Sehr geehrter (das schreibt man so, auch wenn man den Adressaten nicht verehrt) Herr Minister Scheuer,
zu den ungezählten Besitzern eines Diesel-PKW mit der berühmt-berüchtigten Schummelsoftware gehöre auch ich. Mein Auto ist also entgegen der Werbung des Herstellers, der ich beim Kauf vertraute, eine todbringende Giftschleuder. Todbringende Giftschleuder – das ist keine Übertreibung. Die Ergebnisse seriöser Studien sind eindeutig: Jährlich sterben Zehntausende an Stickoxiden, weil Autos die Schadstoffgrenzwerte nicht einhalten. Und auch mein Auto stößt zuviel Stickoxid aus.
Seit Monaten, vielleicht sogar schon seit Jahren empört mich, wie feige, lasch und geradezu liebedienerisch die Bundesregierung und vor allem der jeweilige Verkehrsminister die Autohersteller gewähren lassen. Die Politik macht den Kotau vor einer Industrie, deren Handeln ich wie tausende andere Autofahrer als regelrecht kriminell empfinde. Bislang bestimmt nicht die Politik, dass und wie die Autobauer den Schaden beheben, den sie angerichtet haben. Im Gegenteil: Die Hersteller bestimmen, dass sie nur akzeptieren, was ihre Milliardenprofite nicht allzu sehr mindert.
Heute nun, Herr Minister Scheuer, bekam ich einen Brief vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, das Ihnen unterstellt ist. Und dieser Brief ist der Gipfel politischer Verantwortungslosigkeit. Die ganze Aktion kann ich nur als Unverschämtheit bezeichnen. Mir wird dargelegt, dass ich als Hamburger Bürger mit meinem Diesel durch eine Stadt fahre, deren Luft zu stark Stickoxid-belastet ist. Deshalb möge ich doch bitte „Umtauschprämien, Leasingangebote oder Rabatte der Fahrzeughersteller in Anspruch nehmen“, um mit einem neuen Auto „einen wirksamen und maßgeblichen Beitrag zur Reduzierung der Fahrzeugemissionen und zu einer Verbesserung der Luftqualität in unseren Städten zu leisten.“
Und dann fordert der Brief dazu auf, für weitergehende Fragen die Hotlines von BMW, Daimler oder VW anzurufen oder anzuschreiben. Telefonnummern und Website-Adressen werden gleich mitgeliefert.
Sie, Herr Minister, waren bislang zu schlapp, zu feige oder zu industriefixiert, um die Autohersteller spür- und wirksam in die Pflicht zu nehmen. Jetzt soll ich als Verbraucher einspringen und bezahlen, weil Sie versagt haben und immer noch versagen. Und Sie machen Ihr Kraftfahrt-Bundesamt auch noch zur Werbeagentur der Autohersteller, auf dass die aus dem Diesel-Skandal ein zweites Mal Profit schlagen.
Sie sind ein prominenter Mann der CSU, der christlich-sozialen Union. Was sie mit dieser Aktion machen oder machen lassen, ist nicht christlich, sondern verlogen, ist nicht sozial, sondern asozial.
Mit unfreundlichem Gruß
Christoph Lütgert
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