Schockierende News und Bilder am Abend des 15. April auf allen Nachrichten- und Social Media-Kanälen: Das Weltkulturerbe Notre Dame brennt lichterloh. Eine Katastrophe für Paris, für ganz Frankreich aber auch für alle Europäer. Die Schäden und Folgen sind nicht absehbar, egal wieviel noch von diesem wunderbaren Bauwerk noch gerettet werden kann. Jedes Jahr pilgerten über 13 Millionen Besucher zur Île de la Cité, dem ältesten Teil von Paris, um dieses Meisterwerk der Gotik zu besuchen. Wer die Bilder am Fernsehen beobachtet hat, konnte die Hilflosigkeit der Löscharbeiten nicht übersehen. Solche historischen Bauwerke sind schlichtweg mit den technischen Möglichkeiten der Gegenwart nicht ausreichend zu schützen und vor solchen Brandkatastrophen zu bewahren. Nach den Standards modernen Brandschutz wäre so eine Kathedrale heute mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht mehr gebaut worden. Moderne Kirchen sehen zuletzt wohl deshalb eher nach Bunker denn nach Kirche aus. Und in Berlin sehen wir ja, wie ein einfacher Flughafen seit Jahren an Brand- und Bauschutzmaßnahmen scheitert.
Die Ursache für diesen schrecklichen Brand wird unmittelbar in der gerade begonnenen Renovierung des historischen Dachstuhls zu suchen sein. Mit Sicherheit werden sich die Verantwortlichen aber vorwerfen lassen müssen, nicht ausreichend für Schutz- und Frühwarnsysteme gesorgt zu haben. Solch eine Katastrophe ist selten schicksalshaft, sie gründet meist in menschlichem Versagen.
Aber unabhängig von den unmittelbaren Ursachen, trifft den Staat eine Mitverantwortung. Seit Jahren war klar, dass die Kathedrale einer dringenden Sanierung in nahezu allen Bereichen bedarf, wenn man diesem einmaligen Denkmal mit all seinen Kunstschätzen auch für längere Zukunft garantieren wollte. Die zugesagten staatlichen Mittel (weniger ein Versagen Macrons als des seinerzeit amtierenden Präsidenten Hollande) waren aber mit ca. 50 Millionen Euro bei weitem nicht ausreichend angesichts eines geschätzten Mittelbedarfs von ca. 150 Millionen EURO. Davon standen jetzt bei Beginn der Bauarbeiten wohl erst 60 Millionen zur Verfügung. Eigentlich ein lächerlicher Betrag angesichts der Bedeutung von Notre Dame, national wie international. Von Anfang an stand daher das Vorhaben der Renovierung unter erheblichen Sparzwängen. Da die katholische Kirche selbst nur bescheidene Beiträge zum Erhalt ihrer historischen Bauwerke beisteuert (von ausgefallenen Badewannen und Luxuswohnungen für ihre Bischöfe mal abgesehen, siehe Bistum Limburg), sollte eine private Stiftung die fehlenden 100 Millionen beisteuern. Zum Vergleich: In der Bundesrepublik steckt die Regierung, ohne mit der Wimper zu zucken, mehr als 135 Millionen in ein – angeblich – symbolträchtiges Schiffswrack der Bundesmarine (wir reden über die Gorch Fock), dessen Beitrag zur Verteidigung der Bundesrepublik weniger effektiv ist als die panzerbrechende Wirkung bayerischer Semmeln (oder norddeutscher Strippen).
In Deutschland kennen viele Baudenkmäler ein ähnliches Schicksal wie das Gezerre um die Renovierungskosten für Notre Dame. Von dem traurigen Schicksal der nahezu völlig vernichteten Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Auch hier ein unzureichender Brandschutz als Katalysator der Katastrophe. Ohne erhebliche Beteiligung der Bürger, privater Stifter und – meist aufdringlicher – Sponsoren (siehe das Berliner Schloss) ist der Erhalt wichtiger Kulturdenkmäler meist nicht möglich. Geld wäre dabei eigentlich staatlicherseits vorhanden, aber die Politik verstrickt sich lieber in Diskussionen über (u.a.) Steuersenkungen oder Steuergeschenke für Banken und große Unternehmen, weil man aus Angst vor Abwanderung und fehlender internationaler Konkurrenzfähigkeit vor der mächtigen Lobby der Interessen Weniger einknickt. Für die kriminellen cum cum und cum ex Geschäfte haben die Steuerzahler in Europa mindestens 55 Milliarden Euro bereitgestellt. Und bis heute weiß niemand so genau, ob das nicht sogar für alle Beteiligten straffrei ausgeht. Man stelle sich vor, man hätte diese Summe für den Denkmalschutz gefordert. Christian Lindner wäre der erste gewesen, der den Untergang des Abendlandes (womit wohl dann eher der Wirtschaftsstandort Deutschland und nicht die Kulturnation gemeint wäre) prognostiziert hätte. Sicher wäre er nicht allein.
So schockierend die Bilder der brennenden Kathedrale sind, so groß die Schäden und unwiederbringlichen Verluste an Jahrhunderte alten Kunstschätzen sein werden, erleichternd ist die Nachricht am späten Abend, dass die Grundstruktur der Kathedrale und die Westfassade mit den beiden so typischen Türmen mit hoher Wahrscheinlichkeit gerettet werden konnten. Notre Dame wird wieder aus der Asche auferstehen. Das ist für Frankreich eine selbstverständliche nationale Aufgabe, eine nationale Verpflichtung. Notre Dame wird sicher irgendwann wieder der strahlende Mittelpunkt des Herzens von Paris sein und die Touristen begeistern. Aber wir sollten angesichts dieser Katastrophe mal innehalten und überdenken, wie wir bei uns und in Europa mit Kulturdenkmälern umgehen. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf für die Politik auf allen Ebenen und breiter Diskussionsbedarf in unserer Gesellschaft.
Bildquelle Titelbild: Wikipedia, Remi Mathis – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Bildquelle Brand: Wikipedia, LeLaisserPasserA38 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0
Alle anderen Bilder: Blog der Republik
'Notre Dame brennt- eine unfassbare Katastrophe für Frankreich, für ganz Europa und ein trauriges Beispiel für den Umgang mit Kulturgütern' hat keine Kommentare
Als erste/r kommentieren