„Röschen“ nannte sie ihr Vater Ernst Albrecht. „Röschen“, das klang so liebevoll und niedlich und passt so gar nicht zur Ursula von der Leyen. Niedlich? So sollte man die ehrgeizige Frau aus Niedersachsen nicht falsch einschätzen. Das mit dem „Röschen“ kann man aber nehmen, denn selbst kleine Rosen tragen Dornen, an denen man sich verletzen kann. Kämpfen kann die kleine und zierlich wirkende Frau, erfolgreich war sie in ihren früheren Ministerämtern für Arbeit und Familie. Sie setzte sich durch beim Elterngeld und beim Ausbau der Krippen, nur in der Verteidigung zeigt sie Schwächen. Und doch soll sie Präsidentin der mächtigen Kommission werden, vielleicht, so will es der Rat der Staats- und Regierungschefs. Sie sind die Mächtigen in Europa, nicht das Parlament. Aber nichts ist unmöglich, auch ihr Scheitern.
Das Lächeln täuscht, mit dem sie gerade in Europa auf Schmusekurs geht, andere sprechen von Friedensmission, um Stimmen einzufangen für die Abstimmung im Europa-Parlament über den künftigen Präsidenten der Europäischen Kommission. Die bald 61jährige Mutter von sieben Kindern gilt als hart im Nehmen und im Austeilen, als sehr konzentriert, ja als ziemlich kaltschnäuzig, was die Durchsetzung ihrer Interessen angeht. Sie weiß genau, was sie will, und dafür tut sie fast alles. Das Bild auf der Seite 3 der „Süddeutschen Zeitung“ sagt einiges über sie aus: sie sitzt da, die Arme auf den Tisch gestützt, die Hände brav übereinander geschlagen und dann dieser Blick der Ursula von der Leyen, harmlos, lieb, es fehlt nur noch der Heiligenschein, wie sie da nach oben schaut, gerade so, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Als wollte sie sogar da droben um Hilfe bitten, damit sie wird, was sie will, weil sie doch so gut ist. Ach ja. Und dann gibt die SZ der Geschichte noch den Titel: „Na, da schau her.“ Will sagen: Wer hat denn die ausgegraben für Brüssel, die stand doch auf keinem Zettel?!
Strauß gegen Albrecht
Sie galt schon lange als die ehrgeizigste im Heer der Damen und Herren hinter Angela Merkel, der man beruflich fast alles zutraute. Ehrgeizig, egoistisch. Sie kenne nur sich und sonst niemanden in der CDU oder wo auch immer, sagen die, die glauben, sie zu kennen. Sie hatte mit Europa nie was am Hut, hat nicht fürs Europa-Parlament kandidiert und soll jetzt nach dem Willen der Ratsmitglieder, nach dem Wunsch der Merkels und Macrons und der Präsidenten aus dem ehemaligen Ostblock Präsidentin der Kommission werden, Chefin über 32000 Beschäftigte, ein mächtiges Amt.
Oder anders formuliert: Jetzt soll sie dahin, wo sie herkommt, wo alles begann. Schließlich ist sie in Brüssel geboren, dort nahm die erstaunliche Karriere ihres Vaters in der belgischen Metropole ihren Anfang. Dort startete Ernst Albrecht(CDU) als Attaché bei der Montanunion, dem Vorläufer der EU, wurde viel später Ministerpräsident von Niedersachsen und ohne den Einspruch der CSU von Franz-Josef Strauß wäre Albrecht statt Strauß 1980 als Kanzlerkandidat der Union gegen den Amtsinhaber Helmut Schmidt angetreten. Wer weiß, wie sich die FDP im Koalitionspoker damals entschieden hätte?!
Die Zahl der Kritiker ist gewaltig. Und sie stammen nicht nur aus dem Kreis der SPD, der Linken und der Grünen. Ursula von der Leyen hat in Berlin nicht viele Freunde in der eigenen Partei, wenn sie denn überhaupt welche hat. Sie galt immer schon als Karrieristin und steht in Berlin jetzt auf einem Abstellgleis. Ist sie doch als Verteidigungsministerin gescheitert. Und als Nachfolgerin von Merkel als CDU-Chefin hat man sie gar nicht mehr gefragt, sondern AKK ihr vorgezogen, Annegret Kramp-Karrenbauer. Zurück zur Bundeswehr, der sie vorsteht und wo man erleichtert reagiert habe, als man hörte, die Chefin wechsele vielleicht nach Brüssel. So wird erzählt. Das Gepäck der amtierenden Verteidigungsministerin ist zur Bürde geworden, zu einer Last, die zu schultern selbst einer von der Leyen schwerfällt. Man denke an das Theater um das Segelschulschiff Gorch Fock, ein Millionengrab, an all die Materialien in der Bundeswehr, die nicht funktionieren, was fliegen soll, bleibt oft am Boden. Ich weiß gar nicht im Moment, welche Panzer fahren und welche nicht. Und wie ist das mit Hubschraubern? Und die Gewehre zielen auch nicht immer so, wie man das eigentlich erwarten kann. Ein High-Tech-Land wie Deutschland wirkt hin und wieder wie ein Entwicklungsland.
