Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Stelldichein der transatlantischen Politik. Wer kommt, ist interessant, und wer fernbleibt. Was gesagt wird, überrascht selten, aber das Wie kann aufhorchen lassen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), nach der Regie an Prominenzplatz zwei hinter US-Vizepräsident Mike Pence gesetzt, hat die Gelegenheit genutzt.
Als eine vom alten Schlag trat sie auf, die dienstälteste Regierungschefin in Europa, eine, die sich im weltweiten Chaos gelassen behauptet, die an Gewissheiten der multilateralen Zusammenarbeit festhält, die nicht klein beigibt, wenn der große Bruder sie tadelt. Das Gasprojekt Nord Stream 2 mit den Russen verteidigt sie gegen die aufkommende Flüssiggaskonkurrenz aus USA, die deutschen Automobile gegen die wirtschaftsfeindlichen Anwandlungen daselbst, das Atomabkommen mit dem Iran und auch das Unterschreiten des Zwei-Prozent-Ziels der NATO – das allerdings halbherzig.
Sie stellt eine weitere Steigerung der Rüstungsausgaben in Aussicht (zynisch gesagt, ist das angesichts der grassierenden Misswirtschaft im Verteidigungsministerium kein Problem), und sie stellt zugleich die Aufwendungen in der Entwicklungszusammenarbeit in Rechnung. Die in der Großen Koalition vereinbarte Koppelung der entsprechenden Haushaltsposten ist zwar bei weitem noch nicht in Sicht. Doch immerhin weist Merkel darauf hin, dass Sicherheit nicht allein eine Frage des Militärs ist.
Klimawandel, Meeresverseuchung, Migration, Handel: in der globalisierten Welt hängt alles miteinander zusammen, und deshalb sind nationale Alleingänge abzulehnen. Verantwortungsvolle Politik erfordert die Zusammenarbeit aller. Das ist deutliche Kritik am nationalistischen Ausscheren der USA bei zentralen Zukunftsfragen, auch an den sich abzeichnenden einsamen Entscheidungen über Syrien und Afghanistan, schließlich – wenngleich viel zu zaghaft – an der Kündigung des INF-Vertrages über die atomaren Mittelstreckenraketen.
„Die Antwort kann nicht in blindem Aufrüsten liegen“, sagte Merkel in München. Genau das aber zeichnet sich ab, wenn der für Europa so eminent wichtige Abrüstungsvertrag im August ausläuft. Millionen Menschen haben in den Hochzeiten der Friedensbewegung für diesen Vertrag gekämpft. Ihr beharrlicher Protest hat Ronald Reagan und Michail Gorbatschow zu der historischen Vereinbarung über die Verschrottung der SS20 und Pershingraketen gebracht. Und angesichts der gefährlichen Tragweite, die das Ende des INF-Abkommens bedeutet, waren die ersten Reaktionen der Bundesregierung äußerst verhalten, die Anmerkungen der Kanzlerin kleinlaut.
Richtig ist, dass Atommächte wie China, Indien und Pakistan dringend in vertragliche Regelungen zur atomaren Abrüstung eingebunden gehören. Doch reißt man nicht einfach ein bestehendes Gebäude ein, um in ferner Zukunft ein größeres neues zu errichten, zumal die potenziellen Bauherren noch gar nicht zugestimmt haben. Da wären deutlichere Worte an die Adresse von Donald Trump und Wladimir Putin angesagt und entschlossene Initiativen, um die verbleibenden Monate bis August noch zu nutzen. Lassen Moskau und Washington den INF-Vertrag scheitern, sieht es auch für den Start-Vertrag düster aus, der 2021 ausläuft, und ein neues atomares Wettrüsten droht. Es steht viel auf dem Spiel.