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Sorgen der Kumpel berechtigt – Umweltschutz nicht gegen Arbeitsplätze ausspielen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
25. Oktober 2018
Indenmann

Zehntausende von Bergleuten und Industriearbeitern gingen in Elsdorf auf die Straße, um im Braunkohlerevier für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze zu demonstrieren. Recht haben sie, dass sie ihrem Ärger und ihren Sorgen Luft machen. Lange genug haben sie zusehen und sich anhören müssen, wie schmutzig doch das Produkt sei, das sie aus dem Boden holen, damit es zu Braunkohle verarbeitet wird. Fair war das nicht, was man den Kumpeln vorhielt, gerade so, als seien die Bergleute hauptsächlich für die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden verantwortlich. Die Kumpel tun ihren Job und das seit Jahrzehnten. Und damit verdienen sie ihr Geld. Das ist nichts Unrechtes. Und wenn Umwelt-Aktivisten oder besser solche, die sich dafür halten, die Radmuttern von Fahrzeugen lockern, die den RWE-Beschäftigten gehören, dann kann man solches Handeln als kriminell einstufen. Ja, was denn sonst! Man stelle sich vor, die Leute fahren mit solchen Autos los und bauen einen Unfall.

Ich komme aus dem Ruhrgebiet und habe in den Jahren, als die einst als schwarzes Gold gerühmte Steinkohle gegen viele Widerstände kämpfen musste, viele Demonstrationen erlebt. Auch im Revier,  an Emscher und Lippe, mussten sich Bergleute anhören, was sie für eine schlechte Arbeit leisten, dass die von ihnen geförderte Kohle für die Verschmutzung der Luft verantwortlich sei. Außerdem wurde ihnen vorgehalten, wieviel Millionen Subventionen der Staat, also die Gemeinsamkeit der Bürgerinnen und Bürger in die Kohle steckten, damit sie einigermaßen preiswert verfeuert werden könne. Ja, das hat man dem Kumpel vorgerechnet und seine Arbeit schlecht geredet. Schön war das nicht, was der sich gefallen lassen musste. Längst waren die Leistungen der Bergleute vergessen, die mit ihrer harten und nicht ungefährlichen Arbeit nach dem Krieg Deutschlands Wirtschaftswunder ernst möglich gemacht hatten. Die Kohle aus dem Ruhrgebiet war damals in Bayern und anderswo ein gern gesehenes Produkt, ohne die heimische Kohle wären viele erfroren. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen, heißt es in Schillers Fiesko. Diesen Satz hätte man einigen Politikern aus dem Süden später in den von ihnen angezettelten Diskussionen über den Finanzausgleich vorhalten können. Jahrelang hatte Bayern kassiert und NRW hatte bezahlt. Das wollte man nicht mehr wissen, als es sich umkehrte und plötzlich NRW zum Bittsteller wurde und der Freistaat zum Zahler.

Nein, es geht mir hier nicht um Dankbarkeit, aber geschichtsvergessen bin ich nicht. Wir sollten die Proteste der Bergleute ernst nehmen, das haben sie verdient, wir haben die Warnungen der Umweltfreunde ja auch ernst genommen. Und wir sollten nicht ignorieren, welche Sorgen sie haben. Wenn wir aus der Braunkohle aussteigen, können in der Lausitz, dem Rheinischen Revier in NRW und im Helmstedter Revier in Niedersachsen bis zu 60000 Jobs wegfallen. Ferner würden in diesem Fall rund 3.3  Milliarden Euro pro Jahr Wirtschaftsleistung ausbleiben. Das ist keine Kleinigkeit. Und wer den Strukturwandel an Rhein und Ruhr erlebt hat, weiß um die Dimension dessen, was da passiert. Der weiß, dass ganze Regionen absaufen, abgehängt werden können, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Was nicht heißt, einfach weiterzumachen, sondern dafür Vorsorge zu treffen, dass in den genannten Revieren zum Beispiel Bundesbehörden bevorzugt angesiedelt werden, dass man Forschungseinrichtungen dorthin verlegt oder sie dahin vergibt. Es geht um Milliarden Euro, die der Bund investieren müsste. Die Kohle-Kommission geht angeblich von einem zweistelligen Milliarden-Programm aus.

Ein Ausstieg aus der Kohle muss wohl bedacht sein.  Die Frage ist, wie lange er dauern wird oder wie schnell kann es gehen. Deutschland muss seine Klimaziele erreichen und sogleich die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts sichern. Darauf hat NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hingewiesen, zu Recht. Die Stromversorgung muss verlässlich bleiben, auch wenn Kraftwerke abgeschaltet werden. Der Ausstieg aus der Kohleverstromung kann nicht von heute auf morgen gelingen, im Gespräch ist ein Zeitraum bis über 2030 hinaus. Die Alternative kann nicht lauten, dass wir im Notall Atom- und Kohlestrom aus dem Ausland importieren müssten. Ernstnehmen müssen wir auch die Einwände aus dem Chemiebereich, deren Arbeiter ebenfalls in Elsdorf für ihre Belange auf die Straße gegangen waren. Dabei handelt es um Unternehmen etwa aus der Stahl- und Aluminiumindustrie, Firmen mit hohem Strombedarf. Allein in NRW arbeiten dort rund 250000 Menschen. Ihre Sorge ist, dass im Falle des Ausstiegs aus der Braunkohle höhere Stromkosten anfielen. Kohlekraftwerke lieferten bisher die Grundlast und sicherten wettbewerbsfähige Strompreise, Erneuerbare Energien seien dazu noch nicht in der Lage, so der Verband der Chemischen Industrie.

Es darf nicht um den Kampf Umweltschutz gegen Jobs oder umgekehrt gehen, wir sollten eine Verteufelung des einen durch den anderen vermeiden. Es muss um die Vereinbarkeit von Ökologie und Ökonomie gehen, um die Luft zum Atmen und neue Jobs in den Revieren, damit auch die Kinder der Kumpel später eine Perspektive haben. Damit das nicht vergessen wird: Zu einer nachhaltigen Energiewende gehören nicht nur die Abschaltung von Kraftwerken, sondern auch die bessere Dämmung von Häusern und der Kampf gegen die Abgase. Der Weg ist nötig, aber er ist auch sehr teuer. Er kostet Milliarden, Geld, das gut angelegt ist. Klima ist nicht alles, so ein Wahlspruch, aber ohne Klima ist alles nicht.

Bildquelle: Wikipedia, public domain

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Tags: BraunkohleEnergiepolitikHambacher ForstIndustriepolitikStrukturwandelVersäumnisse der Energiepolitik
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