Und dann ist da der Untersuchungsausschuss, der sich mit Auftragsvergaben an Externe befasst. Im Verteidigungsressort ist das immer eine heikle Sache, weil es um Milliarden geht, die zu vergeben sind. Schwere Vorwürfe werden erhoben, die Frage wird gestellt, ob geschmiert worden ist bei der Vergabe von Millionen-Aufträgen, ob Freunde und Bekannte bevorzugt behandelt wurden. Der Rechnungshof hat schon moniert, dass Verträge am Vergaberecht vorbei und also rechtswidrig abgeschlossen wurden. Irgendwann wird Ursula von der Leyen als Zeugin auftreten müssen, als Ministerin und auch als Präsidentin, wenn sie es denn werden sollte. Und sie weiß, dann muss sie sich warm anziehen. Ein heiliger Blick reicht nicht, um aus der Schusslinie zu kommen. Und es reicht auch nicht zu sagen, man habe dies und das nicht gewusst. Denn in diesem Fall folgte die politische Verurteilung, weil sie ihr Haus mit einem Etat von über 40 Milliarden Euro nicht im Griff habe.
Unverschämtheit, Frechheit
Noch lacht sie alle an in Straßburg und in Brüssel, deren Stimmen sie braucht. Sie hört zu, um die Wünsche aus allen Parteien und Ländern zu hören, und um daraus ihre Vision für das neue, das von-der-Leyen-Europa zu schmieden. Das Parlament, zumindest Teile davon sind auf Krawall gebürstet. Und das kann man verstehen. Das Parlament kämpft um Souveränität, um eigene Rechte, es will sich behaupten gegenüber dem Rat der Regierungschefs. Auch deshalb die Aufregung: Wieso plakatiert man Spitzenkandidaten, die dann aber nicht vom Parlament gewählt werden können?“Eine Unverschämtheit“ nennen CSU-Politiker die Nominierung der Ministerin für Brüssel, eine „Frechheit“, schäumen sie. Natürlich nicht öffentlich, die Fäuste sind in der Tasche. Solidarität darf sie nicht erhoffen.
Es stmmt ja, Spitzenkandidaten für die Europa-Wahl haben nicht das Gewicht wie Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl. Genauer: ein Mann wie Manfred Weber, ein CSU-Politiker, gilt als nett und umgängliich, aber eben auch als Leichtgewicht. Selbst CSU-Leute beurteilen ihn so und trauen ihm die Führung einer solch riesigen Behörde nicht zu. Im Grunde waren sie froh, dass Manfred Weber in Europa blieb und nicht für das Amt des CSU-Vorsitzenden kandidíerte. Das hatte er nämlich vor, aber dann machte es doch der Ministerpräsident Markus Söder selbst. Erleichterung in Bayern. Weber sei in weiten Teilen Europas völlig unbekannt, sagt ein CSU-Mann, der die Partei genau kennt. So bleibe Europa unter Wert, werde schlecht verkauft. Webers Verhalten im Wahlkampf sei am Ende zudem ziemlich lächerlich gewesen, als er tönte, er werde als Präsident die Nord-Stream-2-Gas-Line noch einmal überprüfen lassen, gemeint stoppen. Dabei sind die Arbeiten daran so gut wie fertig. Aber er versuchte wohl die kritischen Stimmen aus Polen einzufangen. Ohne Muskeln sollte man keine schweren Gewichte stemmen.
