großen Koalition jeweils einzelne Erfolgsprojekte zum Vorzeigen und schlucken im Gegenzug, was dem anderen wichtig ist: das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ für die SPD, das „Geordnete-Rückführungsgesetz“ für die Union. Allein die Titel lassen die Zuordnung erkennen.

Schon mit der Bezeichnung von Gesetzesvorhaben beginnt der Einfluss auf den öffentlichen Willensbildungsprozess. Das verfassungsrechtlich bedenkliche Gesetz, das einer Vielzahl von Behörden den Zugriff auf die Daten von Ausländern verschafft, heißt in ganzer Pracht „Datenaustauschverbesserungsgesetz“. Und was, wenn nicht Zweifel an der Rechtmäßigkeit, hätte Seehofer veranlasst, das Gesetz „ganz stillschweigend“ einzubringen. „Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so.“

In das Bild einer absichtsvoll undurchsichtigen Vorgehensweise fügt sich das Tempo, mit dem das Gesetzespaket durch den Bundestag gepeitscht wurde. Die Opposition hatte kritisiert, dass die Zeit für eine solide Beratung nicht ausgereicht habe. In der Sache wird das noch zu manch bösem Erwachen führen. Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung und die Inhaftnahme ohne Urteil stehen im Widerspruch zum Grundgesetz, und beim Datenschutz wird zu klären sein, ob die Schutzbestimmungen der Verfassung tatsächlich nur exklusiv für Deutsche gelten.

 

Bildquelle: Pixabay, 8385, Pixabay License

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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