Im Kanzleramt wurde die Nacht zum Tag. Es tagten Koalitionsausschuss und Klimakabinett. Mindestens die Zeit, die da verbraucht wurde, war durchaus angemessen. Die Große Koalition war angetreten, eine Klimapolitik zu entwerfen, die nach Einschätzung der Kanzlerin nicht weniger sei, als die größte „Menschheitsherausforderung“ der Gegenwart. Die Koalition zerbrach sich immerhin 18 Stunden lang ohne Unterbrechung die Köpfe. Es sollte endlich eine überzeugende Antwort auf den politischen Minimalismus zum Klimaschutz gegeben werden, der das zurückliegende Jahrzehnt beherrscht hatte.
Zeitgleich an diesem Freitag hatte Fridays for Future aufgerufen, weltweit für eine Klimapolitik zu streiken, die den Planeten schützen und vor dem Untergang retten soll. Hunderttausende Menschen, vorwiegend Schüler und Studenten, aber längst auch viele aus anderen Altersstufen sammelten sich vor dem Reichstag in Berlin und in dutzenden weiteren Städten und ebenso Millionen Menschen in 150 Ländern, die von der Sorge um die Zukunft des blauen Planeten auf den Straße demonstrierten.
Völlig unabhängig davon, ob die Beschlüsse im Kanzleramt tatsächlich ausreichende Antworten geben werden, auf die Herausforderungen, die die Art des Wirtschaftens im Kapitalismus vom Planeten übrig lassen: Erste Reaktionen aus der Wissenschaft wie von Umweltverbänden und der jungen Generation jedenfalls lassen kaum ein gutes Haar an dem Gesetzespaket. Der große Wurf, der in den vergangenen Tagen mal mehr, und mal weniger deutlich, angekündigt wurde, ist es danach offenkundig nicht geworden. Die mehrseitige Beschlussvorlage dagegen, so der Koalitionsausschuss, halte angeblich alle Zusagen der Bundesregierung ein, um ihren Anteil am weltweiten Klimawandel zurückzufahren.
Die Klimaziele, die sie auch international versprochen hat, sind nicht zum Nulltarif zu haben. Die Schätzung der Kosten notwendiger Veränderungen im Wirtschaftsgefüge, und Anreize, zu klimafreundlichen Technologien zu wechseln, sind von der Bundesregierung mit 55 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre veranschlagt. Da der Bund noch jedes Jahr 57 Milliarden Euro ausgibt, um die Welt von Gestern aufrechtzuerhalten, mit Steuervergünstigungen für den Diesel, und Steuerbefreiung für Kerosin und die Pendlerpauschale, wäre genügend Geld vorhanden, um auch jeden Anschein von Wählerbetrug zu vermeiden.
Jedenfalls darf Klimaschutz nicht weiter dem Kapitalismus überlassen werden. Wohin das führt, ist bei Dieselgate und Betrugssoftware hinreichend mitgeteilt. Ebenso, dass die Kanzlerin in Brüssel sich als Büttel der Interessen der Automobilindustrie nicht zu schade war. Sie intervenierte auftragsgemäß und reduzierte die Absicht der Kommission, schärfere klimaschädliche Abgasgrenzen zu durchzusetzen. Erneut steht die Frage, ob die Koalition weiter der Wirtschaft die Möglichkeit gibt, der Politik die Handlungsmöglichkeiten vorzuschreiben, und nur dort zuzulassen, wo es ihre Interessen nicht sonderlich stört. Die Debatte um das „größte“ Klimaschutzpaket wird zeigen, ob die Koalition die nächsten Wochen übersteht. Für die SPD jedenfalls gehört das zu den Fragen, die auch ihre Existenz berühren.
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