Ob Merkel sich wirklich für Weber eingesetzt hat? Aus CSU-Kreisen kommt dazu ein ziemlich klares Nein. Hinter den Kulissen habe sie Weber ziemlich bald fallen gelassen, weil sie ihm das Amt offensichtlich nicht zutraute. Sie wird früh von Macron erfahren haben, dass er den deutschen Kandidaten nicht will. Also hatte Weber keine Chance. Und das mit Timmermans ist im Grunde auch eine Mogelpackung. Die Visegrad-Staaten, also der alte Ostblock um Polen und Ungarn, lehnten den Holländer Timmermans ab, nicht weil er Sozialdemokrat war, sondern weil er als Mitglied der Kommission die Verstöße Polens und Ungarns gegen die Rechtsstaatlichkeit prüfte, also die viel gepriesenen Werte Europas durchsetzen wollte. Das hätte man dem Holländer eigentlich zugute halten müssen. Oder haben die Werte nur ihren Wert für Sonntagsreden? Man darf sich wundern über das Verhalten. Was zählt hier eigentlich?
Eine Mogelpackung
Stichwort Mogelpackung: das Parlament in Straßburg hat nicht die Kompetenz des Bundestages. Eher ist es ein Parlament in einem Europa der Nationalstaaten, die EU ist kein Staatenbund oder Bundesstaat. Die Macht liegt in den Händen der Staats- und Regierungschefs, auf den EU-Gipfeln wird entschieden, was später vom Parlament abgenickt wird. Das ist die Realität. Und weil das so ist, gibt es viele Unterschiede in den EU-Staaten, manche lehnen offene Gesellschaften ab, sie sind eher nationalistische Länder, die die Freiheits- und Menschenrechte anders beurteilen, als wir das tun. Deshalb der Streit über die Migrationspolitik. Eine gemeinsame Währung, das Verschwinden der Grenzen sind Fortschritte auf dem Weg, aber von einem Staatenbund sind wir weiter entfernt denn je.
Die Entscheidung des Rats für von der Leyen wird von Kritikern als weiterer Schritt der Entmachtung der Parlamente gesehen, als weiteren Zug hin zur Hinterzimmer-Politik, die die Menschen draußen nicht verstünden. Man dürfe sich nicht wundern, wenn die Bürgerinnen und Bürger fragten, warum sie dann überhaupt noch zur Wahl gehen sollten. Der Verdruss bei Teilen des Volkes ist groß, unabhängig von der parteipolitischen Sympathie der Kritiker, die ernst zu nehmen sind.
Auch die SPD ist hier gefordert. Es bleibt abzuwarten, ob sie ihren Protest aufrecht erhält oder ob sie dem Werben der Ursula von der Leyen nachgibt und die deutsche Kandidatin für das wichtigste Amt in Europa mitwählt. Sie wäre die erste Frau auf diesem Stuhl und erste Deutsche nach Walter Hallstein, der das Amt 1958 bekleidete. Bis es so weit ist- Mitte Juli wohl- muss Ursula von der Leyen noch viele Vorbehalte gegen ihre Kandidatur abbauen. Das Rennen ist noch nicht gelaufen. Bekommt sie keine Mehrheit, muss der Rat der Staats- und Regierungschefs einen neuen Vorschlag machen. Es wäre mehr als peinlich, vor allem für Merkel und Macron.
Bildquelle: flickr, Arno Mikkor (EU2017EE), CC BY 2.0
Ihre Unfähigkeit ist schon legendär. Das ist genau die Mischung, die beabsichtigt ist, um längerfristige Ziele von Leuten
zu erreichen ,deren Namen in den Medien nie erwähnt werden! Während die Europäische Öffendlichkeit weiter getäuscht
und belogen wird, vollzieht sich das Ende dieser Unseligen Europäischen Allianz in aller Stille und Nachhaltig bis zu Ihren
Ende! Ein totes Pferd sollte man nicht mehr satteln!!
Das Röschen mit dem „Albrecht-Grinsen“. Aber war es nicht so, daß eben auch dieses Grinsen von Ernst Albrecht die Niedersachsen einst leid waren und 1990 das „Haifisch-Lachen“ von Gerhard Schröder vorgezogen und ihn zum Ministerpräsidenten in ihrem Bundesland gemacht haben?
Und warum wird von den zahlreichen von der Leyen-Kritikern jetzt nicht der Versuch unternommen, zur Abwechslung mal wirklich europäisch zu denken und sich etwa auf Margrethe Vestager zu einigen?
Ich bin auch keine Freundin von Frau von der Leyen, aber für die vielen Unzulänglichkeiten bei der Bundeswehr sind auch ihre unfähigen, männlichen Vorgänger verantwortlich.